Sie ist nicht völlig verschwunden, die alte Buchstadt Leipzig. Auch wenn der einst legendäre „Leipziger Platz“ mit seiner Ballung aus Druckereien, Verlagen und Kommissionären verschwunden ist und heute München und Berlin sich um den Titel der deutschen Verlagshauptstadt balgen. Aber dass in Leipzig noch allemal eine lebendige Literaturszene existiert, das zeigt ab dem 24. Oktober wieder der Literarische Herbst. Mit einer Podcast-Reihe stimmt er die Literaturfeunde schon mal darauf ein.

Diese Podcast-Reihe gab es zum ersten Mal im vergangenen Jahr als Einstimmung auf den Literarischen Herbst, der mit Beginn der kalten Jahreszeit an ausgewählten Orten in der Stadt Literatur, Literaturmacher und ihre Bücher erlebbar macht. Oder eben auch hörbar, wenn es Literaturinterssierten nicht gelingt, Karten für einige dieser sehr exquisiten Veranstaltungen zu bekommen.

Auch für Auftaktveranstaltung am Montag, 24. Oktober, 19 Uhr, im Alten Rathaus warnt Mitveranstalter Nils Kahlefendt schon einmal, dass ein zu spätes Bemühen um Karten vergeblich sein könnte. Denn die Plätze im Festsaal des Alten Rathauses sind begrenzt. Und wie schon in den Vorjahren ist auch diesmal der neue Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels Serhij Zhadan zu Gast bei Literarischen Herbst.

Im Juni wurde dem ukrainischen Schriftsteller dieser Preis zuerkannt. Die Preisverleihung ist am Vortag seines Leipziger Termins in der Paulskirche in Frankfurt. Es ist eine ideale Gelegenheit, einen der wichtigsten ukrainischen Autoren der Gegenwart kennenzulernen.

Serhij Zhadan. Foto: Hanna Hrabarska
Serhij Zhadan. Foto: Hanna Hrabarska

Und bis dahin?

Kopfhörer auf, empfiehlt Kahlefendt.

Denn nicht nur die für den Literarischen Herbst 2021 aufgenommenen Podcasts mit Lesungen und Gesprächen mit Autorinnen und Autoren, Verlegerinnen und Verlegern sind allesamt noch online auf apple.com und spotify.com zu hören.

Neue Podcast-Reihe „Herbst-Tapes 2022“

Seit September gibt es wöchentlich auch wieder neue Podcasts, die auf den Literarischen Herbst 2022 einstimmen. Der Auftakt für die neue Serie war am 24. September mit einem im UT Connewitz aufgenommenen Gespräch von Peter Licht mit dem Leipziger DJ und Entertainer Donis über dessen neuesten Roman „Ja okay, aber“ (Klett-Cotta), übers Prokrastinieren als stumme Revolte des Nichtstuns, Kaffee als „Wolf im Schafspelz des Kapitalismus“, übers Schreiben und über Lieblingslektüren. „Ein Abend, der sich auch ohne Ibuprofen sehr gut aushalten ließ“, warnen die Veranstalter.

Seit dem 1. Oktober online ist ein beim Literarischen Herbst 2021 aufgenommenes Gespräch mit einem frischgebackenen Verleger.

„Der Kanon Verlag wurde 2020, mitten in Pandemie-Zeiten, vom ehemaligen Ullstein-Verlagsleiter Gunnar Cynybulk und weiteren Gesellschaftern in Berlin gegründet; ein waschechter Indie. Im Herbst 2021 erschienen unterm Signet des Affen, das für Vitalität und Widerständigkeit steht, die ersten Bücher. Mit dabei: Das verschollene Debüt des Bestsellerautors Bov Bjerg – und der Erstling der 24-jährigen Sophia Fritz.“

Das Gespräch fand damals im Horns Erben statt. Inzwischen konnten wir auch schon einige beeindruckende Titel aus dem jungen Verlag in der L-IZ besprechen, so zum Beispiel Lutz Rathenows „Trotzig lächeln und das Weltall streicheln“, Domenico Müllensiefens „Aus unseren Feuern“ und auch Christine Koschmieders „Dry“.

Mit ihrem Buch ist Christine Koschmieder am 28. Oktober auch zu Gast im Literarischen Herbst, genauer – in der von Rebecca M. Salentin und Svenja Gräfen moderierten „Schlecht gemalten Deutschlandfahne“ im Neuen Schauspiel.

Und seit dem 8. Oktober ist auch der dritte Podcast für 2022 draußen: eine Aufnahme aus dem Lyrikhotel mit Joerg Schieke (Leipzig) & Juliane Liebert (Berlin) vom Literarischen Herbst 2021. Beim Lyrikhotel laden sich gestandene Leipziger Autorinnen oder Autoren Gesprächspartner aus anderen deutschen Städten ein, die ihnen seelenverwandt sind oder einfach richtig gute Gesprächspartner, wenn es um das Schreiben, Leben und Die-Welt-Betrachten geht.

Und auch so wird erlebbar, dass Leipzig als Literaturstadt lebt. Getragen von Dutzenden kleinen und etwas größeren Verlagen mit anspruchsvollen Programmen. Und von Autorinnen und Autoren, die fest verwurzelt sind in einer deutschen Literaturlandschaft, in der sie oft deutlich mehr Resonanz und Aufmerksamkeit finden als in ihrer Heimatstadt Leipzig, wo es sich zwar gut schreiben lässt und richtig gute Geschichten und Gedichte entstehen.

Wo aber im Grunde nur zwei Ereignisse wirklich darauf aufmerksam machen, dass Literatur hier ein Zuhause hat. Das eine ist das Lesefest „Leipzig liest“, das beinahe mit den Absagen der Leipziger Buchmesse auch verschwunden wäre, hätten sich nicht Veranstalter und Verleger darum bemüht, das Lesefest für das Frühjahr zu retten. Und das andere ist der Literarische Herbst, der gerade mit der Auswahl der Veranstaltungsorte zeigt, dass Literatur etwas ist, was man erleben kann.

Das komplette Programm des Literarischen Herbstes findet man hier.

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