„Was sind das für silberne Dinger?“, fragt eine Touristin, ihr Nachbar aus derselben Reisegruppe weiß es schon, und erklärt es ihr! So funktioniert die Notenspur. Manchmal. - Ouvertüre! - Auftakte gab es damals mehrere. Erst die Absicht. Dann die Ouvertüre, gedruckt und glänzend.
Man erinnere sich auch, wie einzelne Handwerker nachts auf allen Vieren durch Leipzig krochen, Gehwegplatten schliffen, Pflastersteine neu sortierten, um drei Sorten Metallintarsien zu verlegen.
Sogar ins immaterielle Weltkulturerbe wollte man damit. Paukenschlag!
Über fünf Kilometer Notenspur in der City, dann sollten noch Notenrad und Notenbogen folgen! Gästeführer geleiten Touristen zu Fuß und per Bus, Bücher sind erschienen, Flyer gedruckt. Doch dann wurden die Großtöner langsam ruhiger … Guckte man auf die Wanderkarten in den Flyern sah man: „Da fehlt was!“ Um den Brühl macht die Notenspur einen großen Bogen! Zum Richard-Wagner-Max-Klinger-Stephan-Balkenhol-Denkmal führt sie nicht!
Man fragt bei der „Notenspur“ nach aktuellen Möglichkeiten. Denn mit der im April bevorstehenden “Siegfried”-Premiere in der Oper Leipzig wird es Interesse auswärtiger Musiktheaterfreunde und der Medien geben, die neugierig auf ganz Neues sind.
Notenspur bis zum Wagner-Denkmal
Es wäre eine schöne Gelegenheit, die Notenspur auch zu den bisher nicht verzeichneten Richard-Wagner-Orten zu führen. Dem neuen Richard-Wagner-Denkmal am Promenadenring zwischen Stasi-Runder-Ecke und Homöopath-Hahnemann-Denkmal? Und gar dem Brühl mit Wagners Geburtshaus?
Man muss keine Angst vor so genannten Wagnerianern haben, die als Freizeit-Pilger meist entspannt und neugierig sind. Ein Wagner-Frauen-Fan-Club wurde vor langer Zeit gar mal in Leipzig gegründet. Und der Vorsitzende des Wagner-Weltverbandes ist neuerdings mit Thomas Krakow ein Leipziger, der auch in Leipzig lebt!
Notenspur bis zum Brühl!
Bei dieser Gelegenheit der Notenspur-Ergänzung ließen sich andere Musik-Orte am Brühl integrieren, die bisher seltsamerweise von der Notenspur ignoriert werden. Selbst die „Höfe am Brühl“ haben, wenigstens als Fassadenkulisse und in Schaukästen, daran erinnert, dass hier ein kulturhistorisches Konzept hätte groß rausgebracht werden können, als Flächen zwischen Shopping-Malls und Büros als Höfen Ehrennamen zu geben. Nicht in LE, aber in London, lassen sich die Kinder digitaler Zeit in nachgebautem Globe-Theater, dem Theatermuseum darunter und Sam Wanemakers Playhouse von alten Geistern beeindrucken…
Notenspur ohne Büro
Tatsächlich bekommt man von der „Notenspur“ eine Reaktion. Zwar nicht auf die Fragen und Möglichkeiten, mehr auf die Unmöglichkeiten bezogen. Es antwortet Werner Schneider mit der Funktionsbezeichnung Leiter Leipziger Notenspur-Initiative.
„Die Notenspur-Geschäftsstelle muss in diesen Tagen schließen. Das Kulturamt ist der Ansicht, dass die bisher von uns übernommenen Aufgaben entweder nicht erforderlich sind oder vom Kulturamt selbst übernommen werden können. Für die Flyerüberarbeitung gibt es weder personelle noch finanzielle Ressourcen. Eine Anfrage an die Stadtverwaltung zur finanziellen Absicherung, im letzten Jahr waren dafür 2.500 Euro nötig, ist bisher ohne Antwort geblieben. Ich muss Sie deshalb bitten, Ihre Vorschläge direkt an das Kulturamt zu richten. Mit den besten Grüßen aus Dresden, Werner Schneider“
Aus Dresden? Seltsam. Ist die Leipziger Notenspur eine Dresdner? Oder ist sie eine Ein-Mann-Unternehmung?
