Vom 12. bis 15. März findet in Leipzig wieder die Buchmesse statt. Samt Lesefest. Und natürlich mit rund 100 Verlagen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Die natürlich nicht den Kopf in den Sand stecken, obwohl auch sie merken, dass gewaltige Kräfte das (Lese-)Verhalten der Menschen ändern und das Büchermachen erschweren. 22 Verlage aus Mitteldeutschland fanden am Dienstag, 25. Februar, trotzdem den Weg ins Haus des Buches, um ihre neuen Titel vorzustellen.
Natürlich ist der Pressetermin des Börsenvereins auch jedes Mal eine Lock-Veranstaltung für die heimischen Medien, die Anwesenheit der eigenen Verlage auf dieser Buchmesse und im Programm von „Leipzig liest“ wahrzunehmen. Denn da geht ihre Präsenz oft unter, weil die großen Verlagshäuser aus München, Berlin und Hamburg sich viel mehr Aufmerksamkeit organisieren können.
Dabei sind auch die Verlage zwischen Harz und Erzgebirge wie Seismometer, erspüren die Themen, die gerade wichtig sind und die Menschen so beschäftigen, dass sie im Buchladen auch nach Büchern suchen, die das Thema profund erfassen.
Was übrigens auch Verlage verändert.
So wie den Leipziger Buchverlag für die Frau, der sich in den letzten Jahren von einem Verlag, in dem die Kochbücher dominierten, immer mehr zu einem Verlag, der die Leserinnen und Leser mit praktischen Tipps wieder zu Meister/-innen des eigenen Lebens macht – vom gesunden Kochen übers Selberschneidern bis zum Nachdenken über Wetter und Klima.
Das sind zwei verschiedene Dinge, aber beides hat seit Jahrhunderten das Leben der Menschen bestimmt. Und am besten fuhren sie immer, wenn sie lebten und sich ernährten im Rhythmus der Jahreszeiten und im Einklang mit der Natur. Was schon 2018 im „Wetterküche“-Buch von Michaela Koschak zu erfahren war.
Und wer wäre prädestinierter als eine erfahrene Wetterfrau, die Leserinnen und Leser nun auch mitzunehmen in jene Zukunft, die wir leider nicht mehr vermeiden können, bestenfalls ein wenig dämpfen in ihren Extremen. Und da kann jeder und jede etwas tun. Und alle können klein anfangen. Die Tipps dazu gibt es im neuen Buch von Michaela Koschak „Klimaschutz im Alltag“, das zur Buchmesse erscheint.
Wer den Verleger/-innen aus Mitteldeutschland zuhört, merkt auch, dass sie anders ticken als die großen Medien. Sie kennen nicht nur ein Aufreger-Thema, das durch alle Kanäle bespielt wird. Sie sind noch echte Menschen mit lauter verschiedenen Interessen. Und so vielfältig sind dann auch die Themenschwerpunkte.
Beethoven hat zwar mit seinem 250. Geburtstag ein richtig dickes Jubiläum. Aber eigentlich finden Verleger einen anderen Jubilar viel spannender. (Was den Buchverlag für die Frau nicht hinderte, schon im Herbst ein Beethoven-Büchlein vorzulegen und den Zweitausendeins Verlag, eine ganze Beethoven-Edition mit den Einspielungen des berühmten Dirigenten Otto Klemperer ins Programm zu nehmen.)
Der andere Jubilar ist der legendäre Hieronymus Carl Friedrich von Münchhausen, der berühmteste aller Münchhausens, der im Mai 1720 geboren wurde und den fast jeder kennt als den Burschen, der mit Lügengeschichten Erfolg hatte. Auch wenn der Freiherr selbst sie nicht veröffentlicht hat, sondern andere Leute, die den Ruhm des Geschichtenerzählers nutzten, um ihn dann – wie Gottfried August Bürger – quasi selbst zur Kunstfigur werden zu lassen.
Der Mann ist natürlich in Zeiten von „fake news“ und „alternative facts“ auch philosophisch sehr interessant. Auch in der Hinsicht, warum er ausgerechnet im Zeitalter der Aufklärung mit seinen unglaublichen Geschichten derart berühmt und beliebt wurde. Hat das was mit unseren heutigen Schwindelbrüdern zu tun und der einfach nicht auszurottenden Leichtgläubigkeit der Menschen?
Die Frage bleibt offen. Denn der Buchverlag für die Frau schenkt den Lesern lieber ein Münchhausen-Mini. Und Michael Faber, der den Verlag Faber & Faber ja 2019 wieder zum Laufen gebracht hat, kündigt die „Fabelhaften Erzählungen“ des erfindungsreichen Freiherrn erst für August an. Vielleicht sogar mit großem Auftritt im Gohliser Schlösschen. Das Besondere: Er lässt die Münchausiaden von Thomas Müller illustrieren. Das wird also ein Buch mit Lese-und Schaulust.
