Was schenkt man sich so als heimeliger Leipziger Ortsteil eigentlich zum 800. Geburtstag? Gibt es da etwas, was man sich wünschen darf? Darf man. In Großzschocher-Windorf sowieso. Da hat man eigentlich schon seit über zehn Jahren auf diesen Tag gewartet, der sich 2017 jährt. Die mehrbändige Ortschronik war ja darauf angelegt. Am Dienstag, 6. Dezember, gibt es das Geburtstagsgeschenk in der Apostelkirche.

Woran andere Leipziger Ortsteile fast verzweifeln, weil es so schrecklich viel Arbeit macht, das schreibt die emsige Interessengemeinschaft „Chronik Großzschocher-Windorf“ mittlerweile – na ja, nicht gerade nebenbei – aber doch ziemlich couragiert und diszipliniert: ein eigenes „Großzschocher-Windorf. Ein Leipziger Stadtteillexikon“. Ein solches gibt es ja mittlerweile für Stötteritz und die Südvorstadt, für Connewitz ist eins in Vorbereitung. Und wenn andere Leipziger Ortsteile jetzt munter werden, können sie mit dem Pro Leipzig e.V. auch ein Stück Leipziger Ortsteilgeschichte zum Lexikon werden lassen. Denn auch wenn Pro Leipzig sich bemüht, die Stadtteilhistoriker in Leipzig zum Forschen zu ermuntern – der größte Teil der Stadt ist in dieser Hinsicht noch Terra incognita.

Was natürlich daran liegt, dass solche Arbeiten zur Ortsteilgeschichte nur aus ehrenamtlichem Engagement entstehen können. Das braucht Liebe zum eigenen Wohnort und doch eine Portion gehöriger Neugier auf Geschichte, Sehenswürdigkeiten, Persönlichkeiten und Vielfalt des Ortsteils, der ja in den meisten Fällen mal ein eigenständiges Dorf war. Pro Leipzig hat schon mehrfach bewiesen, was für eine Fülle an Geschichten und Material dazu vorhanden ist – wenn es nur die Mutigen gibt, die Zeit und Kraft aufbringen, sich in die Archive zu knien und Material zu sammeln.

Das hat die Chronistengruppe aus Großzschocher-Windorf seit 2004 immer wieder getan und dabei statt nur einer reich bebilderten Chronik eine ganze Chronik-Serie zustande bekommen. In der – wie Werner Franke, einer der Mitstreiter und Betreiber des kleinen Museums Heimatblick, zu bestätigen weiß – doch noch immer nicht alles erzählt wurde.

Was natürlich für das Lexikon heißt: Es wird auch für die Kenner des Ortsteils einige Neuigkeiten und Überraschungen geben. Das Lexikon erfasst erstmals komplett das äußerst reiche Mosaik aus bedeutenden Ereignissen, Geschichten, Erinnerungsorten, Persönlichkeiten, Traditionsunternehmen, Baulichkeiten und Grünräumen von Großzschocher und Windorf in Form von etwa 220 alphabetisch geordneten Stichwörtern in einem Lexikon. Etwa 350 meist farbige Abbildungen begleiten die informativen Texte, die eine breite Leserschaft ansprechen.

Herausgegeben hat das Lexikon natürlich wieder die IG Großzschocher-Windorf mit dem Pro Leipzig e.V..

Am Dienstag, 6. Dezember, um 19 Uhr, ist die ganz offizielle Buchpremiere in der Apostelkirche Großzschocher. Bei der gibt es natürlich auch eine Einführung in das bilderreiche Material des Lexikons. Und zur musikalischen Umrahmung des Abends spielt Barbara Kroll-Hiecke auf der Orgel.

Umrahmung genug also, einmal so richtig abzutauchen in die Ortsteilgeschichte. Im August 2017 wird dann ganz offiziell 800 Jahre Ersterwähnung gefeiert – natürlich an und in der Kirche. Denn die Apostelkirche steht dabei im Mittelpunkt: 1217 verlieh Markgraf Dietrich von Meißen das Patronatsrecht über die Kirche von „Zsochere“ an das gerade vom ihm gegründete Thomaskloster. Die Leipziger werden sich an das jubilierende Jahr 2012 erinnern, als Thomaskirche und Thomanerchor quasi in einem Abwasch 800 Jahre feierten.

Aber Vieles deutet darauf hin, dass Dietrich zwar die Gründung des Klosters 1212 verbrieft bekam, fertig war es aber wohl erst 1217, so dass auch erst in diesem Jahr die Versorgung des Klosters mit Einkünften anstand. Dazu gehörte dann auch das Patronat über das kleine slawische Dorf an der Weißen Elster, das in den nächsten Jahrhunderten sogar noch historische Bedeutung bekam. Denn hier baute der Bischof von Merseburg seine Stellung gegenüber den Wettinern aus und versuchte, seine Hoheit über den aufstrebenden Marktflecken Leipzig zu erlangen. Was ihm bekanntlich nicht gelang. Was aber Großzschocher mit dem gleich nebenan gegründeten Windorf zu einem der am besten ausgebauten Dörfer westlich der Weißen Elster machte.

Die Verleihung des Patronats markiert zwar die Ersterwähnung in einer Urkunde. Aber archäologische Spuren deuten darauf hin, dass das slawische Dorf wohl schon seit dem 7. / 8. Jahrhundert an der Stelle existierte.

Und wer das alles in Bild und Ton kennenlernen möchte, der nutzt den Nikolaustag und besucht am Abend die Apostelkirche an der Huttenstraße.

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