Wen fragen?
Verweis ans Kulturamt der Stadt Leipzig? Erreicht man denn dieses Amt ohne einen Stadtratsfraktionsantrag oder eine -anfrage wirklich? Und im Stadtrat wurden doch schon die erhofften, erwünschten, beantragten Mittel gekürzt oder abgelehnt. Was muss, was kann, was tut ein Kulturamt, dem schon die Infrastruktur der Leipziger Bühnen und Museen eine Not, oder viele kleine Nöte, für sich sein müssen… Jenseits der Notenspur.
Missverständnis? – Nachfrage! Denn allein der im Stadtjubiläumsfeierjahr putz- und farbbröcklige Fassaden-Bauzustand des Alten Rathauses zeigt, wie auch das um sein Dasein und ein Gebäude kämpfende Naturkundemuseum, wie auch das Sportmuseum im Depot, dass es andere Leipziger Prioritäten der Stadtfinanzen gibt.
Konkret zur Notenspur: Wenn die Notenspur nicht auf dem aktuellen Stand der Dinge ist, wie soll dann jemand die Herstellung von Flyern fördern?
Werner Schneider antwortet: „Notenspur-Flyer beschränken sich auf die Stationen, hierbei geht es um exemplarische Stationen der Musikstadt, die mit den Kulturinstitutionen der jeweiligen Routen und der Stadtverwaltung abgestimmt sind. Änderungen des Konzeptes würden aufwändige Abstimmungen mit allen diesen Partnern erfordern. Das könnte nur die Kulturverwaltung vornehmen.“
Musik und Geräusche aus der Dusche
Mit den Notenspur-Info-Tafeln am Museum der bildenden Künste und in Kretschmanns Hof sogar mit einer so genannten Klang-Dusche mit Musik- und Tönen städtischen Alltags hat man einen Anfang gemacht. Der mit ähnlichem nicht weiterging. Werner Schneider sieht es als Möglichkeit: „Selbstverständlich sind auch unsere Vermittlungsbemühungen unvollständig und treffen sie nicht die Ansprüche jeder Zielgruppe. Aber für Kindergruppen gerade aus Elternhäusern kulturferner Milieus erzählen mir immer wieder begeisterte Erzieher, dass diese Station zu Stadtklängen als Einstieg für die akustische Sensibilisierung sehr gut geeignet ist.“
Mit dem markierten Stadt-Wanderweg ist die Notenspur nun seit Jahren präsent, publik und nachgefragt. Für die Notenspur-Initiative als Ganzes sieht Werner Schneider weiterreichende Beziehungen: „Kulturelle Bildung und soziale Integration, Verknüpfung von Kultur mit Stadträumen, lebendige Erinnerungskultur (s. z.B. aktuell www.notenspur-leipzig.de/schneeblumen), Bürgerpartizipation, jüdische Musikkultur, interkultureller Austausch u.a. unverzichtbare Aspekte unseres Selbstverständnisses und Anspruches.“
Wo spielt die Musik?
So was ist ämterübergreifend zwischen Sozialem, Bildung, Schulen, Freizeit. Ausgerechnet damit stieß die Notenspur beim Kulturamt an Grenzen: „Nach Meinung des Kulturamtes machen wir zu viele Aktivitäten, die nicht erforderlich wären. Wir sollten nicht Netzwerke für die Musikstadt schaffen und neue Kulturprojekte entwickeln, sondern uns auf das Musikstadtmarketing konzentrieren.“ Damit sind einige Fragen geklärt. So hält man sich Arbeit vom Hals. Werner Schneider resümiert allerdings: „Diesem Hinweis werden wir nicht folgen.“
Da hat er recht, denn für die Musikverwaltung in der Stadt werden Leute bezahlt. Zum Beispiel das Kulturamt. Hier spielt die Musik zwischen den Ämtern, Betrieben und dem Marketing nach außen.
Wo ist, wo war Hanns Eisler?
An den geplanten Spuren, Wegen, Routen und Stationen wird es eng, unaktuell, fehlstellenhaft: Hanns Eislers Geburtshaus hat im Notenspur-Flyer keinen Wegweiser. Die Musikpraxis der Moritzbastei hat kein Stations-Schild!
