Das Bachfest 2015 ist eröffnet. Am Freitag lauschten hochrangige Gäste aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft zusammen mit zahlender Kundschaft in der Nikolaikirche Werken von Johann Sebastian Bach, Günter Neubert und Felix Mendelssohn Bartholdy.
Das Eröffnungskonzert war, wie in jedem Jahr, ein Stelldichein der High Society. Landtagspräsident Matthias Rösler und Kunstministerin Eva-Maria Stange waren aus Dresden gekommen. Aus Berlin war der chinesische Botschafter Shi Mingde, dieses Jahr Schirmherr, angereist. Zugegen waren auch weitere Diplomaten, Stadträte, Landtags- und Bundestagsabgeordnete. OBM Burkhard Jung (SPD) sprach das Grußwort. “Ganz gewiss war Bach ein Segen für unsere Stadt.” Schaut man sich die Touristenmassen an, die alljährlich zu dem Klassik-Festival anreisen, kann man dieser Aussage nur zustimmen.
Bach-Archiv-Präsident John Eliot Gardiner enthüllte in einer Pause das berühmte Bach-Portrait, das vor sechs Wochen den Weg zurück nach Leipzig fand. Der Philanthrop William H. Scheide hatte das Kunstwerk dem Bach-Archiv testamentarisch vermacht. Witwe Judy und Tochter Barbara hielten als Ehrengäste kurze Ansprachen.
Musikalisch stand zur Eröffnung die leichte Muse auf dem Programm. Organist Stefan Kießling, kurzfristig für den erkrankten Nikolaikantor Jürgen Wolf eingesprungen, begrüßte das Publikum mit der Chromatischen Fantasie d-Moll in der Bearbeitung von Max Reger. Ein besinnliches Stück, das dem Organisten ein wenig Virtuosität abverlangt, den Zuhörer aber keinesfalls überfordert.
Als obligatorische Bach-Kantate hatten die Veranstalter das Werk “Preise, Jerusalem, den Herrn” ausgewählt. Bach schrieb die Kantate anlässlich der Ratswahl 1723. Der Textzeile “So herrlich stehst du, liebe Stadt” wohnt nicht nur ein Hauch von Selbstbeweihräucherung inne. Sie ist 2015 zugleich das Festival-Motto, da Leipzig vor 1.000 Jahren erstmals urkundlich erwähnt worden ist.
Musikalischer Mittelpunkt war die eingekürzte Uraufführung von Günter Neuberts Choralkantate “Eine feste Burg ist unser Gott”. Ein sakrales, ernstes Werk, eine Ode an den allmächtigen Herrn. Textgrundlage des sächsischen Kirchenmusikers bildeten Martin Luthers Choral “Eine feste Burg ist unser Gott” sowie das Buch Hiob. Zum Abschluss erklang Mendelssohns Kantate “Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser”.
Der amtierende Thomaskantor Gotthold Schwarz brachte am Pult des Händelfestspielorchesters eine konservative Interpretation zur Aufführung, die vom Publikum wohlwollend aufgenommen wurde. Die jungen Thomaner trugen die durchaus herausfordernden chorischen Passagen gekonnt zuverlässig vor.
Auch solistisch war der Abend exzellent disponiert. Tenor Patrick Grahl begeisterte mit seinem rührseligen, weichem Timbre. Bariton Jochen Kupfer strahlte sowohl in der Bach’schen Bass-Partie als auch in Neuberts Bariton-Parts ein omnipräsentes Sendungsbewusstsein aus. Sopranistin Ute Selbig sprudelten selbst die höchsten Töne voller Freude mit Leichtigkeit aus dem Mund, ohne dass ihr die körperliche Anstrengung, die das klassische Singen erfordert, anzumerken gewesen wäre. Altistin Britta Schwarz trägt ihre Nummern so nuancenreich vor, dass Zuhören eine Freude ist.
Allerdings fiel das Programm mit zweieinhalb Stunden ohne Pause spürbar zu lang aus. Manch Ehrengast schaute auf den harten Holzbänken missmutig drein, als nach eineinhalb Stunden das Ende noch nicht absehbar war. Die Klassik-Liebhaber unter den Zuschauern wussten die Leistungen der Künstler einzuordnen und spendeten den Mitwirkenden einen frenetischen Schlussapplaus.
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