Am Donnerstag wird Enrico Lübbe, neuer Intendant des Schauspiels Leipzigs, seine Pläne für die Spielzeit 2013/14 präsentieren. Ja, Sie haben richtig gelesen. Das Haus in der Bosestraße erhält seinen alten Namen zurück. Zu verkrakelt findet Lübbe offenbar die Handschrift, mit der Noch-Intendant Sebastian Hartmann die Vokabel "Centraltheater" geschrieben hat.
Eines steht fest: Hartmann wird nach fünfjähriger Amtszeit nicht als ein Intendant in die Annalen eingehen, der die Geschichte des Hauses besonders geprägt hat. Zwar resümierte der gebürtige Leipziger im Sommer 2011 voller Stolz, mit seinem Team die Marke “Centraltheater” kreiert zu haben. Und betrauerte gleichsam, bislang nicht zum Berliner Theatertreffen eingeladen worden zu sein. Könnte daran liegen, dass einzig eine Kritikerjury die zehn Startplätze vergibt, um die deutschsprachige Schauspielmacher Jahr für Jahr um die Wette buhlen. Erst zum Ende seiner Intendanz, im Mai 2013, war Hartmann mit seiner Tolstoi-Adaption “Krieg und Frieden” eingeladen worden. Vielleicht ein augenzwinkerndes Dankeschön für sein Engagement in der Messestadt.
Die Arbeit des Schülers von Regielegende Frank Castorff, Intendant der Berliner Volksbühne, stand nie unter einem guten Stern. Kaum hatte er die Spielzeit 2008/09 mit der langatmigen “Matthäuspassion” eröffnet, warfen ihm Kritiker vor, in der Messestadt eine neue Volksbühne etablieren zu wollen. Viele Leipziger fühlten sich vom postdramatischen Regietheater, das in der Bosestraße Einzug erhielt, vergrault. Vor allem die junge Generation war begeistert, konnte mittelfristig aber den Zuschauerschwund nicht auffangen.
Selbst die Verpflichtung bekannter Namen – zu nennen seien Rainald Grebe, Heike Makatsch, Sophie Rois oder Schriftsteller Clemens Meyer – bescherte dem Haus bestenfalls überregionale Medienpräsenz, aber (bis auf Grebe und die ersten Makatsch-Auftritte) nicht mehr Zuschauer. Ohnehin schien die Erwähnung in Blättern wie “Frankfurter Allgemeine”, “Süddeutsche”, “Zeit” und “Spiegel” den Theatermachern mehr zu bedeuten als die Verankerung vor Ort. Sogar die lokalen Medien bekamen dies zu spüren. Kritiker wurden von Spielzeit zu Spielzeit im Großen Haus immer weiter hinten platziert. Als das “Centraltheater” L-IZ.de für die Premiere von Hartmanns “mein faust” die beiden üblichen Pressetickets verweigerte – angeblich aus Platzgründen – entschied sich diese Zeitung, die letzte Hartmann-Spielzeit aus der Distanz zu begleiten.
Für einen Eklat sorgte Hartmann im Februar, als er das von Jugendlichen im Spinnwerk inszenierte “Nazistück” kurzerhand nach der Premiere vom Spielplan nehmen ließ. Die jungen Leipziger hatten den Fehler gemacht, das Binnenleben der rechten Szene eine Spur zu realistisch darzustellen. Eine Leistung, für die manch Filmemacher schon mit Preisen und Lorbeeren überhäuft worden ist. Die Podiumsdiskussion nach der Premiere war für Besucher und Schauspieler gleichermaßen konstruktiv. Hartmann war dort freilich nicht mehr zugegen.
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Sein Nachfolger Enrico Lübbe steht vor einem Scherbenhaufen. Das “Centraltheater” ist in der Fachwelt überregional bekannt. Doch die Leipziger, die teils seit Jahrzehnten in die Bosestraße pilgern, mögen’s nicht. Ein Paradoxon, dem der bisherige Chemnitzer Schauspieldirektor, ein Stadttheater entgegen setzen möchte, das “zuvorderst die Interessen der LeipzigerInnen und Leipziger erkennt und vielfarbig bedient.”
So zumindest sein Konzept, das er seiner Bewerbung beifügte. In Zukunft also mehr Kommerz als Experiment? Sächsische Hausmannskost statt Berliner Haute Cuisine? Der 38-jährige Regisseur gilt noch nicht als Großmeister seiner Zunft, verhalf dem Chemnitzer Stadttheater aber zu deutlich mehr überregionaler Beachtung und steigenden Besucherzahlen. Leipzig? Für Lübbe ein sinnvoller Karriereschritt.
Möglicherweise gelingt ihm in der Bosestraße das, woran sein Vorgänger grandios gescheitert ist. Ein Theater zu schaffen, das Leipziger und Fachpublikum gleichermaßen begeistert. Und Hartmann? Wird weiter Theater machen. An großen Bühnen. Oder zumindest an solchen, die der 45-Jährige für “groß” erachtet. Das “Schauspiel Leipzig” dürfte nicht dazu zählen.
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