Ganz ähnlich wie das dicke Film-Foto-Buch von Beat Presser „Vor der Klappe ist Chaos – Hommage an den Neuen Deutschen Film“, das jetzt bei Zweitausendeins erschien. Der Verlag sitzt immerhin schon seit neun Jahren in Leipzig, betont Peter Deisinger. Höchste Zeit, sich auch mal beim Pressetermin des Börsenvereins blicken zu lassen. Presser hat etliche berühmte Regisseure in den vergangenen Jahrzehnten am Filmset als Fotograf begleitet. Deswegen stammen viele der berühmtesten Filmfotos von ihm. Im Band sind sie zu finden.
Und die Filmwelt beschäftigt auch Militzke Leipzig, wo man sich – angeregt durch die TV-Serie „Babylon Berlin“ – animiert sah, einen Klassiker aus der True-Crime-Abteilung neu aufzulegen: „Mörderisches Berlin“.
Militzke feiert in diesem Jahr übrigens genauso seinen 30. Geburtstag wie der Dr. Ziethen Verlag aus Oschersleben. Was einen daran erinnert: Die Deutsche Einheit jährt sich ja auch zum 30. Mal. Hat das einer der Verlage im Programm? In gewisser Weise schon: Der Domowina Verlag bringt zum Beispiel den zweiten Band der Autobiografie des Dichters Benedikt Dyrlich heraus: „Leben im Zwiespalt 2“, der just die Jahre 1990 bis 2018 umfasst.
Der Verlag Busse & Stadeler aus Quedlinburg bringt sogar ein richtig dickes Buch heraus: „Born in the GDR – Aufgewachsen in Deutschland“. Darin: lauter Tonbandprotokolle von meist bekannteren Ostdeutschen, die 1990 um die 30 Jahre alt waren und nun erzählen, wie sie danach Tritt gefasst haben. Ein echtes Zeitdokument, sagt Helmut Stadeler, der auch Vorsitzender des Börsenvereins Mitteldeutschland ist.
Und das Thema klingt ja auch in Barbara Handkes Roman „Wo ist Norden“ an, den sie 2018 schon im Selbstverlag veröffentlichte. Jetzt erscheint er im schönen Hardcover auch in der jungen Leipziger Edition Überland.
Und Geschichte steckt ja auch in dem längst preisgekrönten Kinder-Comic „Manno!“ aus dem Klett Kinderbuch Verlag, in dem die Grafikerin in lauter herzerwärmenden kleinen Geschichten zurückreist in die 1970er Jahre. Erst recht in dem von Voland & Quist angekündigten zweiten Buch von Ivana Sajko, ihrem „Familienroman“, in dem sie die Frauenschicksale einer jugoslawischen Familie zwischen 1941 und 1991 erzählt, also bis kurz vor den Bruderkrieg, der Jugoslawien dann völlig zerreißen sollte.
Helmut Stadeler ließ zum Pressetermin zumindest seine Hoffnung anklingen, dass mittlerweile die meisten doch eben eher kleinen Verlage aus Mitteldeutschland die Nachwehen der VG-Wort-Krise überwunden haben und er in diesem Jahr keine weitere Insolvenz verkünden muss. Vor zwei Jahren hatte ja bekanntlich die Klage eines Autors Erfolg, der davon ausging, dass die VG-Wort-Vergütungen zu 100 Prozent den Autoren zustehen.
Doch viele gerade kleine Verlage hatten diese Vergütungen auch in die Kalkulation ihrer Bücher mit aufgenommen, um auch wissenschaftliche Begleitung und Lektorat finanzieren zu können. Mit dem Gerichtsurteil ging diese Rechnung nicht mehr auf.
Trotzdem arbeiten die kleinen Verlage weiter daran, genau jene Bücher für den Markt zu produzieren, von denen sie wissen, dass sie fehlen. Das sind Sach- und Regionaltitel (wie aus dem Erfurter Sutton Verlag), Ethik-Schulbücher von Militzke oder auch neu überarbeitete (Rad-)Wanderkarten aus dem Verlag Grünes Herz, die auch gleich mal vom Thüringischen ins Tschechische führen, Grenzen überschreiten, wie das gute Druckwerke nun einmal machen.
Und wer dabei auch nach Spaß haben will, holt sich ein Wannenbuch aus der Chemnitzer Edition Wannenbuch. Denn das ist ja bekannt, dass einem seit Archimedes die besten Einfälle meist in der Badewanne kommen.
Manno! Alles genau so in echt passiert! Der preisgekrönte Kindheits-Comic von Anke Kuhl jetzt als Buch
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