Es gibt ihn noch: Den 1800 gegründeten Leipziger Musikverlag Edition Peters. Und es gibt auch noch die vor 150 Jahren gegründete Grüne Reihe. Und nun versucht der renommierte Musikverlag, auch mal was Neues fürs digitale Zeitalter anzubieten mit der Erwartung, dass das einen grundlegenden Wandel in der Musikbranche anstößt, diesmal mit der digitalen Plattform Tido.
Vorgestellt wurde das Projekt am Dienstag, 14. November.
Mit der Technologie der App Tido Music sind die Klassiker des Peters-Katalogs nun als digital erweiterte Ausgaben erhältlich und machen dieses Repertoire der nächsten Generation von Musikerinnen und Musikern zugänglich. Mit der Auftaktreihe Piano Masterworks steht dabei auch auf Tido Music – wie bereits bei der Gründung der Grünen Reihe 1867 – die Klaviermusik am Anfang. Diesmal handelt es sich jedoch um viel mehr als um reine Notenausgaben.
Das Projekt kommt pünktlich zum 150-jährigen Jubiläum der grünen Notenreihe, deren Titel „Edition Peters“ längst zum Synonym für den Musikverlag C. F. Peters geworden ist
Vor 150 Jahren stellte der Leipziger Musikverlag C. F. Peters seine „musikalische Universalbibliothek“ Edition Peters mit ihren heute weithin bekannten grünen Einbänden vor – und läutete damit eine neue Ära im Notenhandel ein. Ermöglicht wurde diese einschneidende Veränderung durch die von der Druckerei C. G. Röder in Leipzig entwickelte Rotationspresse. Dadurch war die Reihe für ein Fünftel des Preises bisheriger Notendrucke erhältlich. Musikalien wurden erstmals für ein breites Publikum erschwinglich – mit Auswirkungen auf den weltweiten Notenmarkt. Schon am ersten Tag lagen 100 Titel vor, und wie es sich für einen Leipziger Verlag gehört, bildete den Auftakt Johann Sebastian Bachs Wohltemperiertes Klavier unter der Nummer EP1.
Der Erfolg von Max Abrahams verlegerischer Vision war durchschlagend. Die Grüne Reihe aus dem Hause Peters erzielte für einen Musikverlag nie dagewesene Verkaufszahlen, und zwar buchstäblich in aller Welt. Rasch wuchs die Zahl der Veröffentlichungen. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte kamen Werke aus allen Bereichen des Standardrepertoires hinzu. 1933 erschien mit Bachs Zweistimmigen Inventionen die erste Urtext-Ausgabe. Selbst inmitten der Wirren und Widrigkeiten der Kriegs- und Nachkriegszeit des 20. Jahrhunderts war die Grüne Reihe ununterbrochen im Druck und wurde kontinuierlich erweitert. Mit Mut zum Neuen wurden auch moderne Komponisten wie zum Beispiel Arnold Schönberg, Gustav Mahler, Richard Strauss und John Cage verlegt.
Aktuell sind rund 12.000 Titel in Auflagen zwischen je 1 (PoD, print on demand) und 1.000 Stück verfügbar. Sie werden weltweit verlegt und in den USA, in England und Deutschland gedruckt. An seinen drei Standorten Leipzig, London und New York beschäftigt Peters insgesamt 80 Mitarbeiter, darunter 22 am Stammsitz in Leipzig. C. F. Peters gehört international zu den Top 5 der klassischen Musikverlage.
Was steckt in Tido?
Neben dem Notenmaterial beinhaltet die Anwendung, die derzeit als App für iPad und via Webbrowser für 3,99 Euro im Monat erhältlich ist, Videos von Meisterklassen und Einspielungen mit führenden Interpreten und Experten, hochwertige Audioaufnahmen, ausführliche Hintergrundinformationen zu den Komponisten und ihren Werken sowie praxisorientierte Übefunktionen. Wie schon 1867 mit 100 gedruckten Titeln, geht Tido mit 100 Meisterwerken für Klavier an den Start. Außerdem sind Lernstücke, populäre Musik und aktuell auch Weihnachtslieder für Klavier in englischer Sprache abrufbar. Bis Jahresende ergänzen Vokalmusik, im kommenden Jahr dann Werke für Chor und Streicher den Katalog. Innerhalb der nächsten 12 Monate soll Tido zudem in deutscher Sprache zur Verfügung stehen.
„Mit der Einführung von Tido verfolgen wir dieselbe Idee wie damals 1867 mit der Einführung der Edition Peters: Musik für jedermann zugänglich zu machen und ein größtmögliches Publikum anzusprechen“, erklärt Nicholas Riddle, Geschäftsführer der Edition Peters Group. „Tido ist unser nächster großer Meilenstein. Es gibt kein auch nur annähernd vergleichbares Produkt auf dem Markt. Das Schöne daran ist auch, dass Musik wieder in den Vordergrund rückt. In Zeiten von itunes oder Spotify ist Musik zwar immer verfügbar, läuft aber meist nur im Hintergrund. Mit Tido muss sich der Nutzer der Musik zuwenden, sie ganz bewusst entdecken – für Musikschüler, Studenten, Lehrer, Musiker oder Musikliebhaber eröffnet sich eine völlig neue Welt.“
Und es geht um mehr als nur darum, Musikern das Notenmaterial leichter zugänglich zu machen.
„Es geht uns nicht darum, mit Tido die gedruckten Notenausgaben zu ersetzen“, sagt Kathryn Knight, Geschäftsführerin von Tido. „Vielmehr wollen wir neue Zugänge zur Musik aufzeigen und darüber möglichst viele Menschen über Ton-, Bild- und Textmaterial für die Musik begeistern. Wir wollen insbesondere die junge Generation inspirieren und ihr Interesse wecken für die Musik, die wir lieben.“
Termintipp: Aus Anlass seines 150-jährigen Jubiläums lädt der Peters-Verlag übrigens am Freitag, 17. November 2017, um 19 Uhr in die Grieg-Begegnungsstätte zu einem Gesprächskonzert ein. Linda Hawken gibt Einblicke in die Verlagsgeschichte. Das Leipziger Ensemble Nobiles singt Werke von Mendelssohn, Schumann, Dvořák, Brahms, Reger und Grieg. Anschließend sind die Besucher zu einem Sektempfang eingeladen. Der Eintritt ist frei.
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