Parallel sind im Deutschen Buch- und Schriftmuseum Leipzig und im Museum für Kommunikation Frankfurt zwei besonders lustige Ausstellungen zu sehen: Beide Einrichtungen zeigen den renommierten Illustrator Axel Scheffler, bekannt durch das Kinderbuch „Der Grüffelo“, aus einer überraschenden Perspektive: als Zeichner hunderter Briefumschläge, die der in London lebende Zeichner seit mehr als vier Jahrzehnten an seine Freund/-innen und Kolleg/-innen dies- und jenseits des Ärmelkanals verschickt.

Die Leipziger Ausstellung versammelt unter dem Titel „Verbriefte Freundschaft“ eine Auswahl von rund 200 Briefumschlägen, die auch Kontakte mit zahlreichen Leipziger Zeichner/-innen umfassen.

Axel Scheffler nutzt das vergnügliche Thema, um der Sorge um die Ukraine Ausdruck zu verleihen: Er spendet eine den Konflikt in den Blick nehmende Originalzeichnung, die am Eröffnungsabend meistbietend versteigert wird. Der Erlös geht an eine Hilfsorganisation.

Wer glaubt, mit der Entwicklung der modernen Kommunikationstechnologien verliere der auf Papier geschriebene, gefaltete und mit einem angefeuchteten Gummierstreifen verklebte Brief seine Bedeutung, hat noch niemals einen Umschlag von Axel Scheffler in seinem Briefkasten gefunden.

Die große zeichnerische Geste im kleinsten Umschlagformat, jeweils voller individueller Anspielungen, zeigt: Erst Mail, WhatsApp, Signal und Co. lehren uns den Wert des persönlichen, gar handgeschriebenen Briefes. Je breiter der Raum ist, den die elektronische Information in unserem Alltag einnimmt, desto größer ist die Distinktion zwischen der ubiquitären Kommunikation via Bits und Bytes und derjenigen auf Papier.

Das allgegenwärtige Digitale adelt das Analoge – das gilt für Brief und Buch gleichermaßen.

Ob verspielt oder frech, ob anzüglich, schüchtern oder provokativ: In ihrer Schrift-Bild-Kombination zeigen die Briefbilder nicht nur unterhaltsame Szenerien, sondern sind facettenreiche Zeichenwelten, deren tiefere Sinnzusammenhänge bisweilen nur genau zwei Menschen entschlüsseln können: derjenige, der den Brief zuklebt, und diejenigen, die ihn aufschlitzen.

In vielen der Briefbilder gehen Zeitgeschichte und Beziehungsgeschichte eine besondere Liaison ein. Oft spielt das Weltgeschehen mit – Brexit, Queen, Europa etc.; manchmal scheinen Tiere – von der Ameise über Schlangen und Mäuse bis zum Elefanten – das kauzige oder innige Verhältnis zwischen Absender und Adressat/-in anzudeuten.

Zu den Empfänger/-innen von Schefflers Briefen gehören Rotraut Susanne Berner, Anke Kuhl, Philip Waechter, Thomas M. Müller, Jörg Mühle, Tilman Spreckelsen, Yvonne Kuschel & Beck, Moni Port und viele andere. Ein Netzwerk verbriefter Freundschaften von beachtlicher stilistischer und figuraler Bandbreite, inszeniert auf kleinstem Raum.

Schefflers Briefbilder sind verspielte Verbeugungen vor der fast 1.000 Jahre alten Kulturtechnik des auf Papier festgehaltenen Schreibens. Die Ausstellungen in Leipzig und Frankfurt am Main präsentieren insgesamt ca. 400 Umschläge aus einem unendlichen Schatz an Briefen.

Berühmt geworden ist Axel Scheffler (*1957) vor allem mit seinen Illustrationen zum „Grüffelo“ der britischen Schriftstellerin Julia Donaldson von 1999: Über 17 Millionen Mal verkauft und in weit mehr als 100 Sprachen übersetzt, gehören die beiden Grüffelo-Bände zu den 15 meistverkauften Kinderbüchern aller Zeiten.

Im Museum für Kommunikation Frankfurt ist die Schwesterausstellung unter dem Titel „Von Monstern, Mäusen und Menschen. Axel Schefflers fantastische Briefbilder“ vom 11. März bis 24. Juli 2022 zu sehen.

Zu den Ausstellungen erscheint eine von Kurator Jakob Hoffmann und Stephanie Jacobs herausgegebene, bilderreiche Publikation im Péridot-Verlag, Köln, die für 16,99 Euro im Museum oder über den Buchhandel zu erwerben ist.

Flankierend veröffentlicht das Deutsche Buch- und Schriftmuseum unter dem Titel „Schreib mal wieder… Zur Kulturgeschichte des Briefes“ eine neue Virtuelle Ausstellung in der „Deutschen Digitalen Bibliothek“. Die Ausstellung stellt die Anfänge des Briefes vor und fragt danach, was im 18. Jahrhundert einen guten Brief ausmachte. Sie erzählt skurrile Geschichten von Geheimnissen und blickt in die Gegenwart und Zukunft der schriftlichen Kommunikation.

Ausstellung „Verbriefte Freundschaft. Axel Schefflers fantastische Briefbilder“, Kabinettausstellung im Deutschen Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig vom 16. März bis zum 25. September 2022. Ausstellungseröffnung: 15. März, 19 Uhr.

Dienstag bis Sonntag 10–18 Uhr, Donnerstag 10–20 Uhr, Feiertage (außer montags) 10–18 Uhr.
Der Eintritt ist frei.

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten alle Artikel der letzten Jahre auf L-IZ.de zu entdecken. Über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Redaktion über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar