Claudia Bauer hat mit der Uraufführung von Bernhard Studlars Tragikomödie "Die Ermüdeten oder Das Etwas, was wir sind" am Freitag ihren Einstand als Hausregisseurin gegeben. Das Stück erzählt im Mikrokosmos einer Dachterassenparty von Menschen, die in der Mitte ihres Lebens in der eigenen Unzufriedenheit mit der Gesellschaft, die sie umgibt, versinken. Das Premierenpublikum war hellauf begeistert.
Claudia Bauer, den Leipzigern bekannt durch die Inszenierungen von Wolfgang Hölls “Und dann” sowie Jean Genets “Splendid’s”, formt Studlars zugespitzte, süffisante Dialoge zwischen den Teilnehmern der Feierlichkeit zu einem durchrhythmisierten Theatertext. Jonas Martin Schmid untermalt den Abend mit atmosphärisch dichten Ambient-Sounds.
Bauer entschied sich bewusst gegen die bildhafte Darstellung einer Dachterassenparty. Stattdessen visualisiert sie den Text auf einer abstrakten Ebene. Der in sich geschlossene Bühnenraum, in dem auch das Publikum Platz nimmt, gleicht einer quaderförmigen Box. Die Wände sind mit grauem Stoff verkleidet. Auf dem Boden ist Laminat verlegt. Die Zuschauer sitzen dicht gedrängt auf einer stufenförmigen Tribüne, auf der goldfarbene Sitzkissen ausgelegt sind. Rückenlehnen gibt es keine. Warme Kleidung sollte angesichts der glühenden Spots, die den Raum ausleuchten, besser an der Garderobe abgegeben werden.
Das fade Bühnenbild, in dem sich gewiss auch Goethes “Faust” oder Shakespeares “Hamlet” spielen ließe, symbolisiert bildhaft die Tristesse und Beliebigkeit, die die Figuren charakterisiert. Bauer deutet die namenlosen Charaktere als Stimmen, die sie szenisch verdoppelt, indem sie das Gesagte konsequent vom Gespielten trennt. Auf der freien Bühnenfläche spielen Wenzel Banneyer, Sophie Hottinger, Tilo Krügel, Dirk Lange, Annett Sawallisch und Katharina Schmidt in einer famosen Ensembleleistung Studlars Bilder, wobei der zugehörige Text von anderen Darstellern am Bühnenrand live in Mikrofone eingesprochen wird und akustisch verzerrt aus den Boxen tönt.
Psycho-Doc, Kleingärten, Investments. Die vollzogene Verfremdung verstärkt die Quintessenz des gelangweilt klingenden Smalltalks, der zwischen den Zeilen die Ausweglosigkeit einer mitten im Leben gestrandeten Generation thematisiert. Allgegenwärtig ist das Mobiltelefon, das Bauer metaphorisch mittels eines schweren Felsbrockens zu einer uns erdrückenden Last unserer Zeit erklärt.
Die Partygäste, Männer wie Frauen in langen Abendkleidern gekleidet, erscheinen so als schemenhafte Zerrbilder. Bauer verstärkt diesen Eindruck durch den Einsatz von Masken. Mit zunehmender Spieldauer verlagert die Regisseurin die Handlung ins Tierreich. Die Plaste-Fratzen weichen erst plüschigen Monstern, dann Vögeln und im Schlussbild winden sich die Schauspieler als Riesenwurm über den Bühnenboden. Ob das gutes oder schlechtes Theater ist, mag bitte jeder Zuschauer für sich selbst entscheiden. Dem Premierenpublikum gefiel die geradlinige Ästhetik. Schauspieler und Team erhielten lang andauernden Applaus.
Schauspiel Leipzig
Die Ermüdeten oder Das Etwas, was wir sind
Bernhard Studlar
Nächste Termine: 1.10., 17.10.
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