Nun, wer sich eindecken möchte zum Jubiläumsjahr 2015 in Leipzig, der bekommt jetzt immer mehr Souvenirs in den einschlägigen Läden: Quartette gibt's, Memory-Spiele gibt's - und nun auch ein Quiz in stilvoller blauer Schachtel. Eigentlich war's sogar überfällig, denn von Aachen bis Zürich gibt's schon lange diese kleinen roten, schwarzen oder blauen Kästchen aus dem Grupello Verlag.

Der sitzt in Düsseldorf, was vielleicht ein Grund dafür ist, dass man erst mal westwärts alles bestückt hat und den Osten erst einmal noch vorsichtig erkundet. Immerhin sind solche Quiz-Boxen ja doch eher etwas für Stadtreisende, die sich was mitnehmen wollen, was in die Tasche passt. Und so gab es bislang erst einmal nur kleine Quiz-Boxen für Weimar und Berlin. Und irgendwie kann man auch den Harz noch halb mitzählen, der immerhin zur Hälfte beidseits des innerdeutschen Wahrnehmungsäquators liegt. Das war’s im Programm.

Nun hat der Düsseldorfer Verlag sich auch nach Leipzig gewagt. Die kleine nette Stadt am Westrand von Sachsen (gerade weit weg genug, damit die Regierung nicht mit Eiern schmeißen kann), taucht im Frühjahrsprogramm von Grupello neben so berühmten Weltstädten wie Lüneburg, Oldenburg und Geretsried auf.

Im Kästchen stecken wieder 100 Kärtchen mit Fragen für Kenner des gewürdigten Ortes. Dazu eine kleine Spielanleitung, an die man sich halten kann – oder auch nicht. Man muss ja die ganze Besserwisserei nicht so ernst nehmen wie die ganzen Streber bei Günther Jauch in der Show. Auch wenn es herzerwärmend ist, wenn auch ein paar Leute in Augsburg, Bamberg oder Bonn wissen, dass Goethe in Leipzig Juristerei studiert hat (und eine gewisse junge Dame eben nicht), was die Neue Leipziger Schule anstellt und wie viele Glasscheiben die Glashalle der Neuen Messe hat. Oder wie wär’s mit der Zahl der Ortsteile, dem goldenen Schuh des Mani.., – pardon: des Dr. Faust, oder der Ortszugehörigkeit des Flughafens, der sich so protzend nach Leipzig und Halle nennt?

Die Autorin der 100 Fragen kennt sich aus in der Stadt. Anika Kreller hat hier Amerikanistik, Journalistik und Politikwissenschaft studiert, schreibt für “brand eins” und “Die Zeit” und lässt sich gern auf dem Fockeberg fotografieren, wo andere Leute gern noch einen Turm draufgestellt hätten. Und natürlich kommt auch der Fockeberg vor in den 100 Fragen, genauso wie die naTo, Weltfrieden und ein gewisser Herr Schneider, Baulöwe im Volksmund der Journalisten, aber Leipzig ist trotzdem nicht nach ihm benannt, auch wenn der Löwe im Wappen ist, was aber auch wieder nichts mit den Löwen im Zoo zu tun hat.

Es geht bunt durcheinander. Das ist das Schöne: Es ist von allem etwas dabei – ein paar Zahlen für Klugscheißer, ein paar Standards für die, die nicht wissen, an welchem Flüsschen Leipzig liegt, ein paar Naseweisheiten für Eingeweihte, aber auch ein bisschen Wirtschaft, ein bisschen Geschichte, ein bisschen Kultur – wobei allein die Namen Bach, Masur und Erich Loest nicht ausreichen (aber weiterhelfen, nicht gleich in Runde 1 den ganzen Schnaps bezahlen zu müssen). Auch ein paar Leipziger Originale kommen drin vor, so dass es am Ende ein ganz stimmiges Potpourri ergibt, bei dem man nicht nur die Fragen auf den Kärtchen findet, sondern auch die manchmal etwas ausführlicheren Erklärungen. Damit kann dann, wer noch gar nichts weiß über Renft, Mustermesse und Leipziger Lerchen, sogar was lernen über Leipzig, sich sozusagen eichen auf die hier geltenden Betrachtungsstandards. Denn es ist auch ein Stück der Leipziger Eitelkeiten mit drin und ein paar der alten Landmarken sind es auch, mit denen sich einige Leipziger Zeitgenossen noch irgendwo im Rauch der Geschichte verankern: “Ach, schön war die Zeit …” Zum Beispiel, als der Leipziger Fußball so spitze war, dass der DFB gar nirgendwo anders gegründet werden konnte als hier. Oder hier unbedingt ein Hafen gebaut wurde, auf Vorrat, war ja nur eine Sache der Zeit, bis Leipzig auch Hamburg das Wassser abgraben würde.

Ein bisschen größenwahnsinnig sind die hier Wohnenden schon. Schon immer gewesen, sonst wäre Leipzig ja heute noch ein Fischerdorf.

Wer also im Jubiläumsjahr vor hat, das Städtchen mal zu besuchen, kann sich hier schon einmal anfüttern mit den Bausteinen eines Leipziger Selbstverständnisses, das tatsächlich eine Menge Leute lieben, so wie es ist. Vielleicht ist es ja verglichen mit den Selbstbildern anderer Regionen sogar bescheiden. Das kann nur jeder ausprobieren, der’s noch nicht kennt.

Anika Kreller “Leipzig-Quiz“, Grupello Verlag, Düsseldorf 2015, 11,90 Euro

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar