Am 24. Mai erschien das Album „Aside the Aeons“ von Panthera Krause bei KAnn Records. Die Platte überrascht: Im Gegensatz zu seinen bisherigen Veröffentlichungen setzt der Leipziger DJ und Produzent auf Ambient-Sound, sanfte Töne und gefühlvolle Entschleunigung und trifft damit einen ruhigen Nerv in turbulenten Zeiten. Wir haben mit ihm über die Entstehung des Albums und die Nachwirkungen von Corona für die Kulturszene gesprochen und darüber, ob Kultur politische Verantwortung übernehmen sollte.

„Aside the Aeons“, ich übersetze es mal frei als „Abseits der Gezeiten“ – was bedeutet dir dieser Titel? Und wie kam es dazu, dass du dich mit diesem Album wegbewegt hast von deinem „üblichen“ Dance-Sound?

An sich gibt es keine „richtige“ Übersetzung. Der Titel beschreibt für mich das Gefühl, entrückt zu sein. Abseitig von der Welt zu existieren. Was auch der Situation ähnlich kommt, in welcher ich diese Musik produziert habe. Viele der Stücke hatte ich auch schon „in der Schublade“, sie sind über eine längere Zeit entstanden – übrigens vorrangig in meiner Küche.

Irgendwann habe ich Alex (DJ Sevensol) von Kann Records gefragt, ob er mir einen Kontakt vermitteln könne, zu jemanden, der die Musik veröffentlichen würde. Am Ende wollte er es selbst herausbringen, das hat mich natürlich sehr gefreut.

Mit „Aside the Aeons“ (Kann Records) bewegt sich Panthera Krause weg vom Dance-Sound und schlägt ruhigere Töne an.
Mit „Aside the Aeons“ (Kann Records) bewegt sich Panthera Krause weg vom Dance-Sound und schlägt ruhigere Töne an.

Es gab für mich keine klare Linie, das ist eher mit der Zeit entstanden. Kurz habe ich mit dem Gedanken gespielt, die Platte als Konzeptalbum zu verkaufen – das klingt natürlich professioneller und als hätte ich mir als Künstler viele Gedanken im Vorhinein gemacht (lacht). Vieles passiert aber einfach durchs Ausprobieren und durch Zufall. Mein liebstes Setting zum Musikmachen ist, Zeit zu haben. Zeit, in der sich Kreativität entfalten kann. Das ist absoluter Luxus.

Wahrscheinlich ist Zeit momentan ohnehin rar – du bist vor wenigen Monaten Vater geworden.

Klar, momentan ist mein Fokus auch oft woanders – einfach bei meiner Familie. Diese beiden Welten müssen sich erstmal zusammenfinden. Früher habe ich einfach immer, wenn Zeit war, Musik gemacht. Nun muss das mehr eingetaktet werden. Mal sind es Tage, mal sind es nur Stunden. Aber ich bin auch kein sehr strukturierter Mensch, ich nehme es eher, wie es kommt.

Nochmal zum Album: Welches Feedback hast du bisher erhalten? Immerhin „verprellt“ es auch manche, wenn sich ein*e Künstler*wegbewegt vom gewohnten Stil.

Das Feedback war bisher eigentlich durchweg positiv. Aber vielleicht sagen es mir diejenigen, die nichts anfangen können mit diesem ruhigeren Sound, auch einfach nicht (lacht).

Mal davon abgesehen, finde ich es wichtig, im Fluss zu sein und Raum für Veränderung zu haben – ungeachtet dessen, was andere dazu sagen. Musik ist für mich schnell abgeschlossen. Sobald ein Stück fertig ist, strecke ich die Fühler schon wieder nach dem nächsten Projekt aus. Ich suche ständig das Neue. Und ich finde es auch immer noch schwierig, auf Partys oder Veranstaltungen meine eigene Musik zu hören.

Wenn ich sie einmal gemacht habe, ist sie ein wenig durch für mich. Eher nach dem Motto „Der Weg ist das Ziel“. Dieses Gefühl bringt mich aber auch dazu, produktiv zu sein.

Auch während der Produktion von „Aside the Aeons“ war ich gänzlich darauf fokussiert. Fast, als gäbe es nur dieses eine Ziel und dann könnte ich zufrieden sein. Natürlich zieht es mich jetzt aber schon wieder weiter (lacht). Der wirkliche Moment der Zufriedenheit ist für mich weniger der Punkt, an welchem ich Musik herausbringe und Feedback erhalte, sondern die Zeit im Studio, in der etwas entsteht.

Wie hat sich die Corona-Zeit deinem Empfinden nach auf die (Leipziger) Musikszene und auf Künstler*innen ausgewirkt?