„Es gibt umfangreiche Bemühungen“, davon erfährt man auch aus Werner Schneiders aktuellen Einladungen, „zum Beispiel sind das Kulturamt und wir hinsichtlich des Hanns-Eisler-Hauses entgegengesetzter Meinung. Wir bemühen uns seit Jahren um eine angemessene Würdigung Eislers, und mit ihm weiterer verfolgter jüdischer Komponisten, und haben deshalb das Eisler-Haus trotz des desolaten Zustandes bewusst in das Notenrad aufgenommen, auch wenn es eine Wunde in unserer Erinnerungskultur sichtbar macht. Für das Kulturamt dagegen ist die Aufnahme des desolaten Eisler-Hauses in die Ostschleife des Notenrades gerade ein Argument gegen die baldige Realisierung der Ostschleife des Notenrades.“
Und da tagte doch tatsächlich die Internationale Hanns-Eisler-Gesellschaft letztes Jahr ausgerechnet in Leipzig, und man staunte über die Orts-Bezüge zu Eisler, seiner Lebenszeit und seiner „Johann Faustus“-Oper.
Freilich interessiert das nicht den Touristen, der nach dem „neuen Wagner-Denkmal“ fragt und in den „Notenspur“-Flyer schaut…
„Die Geister die ich rief…?“
So laut alle Freunde des Stadt-, Standort- und Invest-Marketings einst die Notenspur begrüßt haben, so beängstigend ungewiss ist jetzt die Lage. Stehen Idee und Initiative für sich allein? Umgeben von Institutionen, die sich Kunsterziehung, Musikvermittlung, Pädagogik und Education widmen wollen?
Vorwerfen kann man der Notenspur nicht, sich in Vorhaben, Anträgen und Genehmigungen verzettelt zu haben. Vom Start weg wollte sie das Tempo halten. Und von der Notenspur zu Notenrad und Notenbogen wachsen! Doch beim Erwachsenwerden wurde es schwer. Für Bauanträge und Berufsausbildung gibt es Verwaltungswege. Für Kunst und Kultur nur Freunde und Ermöglicher. Oder eben nicht.
Sollte da nur die Erinnerung an Goethes „Zauberlehrling“ bleiben, und „Die Geister die ich rief…“ Kein Vergleich. Nur, von den gerufenen Geistern kamen einige nicht über DIN A4 oder Verwaltungsflure hinaus oder schliefen nach jeder beantworteten E-Mail ein.
Werner Schneider verweist darauf, dass Ehrenamtliche nicht alles leisten können. „Ich muss mich jetzt gegenwärtig und in den nächsten Wochen um ganz andere Sachen wie Mietverträge, Teilzeitarbeitsverträge, eine Anschlusslösung für die bisher beschäftigte Geschäftsstellenleiterin, Begleitung der von ihr betreuten Ehrenamtlichen usw. kümmern. Denn bei der Notenspur gilt: Menschen sind wichtiger als Projekte.“
Es zeugt von Resignation und zeigt Hoffnung, wenn Werner Schneider meint: „Aber natürlich freue ich mich, wenn sich Personen finden, die Netzwerke schaffen, Orte in die lebendige Erinnerungskultur unserer Stadt einzubeziehen.“
Straße der Stars
Möge es der Notenspur nicht ergehen wie der STRASSE DER STARS! Ja, richtig, es war einmal! Im Städtischen Kaufhaus gab es eine Passage mit Informationstafeln und Dutzende Glaskästen mit Handabdrücken und Souvenirs von Stars unterschiedlicher Genres … Nina Hagen, Michael Schumacher und Reinhold Messner, friedlich vereint. Was Leipziger mögen, bekommt einen Spitznamen: Es war die „Straße der abgehackten Hände“…
Als aber die Immobilienbesitzer wechselten, waren die Kästen samt den Händen weggehackt. Endgültig. Wenn es nicht doch jemand nicht übers Herz bringen konnte, und sie nicht weggeschmissen hat …
Falls sich das Kulturamt der Stadt Leipzig hier angesprochen fühlt, freuen wir uns auf eine Wortmeldung. Kann ein neuer Runder Tisch von Kunst und Kultur nicht nur zu Theatern und Orchestern beraten, sondern sich auch für Museen bilden?
Anerkennung und Preise – Auswärts!
