Vielleicht war der Druck einfach zu groß – auf die Leitung der Leipziger Buchmesse, die Messeleitung selbst, den Beirat der Leipziger Messe, nachdem die großen westdeutschen Verlagskonzerne ihre Teilnahme an der Leipziger Buchmesse abgesagt haben. Eine Buchmesse kann man absagen. Aber ein Leipziger Lese-Festival nicht. Am 19. und 20. Februar werden Felsenkeller und Moritzbastei zu Flaggschiffen des Lesefestes.
Und jeder, der Bücher und Literatur liebt, kann dabei sein. Für 15 Euro an beiden Tagen in beiden Festivalorten. Mit 60 Lesungen, mit Diskussionen, Party und Bücherständen. Denn eines war sehr schnell klar nach der Absage der Leipziger Buchmesse 2022 und des daran gebundenen Lesefestes „Leipzig liest“: dass der Leipziger Bücherfrühling nicht von der Anwesenheit der großen Verlagskonzerne lebt, die meinen, sich einen Auftritt auf der Leipziger Buchmesse nicht mehr leisten zu können.
Die Leipzig nur als Zuschussgeschäft betrachteten und den Direktor der Leipziger Buchmesse, Oliver Zille, unter Zugzwang brachten.
Leipzig ist anders als Frankfurt
Aber da haben sie völlig ignoriert, dass die Leipziger Buchmesse deshalb – trotz der großen Konkurrenz in Frankfurt am Main – nicht nur überlebt, sondern gediehen ist, weil sie mit dem Format „Leipzig liest“ ein Angebot hatte, das Leserinnen und Leser lieben. Autorinnen und Autoren sowieso. Denn es gibt in ganz Deutschland keinen Ort, an dem sie ihr Publikum so konzentriert und geballt erleben und treffen können wie Leipzig.
Und schon in den Tagen nach der völlig überstürzten Absage klingelten bei uns die Telefone, liefen die E-Mail-Fächer über, wurde getwittert und gepostet: was denn nun? Das geht doch nicht?
Reihenweise meldeten sich all die kleinen und regionalen Verlage zu Wort, die im Beirat der Messe überhaupt keine Stimme haben, die immer irgendwie so wegflutschen, wenn die großen Fünf ihre Verlags- und Messepolitik machen. Die sich auch große Stände auf der Leipziger Buchmesse nie leisten konnten.
Die aber in der Regel all die saure Arbeit leisten, Autorinnen und Autoren bekannt und für die „Großen“ erst interessant zu machen. Die immer neue spannende Entdeckungen machen, das Buch in seiner Schönheit, Exotik und Vielfalt pflegen, aber an jedem Jahresende froh sind, wenn sich die ganze Arbeit wenigstens mit einer schwarzen Null in der Bilanz niederschlägt.
Ein Fest für die Unabhängigen
Sie nutzten auch in den Vorjahren das Leipziger Lesefest immer, um immer neue Spiel- und Lesestätten zu finden und zu bespielen. Leipzig war gerade deshalb immer besonders für die kleinen und unabhängigen Verlage interessant.
Hier bekamen sie mehr vom Scheinwerferlicht ab, konnten auf Bücher aufmerksam machen, die das große Feuilleton immer ignorierte. Hier spielten sie eine Rolle, auch wenn sie auf der Messe selbst oft nur mit Gemeinschaftsständen auftreten konnten, weil mehr das Verlagsbudget nicht hergab.
Und sie brauchten auch keine Festsäle, um ihre Star-Autor/-innen auftreten zu lassen. Ihnen genügte immer eine rappelvolle Kneipe, eine gemütliche Lesebühne, ein zum Salon umgemodelter Laden. Vor der Augenhöhe mit den unbekannten Lese-Neugierigen hatten sie keine Angst.
Und so waren sie auch schnell dabei, als die Idee konkreter wurde: Ja, wir machen ein Lese-Festival.
Durchstarten ab 24. Februar
Am 24. Februar stand das kurzerhand in echter Team-Arbeit aus dem Boden gestampfte Lese-Festival „weiter:lesen“. Denn dass es weitergehen muss, das war allen Initiatoren des literarischen Alternativprogramms sofort klar. Leipzig braucht ein Lese-Festival.
Und irgendwie ist da auch die Ahnung, dass auch die deutsche Literatur genau dieses Lese-Festival braucht. Jedes Frühjahr in Leipzig. Denn da steckt mehr drin, als eine gefeierte Tradition.
Eine Gruppe von Literatur-, Medien- und Technologiespezialisten mit großer Erfahrung in Eventorganisation und Kommunikation hatte sich gleich nach der offiziellen Absage von „Leipzig liest“ ans Werk gemacht, um genau das im Felsenkeller und in der Moritzbastei auf die Füße zu stellen. Darunter der Autor Ulf Torreck („Wolfswechsel“), der Moderator M. Kruppe, Martin Jehnichen und Matthias Jobke vom Livestream-Anbieter Streamio, Robert Dobschütz, Geschäftsführer der Leipziger Zeitung sowie die PR- und Buchmarkt-Expertin Susanne Tenzler-Heusler, Inhaberin des Netzwerks für Kommunikation | Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, brandvorwerk-pr.
Das Ergebnis?
Zwei beliebte Veranstaltungsorte in Leipzig, die jeder kennt, wo am 19. und 20. März mindestens 60 Lesungen, Autoren, Bücherfreunde und Verlage zusammenkommen werden: Moritzbastei und der Felsenkeller. Alle Lesungen finden mit Publikum statt. Und die Tickets für 15 Euro gelten für beide Tage und beide Orte. Es gibt Comic-Workshops, Kinderlesungen und Computerspiele.
Und wer die aktuelle Ausgabe der „Leipziger Zeitung“ in die Hand bekommen hat, der kennt auch schon die Grundstruktur des Lese-Festivals. Inzwischen sind weitere Autor/-innen und Verlage dazugekommen. Das aktuelle Programm findet man auf der extra eingerichteten Website www.weiterlesenleipzig.de.
Das kompakte “weiterlesen22-Programm” als PDF zum Download
Tickets können ebenfalls auf der Website www.weiterlesenleipzig.de erworben werden. Hier können auch einige Veranstaltungen via Livestream verfolgt werden.
Aber vor allem bietet weiter:lesen eins: Wieder ein richtiges Lese-Festival mitten in der Stadt, auf dem genau das möglich ist, was Leipzig für Literaturbegeisterte in den letzten Jahren immer zum Höhepunkt des Frühjahrs gemacht hat: eine echte Begegnung mit Autor/-innen, Verleger/-innen und jeder Menge anderer Buch-Menschen, die die Leidenschaft fürs Gedruckte und Geschriebene teilen.
Leipzig liest weiter. Und wer rechtzeitig bucht, hat seinen Platz sicher im gespannt lauschenden Publikum.
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