Nach dem "Fliegenden Holländer" 2013 stand in Leipzig wieder eine konzertante Wagner-Oper auf dem Spielplan. Die Oper spielte am Sonntag zum Abschluss der Wagner-Festtage konzertant das populäre Frühwerk "Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg". Das Publikum war hellauf begeistert.
Der “Tannhäuser” gilt als ein Einstieg in Wagners Werk. Die Oper ist mit vier Stunden Spielzeit vergleichsweise kurz, das gesungene Wort zumeist sehr gut verständlich. Die Übertitel-Anlage blieb am Sonntag aus. Wie bei konzertanten Aufführungen üblich, saß das Gewandhausorchester nicht im engen Orchestergraben, sondern machte sich auf der großen Bühne breit. Um die klinisch-sterile Konzertatmosphäre aufzubrechen, schuf Regieassistentin Verena Graubner szenische Andeutungen.
Die Solisten dürfen vor dem Orchester, auf der Vorderbühne, wo sich sonst der Graben befindet, in Kostümen aus dem Fundus ein wenig miteinander interagieren. Der Chor steht auf einer kleinen Bühne, die Graubner hinter den Musikern bauen ließ. Zu den chorischen Passagen öffnet sich der rote Samtvorhang.
Die Sängerinnen und Sänger treten gleichfalls kostümiert auf und dürfen sich in manchen Szenen sogar ein wenig bewegen. Was in der Summe unfreiwillig an die Präsentation möglicher Resultate eines Workshops aus dem Education-Programm erinnert und schon deshalb eine gewisse Komik entfaltet, lockert immerhin den Abend ein wenig auf. Kann man so machen.
Musikalisch ist die Aufführung ein Fest. Das Gewandhausorchester präsentiert sich unter Leitung von Matthias Foremny in bester Verfassung. Wagner hat die Oper, die den Zwiespalt zwischen heiliger und profaner Liebe thematisiert, und die – wie alle großen Wagner-Opern – mit der Erlösung des Protagonisten durch die Liebe endet, ab 1842 während seiner Dresdner Jahre komponiert. Im Libretto finden sich bereits Anklänge von Wagners revolutionärem Gedankengut, das ihn 1848 in die (gescheiterte) Revolution ziehen lässt. “Nach Freiheit verlangt es mich”, lässt er den Protagonisten zur Göttin Venus sagen, in deren Berg er sich zu Beginn der Handlung aufhält. Tannhäuser will in die Welt hinaus ziehen, weil er des Genusses überdrüssig ist. Venus möchte, dass er bei ihr bleibt.
Das Werk wurde im Oktober 1845 in der sächsischen Landeshauptstadt uraufgeführt. Bis 1875 unterzog der Komponist die Oper verschiedenen Bearbeitungen. So entstand 1861 eine französische Fassung für die Opéra Garnier. In Leipzig stand die Dresdner Fassung auf dem Spielplan, die von Wagner 1860 mit allen bis dahin für gültig erklärten Veränderungen herausgegeben wurde. Wenngleich durchkomponiert, weist das das Werk strukturell noch deutlich erkennbare Spuren einer klassischen Nummernoper auf.
Von einer musikalischen Revolte war der Abend Gott sei Dank um Lichtjahre entfernt. Dirigent Matthias Foremny kreierte am Pult eine konservative Interpretation. Einen Wagner für Genießer, frei von waghalsigen Experimenten. Das kam beim Publikum an. Die Oper Leipzig hatte mit der schwierigen Titelpartie Daniel Kirch betraut. Der Tenor steht in der Messestadt aktuell als “Parsifal” auf der Bühne und sang am Haus auch den Walter von Stolzing in “Die Meistersinger von Nürnberg”.
In seinem Tannhäuser-Debüt wusste Kirch mit seinem angenehmen, dunklen Timbre den inneren Zwiespalt der Titelfigur auszudrücken. Obwohl der Sänger zu diesem Zeitpunkt schon ein wenig verausgabt wirkt, geriet die Rom-Erzählung im dritten Akt – von Kirch mit wehleidigem Unterton vorgetragen – zu den Glanzpunkten des Abends. Die Elisabeth wurde von Christiane Libor gegeben. Die Sopranistin, die in Leipzig regelmäßig in Wagner-Produktionen zu hören ist, bewegte bei der Arie zu Beginn des zweiten Aktes schier ungeheure Luftmassen in die Tiefen des Saals. Beim Liebesduett harmonierte sie wunderbar mit Kirch.
Überzeugend auch die Mitglieder des Leipziger Ensembles: Mezzosopranistin Kathrin Göring sang eine rundum solide Venus. Rúni Brattaberg verlieh Landgraf Herrmann eine gehörige Portion Rührseligkeit. Bass-Bariton Tuomas Pursio bestach mit bebendem Vortrag als Biterolf. Die Zuhörer im mäßig gefüllten Saal waren von diesem szenisch-konzertanten “Tannhäuser” angetan. Schon nach dem ersten Akt erschallten die ersten “Bravos”. Beim Schlussapplaus erhob sich das Publikum nahezu geschlossen von den Plätzen. Auf eine szenische Neuproduktion müssen sich die Leipziger weiter gedulden. In der Spielzeit 2015/16 möchte zunächst der “Ring” vollendet werden.
Oper Leipzig
Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg (szenisch-konzertant)
Das Konzert wird am 7. Juni wiederholt. Beginn: 17 Uhr.
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