Nicht nur Leipzigs Nachtleben bzw. Nachtkultur ist ständig in Bewegung – auch im Umgang der Verwaltung mit der „nächtlichen Szene“ hat sich in den letzten Jahren viel getan in der Stadt. Mit der Botschaft der Nacht wurde in enger Zusammenarbeit mit dem LiveKommbinat Leipzig in 2020 ein Modell mit Vorzeigecharakter für eine erfolgreiche Form der Zusammenarbeit zwischen Behörden und Nachtakteur*innen geschaffen. Im selben Jahr nahm auch der ehrenamtliche NachtRat seine Arbeit auf, es folgten die Einstellung des Fachbeauftragten für Nachtkultur, Nils Fischer, in 2021 und 2023 schließlich die Besetzung der Koordinierungsstelle Nachtleben mit Kristin Marosi.

Als Schnittstelle zwischen Ämtern und Behörden und der Leipziger Nachtkultur – darunter zählen sowohl Bars, Clubs und Livemusikspielstätten wie auch Spätis und Streetworker*innen – hat die Botschaft der Nacht in den letzten Jahren Projekte wie die Mitteldeutsche Nachtkulturkonferenz MiNa, die Erschließung von Freiflächen für Openair-Veranstaltung sowie die Leipziger Club- und Livemusikspielstättenstudie (CLIV) auf den Weg gebracht. Die erfolgreiche und von der Verwaltung sehr geschätzte Arbeit der Doppelspitze Fischer und Marosi könnte nun allerdings einen Dämpfer erhalten: Zum Ende des Jahres läuft die städtische Finanzierung der Koordinierungsstelle aus – wie es weitergehen soll, ist ungewiss.

Woher nehmen, wenn nicht stehlen?

Die hiesige Kulturszene allein könne die Stelle nicht tragen, betont Jana Milbrodt, Vorsitzende des LiveKommbinats. Problematisch sei vor allem die Vielfältigkeit der Aufgaben und, dass Fördermittel vorrangig projektweise vergeben würden. Es bestünde somit weiterhin die Möglichkeit, mittels Kulturförderung Projekte, wie die MiNa, durchzuführen, der Kern der Stelle aber – die Koordinierung und Vermittlung – würde hinten runterfallen. Die Finanzierung im Rahmen des Kompetenzzentrums Freie Szene falle aus, „weil die Gelder im Haushalt dafür aktuell nicht vorhanden sind“, so Milbrodt. Dass es in der Haushaltskasse an nötigem Kleingeld fehlt, hatte Leipzigs Finanzbürgermeister Torsten Bonew bereits in der Stadtratssitzung am 2. Oktober betont. Und selbst wenn im Doppelhaushalt für 2025 und 2026 Geld eingestellt werden würde – bis alles durch die Sächsische Landesdirektion abgesegnet und in Kraft getreten ist, klafft eine Finanzierungslücke von mehreren Monaten.

Die Vertreter*innen des LiveKommbinat wenden sich deshalb mit einem Appell an den Leipziger Stadtrat. Es sei essenziell, die Weiterführung der Koordinierungsstelle sicherzustellen. „Wir brauchen unbedingt Hilfe aus der Politik und möchten dazu ins Gespräch kommen.“ Andernfalls würden Projekte, wie die Erstellung einer Zukunftsstrategie Nachtkultur, welche 2022 durch die Ratsversammlung beschlossen wurde, oder das Leipzig POP-Fest künftig nicht mehr zu stemmen sein. „Im Vergleich zu anderen Städten wie Stuttgart, Hannover und voraussichtlich Dresden, wo vergleichbare Stellen vollständig von der Stadt finanziert werden, steht Leipzig bisher ohne eine nachhaltige Lösung da. Dies ist im Hinblick auf die Bedeutung der Leipziger Nachtkultur und deren Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und der kulturellen Vielfalt nicht nachvollziehbar.“

Der Plan war ursprünglich ein anderer…

Ursprünglich sei die vollständige Finanzierung beider Stellen auch im Konzept der Botschaft der Nacht, welches aus einer Forschungsarbeit von Kulturwissenschaftlerin Kordula Kunert entstanden ist, verankert gewesen. Im Vorhinein der Beschlussfassung im Stadtrat allerdings habe es geheißen, dass eine beschlussfähige Mehrheit unwahrscheinlich sei. Also habe man sich schlussendlich auf die aktuelle Fassung – eine Stelle finanziert durch die Verwaltung, die andere getragen von der „Szene“ – geeinigt. „Wären wir bei ‚Wünsch dir was‘ gewesen, hätten wir natürlich zwei durch die Stadt finanzierte Stellen im Konzept verankert“, so Kunert. „In keiner anderen Stadt steht es zur Diskussion, dass die Szene sich selbst diese Stelle schafft.“ Leipzig war zwar Vorreiter in der Einrichtung einer Botschaft der Nacht, könnte ironischerweise nun aber auch die erste Stadt sein, die dieses Konzept wieder fallen lassen müsste.

Für die Szene wäre der Wegfall der Koordinierungsstelle Nachtleben ein herber Verlust, macht Jana Mildbrodt deutlich. „Für uns als LiveKommbinat ist es gar nicht mehr vorstellbar, ohne diese Stelle weiterzuarbeiten. In der Ehrenamtsstruktur könnten wir diese Arbeit schlichtweg nicht tragen. Das Leipziger Konzept wird bundesweit durchweg positiv wahrgenommen und nachgeahmt.“ Kristin Marosi führt noch ein weiteres Argument ins Feld: „Von der Stelle profitiert die gesamte Stadtgesellschaft, weil zahlreiche Bereiche der Nacht zusammenkommen. Wir sprechen ja nicht nur von Parties – wir sprechen genauso von der Sicherheit auf dem Nachhauseweg, vom ÖPNV, von Lärmschutz für Anwohnende. Es geht dabei um Teilhabe. Und damit wird auch die Verwaltung entlastet.“

Damit Strukturen, die in den letzten eineinhalb zwischen Behörden und der Nachtkulturszene aufgebaut wurden, lautet die Botschaft des NachtRates ganz klar: „Koordinierungsstelle Nachtleben sichern!“

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