Woanders in europäischem Äther wurde die Leipziger Notenspur schon erhört. Sie erhielt den Europäischen Initiativ-Preis für Kultur 2013 und den 1. Preis „Lebendige Erinnerungsstadt: Gedenken – Bewusst machen – Identität stiften“ 2014.
Bayreuth hat sich mit einem WAGNER-WEG auf Wagners Richard’n beschränkt, einmal längs durch die Stadt, entlang Wagners Lebensstationen von Info-Kasten zu Info-Kasten. Die Station „Leipzig“ steht am Bayreuther Rathaus. Letzten Sommer stand sie noch dort.
Manchmal ist so was schnell weg und wieder vergessen.
Es gibt 4 Kommentare
Wie Sie meine Beiträge interpretieren ist weder die feine englische Art bzw. unfair, Ich versuche meist Probleme von einer Seite aufzuzeigen, welche immer erst dann beleuchte wird, wenn es fast zu spät ist. Mir fällt übrigens mehr auf, als Sie denken. Auch bin ich an sehr vielen Dingen interessiert, was Sie mir scheinbar nicht zutrauen. Ich kenne mich mit der “Wirklichkeit” mit Sicherheit auf vielen Gebieten besser aus. als Sie es hier anderen vermittel möchten. Kein feiner Zug! Weshalb eigentlich?
Gut gemeinter Hinweis an Stefan, versuchen Sie bitte künftig meine Kommentare besser zu begreifen, bevor Sie etwas veröffentlichen, was ziemlich daneben liegt. Ansonsten habe ich nichts gegen sachliche Kritik.
Klaus, klar, für Sie arbeiten Kulturinitiativen grundsätzlich auf Pump, das Kulturamt zahlt dann schon irgendwann doch. Hat aber mit der Wirklichkeit nichts zu tun, und es sind in den letzten Jahren auch viele Kulturinstitutionen wieder verreckt. Das ist Ihnen bloß nicht aufgefallen und hat Sie augenscheinlich auch nie interessiert. Sonst würden Sie nicht so einen Kommentar verfassen.
Wie war das; Leipzig will 2020 Kulturhauptstadt Europas sein?
Wer trainiert hier unaufhörlich das Gesetzt des Scheiterns?
Natürlich sind solche Initiativen lobenswert. Ob die Arbeit des Kulturamtes der Stadtverwaltung diesbezüglich gut, schlecht, oder mittelmäßig ist mag und kann ich nicht beurteilen.
In Leipzig verfestigt sich immer mehr der Eindruck, dass bei solchen bzw. ähnlichen Initiativen die Finanzierung an letzter Stelle steht. Werden dann noch von der Stadtverwaltung bisher bewilligte Mittel nicht mehr gezahlt, dann trägt diese an der Misere die Schuld. Diese Einstellung kann doch nicht richtig sein. Leipzig hat große Probleme seine Pflichtaufgaben zu erfüllen bzw. zu finanzieren (siehe Kindergartenplätze). Deshalb ist es finanziell unmöglich, alle Wünsche von Initiativen und Vereinen zu erfüllen. Trotzdem fließen jährlich viele Millionen aus dem Haushalt der Stadt dahin.
Schafft man sich zum Beispiel ein Auto an, dann muss man sich zuerst Gedanken über die Finanzierung machen. Bevor die nicht steht, wird es beim Wunsch bleiben. Genauso verhält es sich bei derartigen Initiativen. Natürlich kann ich auch nach dem Motto loswursteln, dass sich alles von selbst löst. Dabei kennt doch jeder das Sprichwort, dass beim Geld die Freundschaft aufhört.
Diese Bemerkungen bedeuten jedoch nicht, dass ich damit die unprofessionelle Kulturpolitik der Stadt Leipzig im Umgang mit seinen Leuchttürmen in Schutz nehme. Das Gegenteil ist der Fall. Größenwahn, Profilierungssucht, Reformunwilligkeit,
Klüngelei (z.B. bei der Besetzung von Leitungsfunktionen in den Kulturbetrieben) sowie fachliche Unfähigkeit innerhalb der Stadtverwaltung und im Stadtrat haben zu finanziellen Belastungen bei diesen Leuchttürmen geführt, wie sie kaum noch verantwortbar sind. Von Besserung ist weit und breit nichts zu sehen. Das verhindern längst die sehr gefestigten ” politischen und kulturellen Untergrundstrukturen” .