Jahresberichte legt auch das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig regelmäßig vor. Aber auch dort hatte man ja nach den monatelangen Schließzeiten aufgrund der Corona-Pandemie jede Menge Zeit, darüber nachzudenken, wie man das anders machen könnte, nicht so trocken, dass es dann doch keiner liest. Herausgekommen ist eine Zeitung, die erste „MuZe“, die auf 24 Seiten auch über das berichtet, was es im Museum bald als Überraschung zu sehen geben wird.
Echte Liebhaber des Stadtgeschichtlichen Museums, das ja (bis auf das Alte Rathaus) in der nächsten Zeit wieder schrittweise öffnen wird, werden die „MuZe“ dort bestimmt mitnehmen, gedruckt wurde sie in einer Auflage von 5.000 Stück. Künftig soll sie einmal im Jahr erscheinen.Und sie macht den Mitarbeiter/-innen des Museums möglich, direkt zu ihrer Arbeit und zu kommenden Projekten Auskunft zu geben. Es gibt Interviews darin – zum Beispiel zwischen Museumsdirektor Dr. Anselm Hartinger und Eric Buchmann, dem Vorsitzenden der Hieronymus-Lotter-Gesellschaft, dem Förderverein des Museums. Es gibt Berichte über die neuen Formate, mit denen man auch jüngeres Publikum begeistern möchte, und es gibt die kleinen Berichte zum „(T)Raumschiff in schwierigen Zeiten“, mit denen auch Chancen und Herausforderungen des Corona-Jahres benannt werden.
Ein Jahr, das natürlich auch jede Menge Zeit zum Überprüfen der eigenen Positionen mit sich brachte. Denn Geschichte ist immer im Fluss. Und damit auch unsere Kenntnis dessen, was passiert ist und was daran wirklich wichtig war.
Das wird zum Beispiel deutlich, wenn über die künftige Gestaltung des Schillerhäuschens in Gohlis berichtet wird. Denn bislang war es zwar immer eine der ältesten Dichtergedenkstätten Deutschlands und in dieser Form auch für Schillerfreunde eine Attraktion. Aber interessiert heute eigentlich noch Schillers Weste? Oder ist dieser Schilleraufenthalt in Leipzig nicht aus völlig anderen Gründen spannend?
So, wie es der kleine Text über die künftige Gestaltung der Ausstellung ankündigt: „Wir beabsichtigen, unsere Besucherinnen und Besucher nicht mit dem Schöpfergenie der ,Kraniche des Ibykus‘, sondern einem jungen Mann bekannt zu machen, der den verhassten Job hingeworfen, den geliebten nächsten verloren, der die Behörden auf den Fersen, die Gesundheit angeschlagen und dazu Pech mit den Frauen hatte“. Das kommt einem tatsächlich sehr vertraut vor. Das kennen auch heutige 25-Jährige.
So machen Museen ja auch erst Sinn: wenn sich die heutigen Besucher/-innen wiedererkennen in den Abenteuern der Vergangenheit. Dr. Maike Günter gibt in einem Beitrag erste Einblicke in die künftige Beletage des Alten Rathauses, die ja gerade völlig leer geräumt ist, damit die Elektriker dort arbeiten können.
Und auch zum dort dann wieder ausgestellten Stadtmodell von 1820 gibt es Neuigkeiten, denn das wurde jetzt als 3D-Modell in Form einer Punktwolke komplett digitalisiert, was jetzt einen Berg von Möglichkeiten ergibt, was man damit anstellen kann. Bis hin zur Schaffung eines digital begehbaren Stadtmodells, womit dann ein alter Traum vom vormaligen Museumsdirektor Dr. Volker Rodekamp in greifbare Nähe rückt: Spazierengehen zu können im Leipzig von 1820.
Friederike Degner, die neue Leiterin der Fotothek, nachdem Christoph Kaufmann in Ruhestand gegangen ist, erzählt von einem Neuzugang im Jahr 2020, der sie besonders begeisterte: die Sammlung von Fotografien Robert Capas aus dem Jahr 1945, als die US-Armee Leipzig von den Nazis befreite.
Kathrin Orzschig berichtet vom Ausflug des Leipziger Porträts von Robert Blum ins Schloss Bellevue, wo Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier 2020 einen Robert-Blum-Saal geweiht hat. Was einen daran erinnert, dass Leipzig bis auf die kleine Platte am Alten Rathaus kein Robert-Blum-Denkmal besitzt. Warum eigentlich nicht?
Natürlich geht es auch um Digitalisierung und Provenienzforschung im Stadtgeschichtlichen Museum. Digitalisierung nicht nur in der Form, die Bestände der Forschung zugänglich zu machen, sondern auch neue Interessenten für die Stadtgeschichte zu begeistern. Und regelrecht zuversichtlich liest sich der Beitrag zum Sportmuseum, das 2024 endlich Wirklichkeit werden könnte, wenn alles gutgeht.
Natürlich gibt es auch die ganzen Zahlen zum zurückliegenden Jahr, in dem nicht nur – zum Bedauern Steffen Posers – das zugkräftige Völkerschlachtdenkmal monatelang geschlossen bleiben musste. Allein hier gingen schließungsbedingt die Besucherzahlen von fast 300.000 auf knapp 177.000 zurück. Im Alten Rathaus kam ja dann noch die Schließung für die Umbauten dazu, hier rutschte die Besucherzahl von 42.000 auf knapp 16.000 ab.
Da ahnt man schon, dass die Mitarbeiter/-innen des Museums, die hier in ihre tägliche Arbeit hineinschauen lassen, oft durchaus verzweifelt gewesen sein dürften, weil die Ausstellungen geschlossen bleiben mussten und auch die aufwendig gestalteten Sonderausstellungen nicht das Publikum anziehen durften, das sie eigentlich verdient hatten.
Und fast schon vergessen hat man ja, dass ein Museumsteil sogar schon seit 2018 geschlossen ist. Sehnsüchtig warten auch die Museumsmitarbeiter darauf, dass der Arabische Coffe Baum endlich saniert wird und das kleine Kaffeemuseum darin endlich wieder öffnen kann.
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