Es ist absolut nicht mehr wie vorher. Natürlich – währenddessen war es zunächst ganz nett, mal eine Pause zu haben. Auf lange Sicht wurde es aber sehr anstrengend, auszuhalten, dass es kaum Möglichkeiten gab, zu spielen, meinen Beruf auszuüben. Mir sind auch viele Netzwerke weggebrochen, weil die Menschen begonnen haben, sich branchentechnisch anderweitig umzusehen. Die Szene hat sich verändert. Man ist mehr am Schwimmen.

Interessant ist für mich auch die Frage: Wie verorte ich mich in der aktuellen – jüngeren – Szene? Momentan kommt es mir vor wie zwei unterschiedliche Welten. Durch Corona gab es keine langsame Ablöse, der Motor ist eher neu und anders angelaufen.

Vor Corona war – für mich zumindest – alles viel klarer: Ich produziere meine Musik, ich bin DJ. Die Pandemiezeit hat das alles mehr aufgefasert und auf eine Weise mehr Tiefe hereingebracht. Plötzlich gibt es andere Möglichkeiten oder vielleicht auch Verpflichtungen, über Themen nachzudenken und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Das ist einerseits eine große Bereicherung. Auf der anderen Seite fühle ich mich manchmal handlungsunfähig, wenn ich zu viel über alle Aspekte nachdenke.

Die Kulturszene wird verstärkt dazu aufgefordert, Stellung zu bestimmten Themen zu beziehen, sich beispielsweise zum Gaza-Konflikt zu positionieren. Andere Stimmen wiederum sehen in Kultur genau das Gegenteil und den Raum, zeitweise alles zu vergessen, was in der Welt geschieht. Wie hältst du es?

Ich finde es gut, dass es beide Strömungen gibt – beide haben recht. Ich selbst verorte mich eher in der Position, Kultur bzw. Musik als Ort zum Abschalten zu sehen. Natürlich ist es gut und wichtig, politische Themen auch in der Kultur zu behandeln und zu diskutieren. Ich selbst bin einfach nicht der Typ für große Diskussionen. Ich schaffe mit meiner Musik kleine Welten zum Loslassen.

Ich kann aber auch verstehen, dass mir das von manchen vielleicht als „Biedermeier“ vorgeworfen wird, mich da so rauszunehmen. Dass ich weltliche Themen nicht explizit in meine Kunst einfließen lasse, heißt dennoch nicht, dass sie mich nicht beschäftigen. Gerade in meiner Musik geht es für mich aber mehr um Stimmungen und Gefühle.

Leider bringt diese Frage Kulturschaffende ja auch in eine gewisse Bedrängnis. Nehmen wir zum Beispiel das IfZ: Dort hat man den Willen gezeigt, sich als Kulturstätte mit aktuellen Debatten auseinanderzusetzen. Allerdings kann man es – gerade bei strittigen – Themen nicht allen recht machen. Letztendlich hat es mit dazu beigetragen, dass der Club in Schwierigkeiten geraten ist.

Siehst du noch andere Gründe dafür, dass Clubs und Livespielstätten vermehrt ums Überleben kämpfen?

Viele Partys finden in eigenen „Bubbles“ statt, es gibt wenige Orte, an denen alle mal zusammenkommen. Ich erinnere mich zum Beispiel, dass es in den Anfangszeiten vom IfZ ganz anders war, das Publikum kam mir viel diverser vor. Ich glaube, es passiert auch viel seltener, dass man durch Zufall auf einer Party landet. Oder dass man an einem Abend mehrere Läden besucht.

Das liegt zum Teil auch an den steigenden Preisen für den Eintritt. Die Clubs haben zu kämpfen, die Artists haben zu kämpfen. Das spiegelt auch eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung wider: Acts, die groß sind und die Läden füllen, bekommen immer mehr, die kleineren weniger.

Das ist in der Kultur ja immer die gleiche hoffnungsvolle Erzählung: Wenn du dich anstrengst, dort unentgeltlich arbeitest, dich hier engagierst, dann kannst du mal nach oben kommen. Vielleicht. Das alles funktioniert nur über sehr viel Herzblut. Auch ich kann nicht allein von der Musik leben und vielleicht wäre es sogar schlauer, einen anderen Beruf auszuüben.

Abschließend: Ist Dance-Musik für Panthera Krause jetzt passé?

Gerade arbeite ich wieder an Dance-Music. Es war für mich persönlich aber wichtig, davon wegzukommen für eine Weile. Ich war einfach überreizt, habe das nicht mehr richtig gefühlt. Inzwischen habe ich wieder einen anderen Ansatz dafür.

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