Auch für die Grünen-Stadträtin Anna Schneider-Kaleri war es am 21. August die letzte Ratsversammlung. Ihr Spezialgebiet war die Kultur. Doch da erlebte sie am Ende etwas, was es so in der Leipziger Kulturpolitik noch nicht gegeben hat. Denn ohne jegliche Rücksprache mit dem Kulturausschuss des Stadtrates wurden auch Gelder, die der Stadtrat für Kulturprojekte in der Freien Szene beschlossen hatte, einfach umgewidmet und die Projekte zusammengestrichen. Informiert aber wurde nur der Finanzausschuss.

Doch darüber noch einmal diskutieren wollte in dieser letzten Ratsversammlung des alten Stadtrates dann niemand. Auch wenn es deutlich machte, dass erfolgreiche Streikbewegungen im öffentlichen Dienst nicht ohne Folgen bleiben. Und während die einen sich über höhere Löhne freuen können, werden anderen die Gelder gestrichen.

Genau das ist hier passiert.

Denn von den erfolgreichen Streiks im öffentlichen Dienst profitierten auch die Wachdienste in den öffentlichen Objekten der Stadt, darunter auch den Leipziger Kultureinrichtungen. Gerechnet hatte die Stadt 2023 mit 5 Prozent höheren Tarifen beim Wachpersonal, 2024 mit 4 Prozent. Stattdessen wurden es dann aber 16,59 Prozent schon ab Oktober 2022 und weitere 7,9 Prozent ab Februar 2024.

Dieses zusätzlich gebrauchte Geld musste jetzt irgendwo zusammengekratzt werden, und zwar direkt in den zuständigen Fachämtern.

„Für die Bewachungsleistungen der Stadt Leipzig in den unter Punkt 4 Finanzen und Personal genannten Budgeteinheiten wird für das Jahr 2024 ein Mehrbedarf von 2.310 T€ prognostiziert. Dieser resultiert aus erheblichen Tarifsteigerungen in den Haushaltsjahren 2023 und 2024 und ist zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den städtischen Objekten notwendig“, heißt es in der städtischen Vorlage.

2023 konnte die Summe von 1,2 Millionen Euro noch aufgefangen werden, 2024 ging es jetzt in der Kultur direkt ans Eingemachte.

Einschränkungen in den Fachamtsbudgets

„Aufgrund der erfolgten Fortschreibung der Planwerte aus 2022 besteht somit im Bereich der Bewachungsleistungen im Jahr 2024 die Problematik der nicht gesicherten Finanzierung aller notwendiger Leistungen vornehmlich in den Regiebetrieben des Kulturamtes. Die bereits in 2023 bestehenden Mehrbedarfe in Höhe von 1,2 Mio. € konnten wie bereits beschrieben in 2023 gedeckt werden, was jedoch teilweise zu deutlichen Einschränkungen in den Fachamtsbudgets in Bezug auf andere Leistungen geführt hat.

Für das Jahr 2024 wird eine solche Deckung aus den Fachamtsbudgets als nicht realistisch eingeschätzt, wodurch eine Bereitstellung zusätzlicher Finanzmittel zwingend notwendig ist“, schreibt die Verwaltung in ihrer Vorlage.

„Die bereits aus 2023 stammende Unterdeckung der Bewachungskosten von 1,2 Mio. € erhöht sich zudem durch die bereits dargestellten Tarifsteigerungen sowie notwendige Ausschreibungen (z.B. Cospudener See, Schlobachshof) und zusätzlicher Einzelbedarfe auf insgesamt 2.310 Mio. € gegenüber dem Planansatz von 2024.“

Um die Wachdienste in den Kultureinrichtungen abzusichern, hat das Kulturdezernat ganz offensichtlich Gelder in Höhe von über 400.000 Euro umgewidmet. Darunter allein 250.000 Euro aus dem Stipendienprogramm für die Freie Szene, womit sich die Summe, die für das Stipendienprogramm zur Verfügung stand, halbierte und statt 50 nur 25 Stipendien (bei 560 Bewerbungen) ausgereicht wurden.

Anna Schneider-Kaleri erinnerte daran, dass die Leipziger Kulturszene in den letzten Jahren sowieso schon besonders gelitten hatte, erinnerte an die Corona-Zeit, als sämtliche Kulturhäuser geschlossen wurden und damit die Einkommen vieler freischaffender Künstlerinnen und Künstler entfielen. Von Applaus allein könne man nicht leben, sagte sie, und auch nicht Miete und Brot bezahlen. „Wer die Kulturszene ausblutet, schadet Leipzig.“

Das ließ sie als mahnende Worte stehen.

Ganz offensichtlich kratzt die Stadt jetzt schon überall Geld zusammen, um die gestiegenen Kosten auszugleichen. Dass dabei stillschweigend wieder bei der Freien Szene gespart wird und (die Stadt schreibt: aus Termingründen) der Stadtrat wieder nicht transparent informiert wurde, war zumindest aus der Sicht von Schneider-Kaleri bedrückend. Im Kulturausschuss jedenfalls sorgten die Streichungen für einige Empörung.

Sie nutzte ihre Rede auch für den Abschied von Stadtrat. Aber ein bitterer Nachgeschmack bleibt.

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