Yves Hinrichs kennen die Leipziger bisher vornehmlich als Schauspieler. Am Samstag präsentierte der Theatermacher seine erste Inszenierung auf der Großen Bühne des Schauspielhausesaa. In Peter Shaffers "Komödie im Dunkeln" fällt schon in der ersten Szene der Strom aus. Sehr zur Freude des Publikums.

Brindsley Miller (Sebastian Tessenow) ist ein erfolgloser Bildhauer. Der millionenschwere Kunstfreund George Godunow (Jonas Fürstenau) soll dem Mittellosen den erhofften Karriereschub verleihen. Mit dem Geldsegen wäre Miller einen Schritt näher an der Hochzeit mit seiner Verlobten Carol (Anna Keil).

Um Eindruck zu schinden, bedient sich das junge Paar kurzerhand am hochpreisigen Interieur von Nachbar Harold (Dirk Lange), der über’s Wochenende verreist ist. Designer-Couch, schwarzes Klavier und goldene Winkekatze füllen das breite, weiß getünchte Apartment, das Bühnenbildnerin Marialena Lapata auf die Vorbühne und erste Stuhlreihen des Zuschauerraums gepflanzt hat.
Als der letzte Sessel steht, fällt der Strom aus. Yves Hinrichs bedient sich des herrlichen Clous, der von Autor Peter Shaffer intendiert ist. Während die Figuren in der Dunkelheit umhertappen, ist der Bühnenraum hell erleuchtet. Scheint im Stück Licht, gehen wiederum (fast) alle Lichter aus, sodass der Zuschauer nur Schatten und Umrisse erkennen kann.

Kaum geht das Licht aus (beziehungsweise an), taucht Carols Vater, Colonel Melkett (Andreas Keller), auf. Nachbarin Miss Furnival (Ellen Hellwig) findet in dem Apartment Zuflucht. Nachbar Harold kehrt früher als erwartet heim. Und zu allem Überfluss taucht im Dunkeln auch noch Brindsleys Ex, Clea (Lisa Mies), als ungebetener Gast auf. In der Finsternis, die die Figuren umhüllt, sind Verwechslungen und Unfälle vorprogrammiert. Sehr zur Freude des Publikums.

Hinrichs untersetzt Peter Shaffers Wortwitz mit gnadenloser Situationskomik. Der Abend benötigt zwar gut 30 Minuten, um auf Betriebstemperatur zu gelangen, sorgt sodann aber nach jedem dritten Satz für Lachsalven. Nicht ohne Grund steht die Inszenierung an Silvester gleich doppelt auf dem Spielplan. Die Mischung aus (fast) pausenloser Verbal- und Situationskomik, untersetzt mit dem Gelächter des Publikums, weckt Erinnerungen an die gute alte Sitcom amerikanischer Spielart, die hier Gott sei Dank ganz ohne Fäkalhumor auskommt.
Die Schauspieler verkörpern durchweg grelle Typen. Sebastian Tessenow gefällt als genervter Krisenmanager. Anna Keil mimt mit vollem Körpereinsatz das tolpatschige Mädchen. Gleich beim ersten “Stunt” zieht sich die Schauspielerin eine Platzwunde am rechten Knie zu. Bei einer Nummer im Dunkeln stürzt Keil unbeabsichtigt vorneweg von der Bühne. “Das ist nicht inszeniert”, krächzt eine verdutzte Ellen Hellwig, ohne dabei aus der Rolle zu fallen. Der Routinier amüsiert als Prototyp der schrulligen Großtante.

Amüsant auch Andreas Keller als völlig überzeichneter Militär, der den künftigen Gatten seiner Tochter im Befehlston permanent herumkommandiert. Dirk Lange bleibt als smarter Gentleman eher blass. Lisa Mies spielt das sexgeile Luder. Jonas Fürstenau unterhält in einem Kurzauftritt als Handwerker, der wegen seines Dialekts im Dunkeln mit dem prominenten Abendgast verwechselt wird.

Der Inszenierung fehlen allerdings echte Höhepunkte. Auf der Bühne geschieht nichts, was der geneigte Medienkonsument nicht schon so oder so ähnlich auf der Bühne, im Kino oder im Fernsehen gesehen hat. Die starken Überzeichnungen der Figuren, der allgegenwärtige Slapstick und die rundum solide Leistungen des Ensembles sorgen immerhin für eine gute Abendunterhaltung. Die Bühne gleicht nach eineinhalb Stunden dem berühmten Porzellanladen, in dem der Elefant gewütet hat. Viel Spaß beim Aufräumen. Der Letzte macht das Licht aus.

Nächste Termine: 19., 26., 31. Dezember.

www.schauspiel-leipzig.de

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