Für FreikäuferLEIPZIGER ZEITUNG/Auszug Ausgabe 70, seit 23. August im HandelEnde Juli war unter anderem der wieder bestätigte Vereinsvorsitzende Rainer Schade im Rahmen einer DDR-Ausstellung im Museum der bildenden Künste (MdbK) beteiligt.an>Der Wind dreht sich. Nach dem heißen Sommer um den Leipziger Kunstmaler Axel Krause versucht der Verein der Leipziger Jahresausstellung Normalität einkehren zu lassen. Ende Juli war unter anderem der wieder bestätigte Vereinsvorsitzende Rainer Schade im Rahmen einer DDR-Ausstellung im Museum der bildenden Künste (MdbK) beteiligt.
Seit Ende Juli folgt die Preisträgerausstellung des Künstlers Stefan Hurtig. Im August findet vom MdbK die bereits im Juni angekündigte, dann wieder abgesagte und nun mit anderem Personal organisierte Podiumsdiskussion über den Umgang mit Künstlern rechts im politischen Spektrum statt. Und der Verein? Will sich unpolitisch geben. Aber ist er das?
Kurz vor der Eröffnung im Juni 2019 platzte die Bombe. Zunächst wurde die Teilnahme des als „Nazi“ verschrienen Kunstmalers Axel Krause per Pressemitteilung abgesagt. Der damalige und bis auf eine Person am 20. Juni neu gewählte Vorstand verteidigte die Entscheidung mit der Begründung, der Leipziger Kunstmaler hätte sich auf Facebook demokratiefeindlich verhalten.
Der der AfD nahestehende Vertreter der Leipziger Schule hatte den Nazi-Vergleich in Bezug auf den Umgang kritischer Haltungen mit ihm gezogen und begab sich, wie schon so oft, in die Opferrolle. Seine Kunst sei entartet, postulierte er in dem sozialen Netzwerk. Er fühle sich von Gesinnungsschnüfflern umringt.
Der Vereinsvorstand zog seine Entscheidung pro Krause daraufhin zurück, sagte die Ausstellung ganz ab und trat am Folgetag selbst zurück. Bis zu diesem Zeitpunkt Anfang Juni hatte er immer zu seiner vermeintlichen demokratischen Entscheidung gestanden. Krauses Teilnahme wurde vereinsintern von Teilen des Vereinsvorstands vehement verteidigt. Diese innere Verteidigungshaltung entwickelte sich zum Aufbau einer Kulisse aus einer bedrohlichen „Gegnerschaft“ aus „antifa-nahen Künstlern“ und den kritischen Berichterstattungen in der Süddeutschen Zeitung, auf Zeit Online und bei der Leipziger Internet Zeitung.
In der Öffentlichkeit entstand der Eindruck, der Vorstand könne mit Kritik von außen nicht umgehen. Mitten in den Vorbereitungen der Ausstellungen machte er durch seinen Rücktritt den Verein handlungsunfähig. Der unbeholfene Umgang mit den Medienvertretern von Süddeutscher Zeitung, Zeit Online und Leipziger Internet Zeitung ließ ohnehin schon deutlich werden, dass der Vereinsvorstand nicht willens war, aus seinem Fuchsbau der vereinsdemokratischen Entscheidung pro Krause herauszukriechen und die Diskussion um das Für und Wider in den öffentlichen Ausstellungsräumen zu bestimmen und stattfinden zu lassen.
Vereinsvorsitzender Rainer Schade schlug außerdem die Einladung Alfred Weidingers (MdbK) aus, an einer Podiumsdiskussion zum Wirbel um Axel Krause teilzunehmen. Die Veranstaltung platzte zudem, weil Krause auch nicht mehr teilnehmen wollte. Er hätte in dem Interview mit der Leipziger Internet Zeitung ohnehin dazu alles gesagt.
Dabei schien alles aus Sicht des Vereinsvorstands sicher. Die künstlerische Position Krauses wurde ordnungsgemäß durch ein Mitglied des Vereins zur Teilnahme vorgeschlagen. Während der Jury-Sitzung, an der neben Vorstandschef Rainer Schade und seiner Ehefrau auch drei weitere Vereins- beziehungsweise Vorstandsmitglieder sowie Kunstprofessorin Annette Schröter teilnahmen, fiel die Entscheidung, bis auf eine Gegenstimme und eine Enthaltung, für die Position Krauses aus.
Schon damals hätte klar gewesen sein müssen, welcher Magnet die Person Axel Krause ist. Dass er sich nicht den Mund verbieten lässt, wie es sich der Vereinsvorstand gewünscht hätte, dürfte allen Beteiligten auch klar gewesen sein. Selbst während der Ausstellungsvorbereitungen wurde auch von kritischen Stimmen innerhalb des Vorstands die Jury-Entscheidung als demokratisch legitim gesehen, intern und extern als solche verteidigt. Man könne nichts unternehmen, als Krause teilnehmen zu lassen.
Dann die Erosionseffekte; Künstler wie Moritz Frei und Felix Leffrank übten öffentlich Kritik an Verein und Krause. In einem MDR-Bericht zur Sendung „artour“ wurde deutlich, dass Rainer Schade als Sprecher des Vereinsvorstands der Sache nicht gewachsen war. Kritische Stimmen befürworteten Krauses Teilnahme, mit Hinzunahme einer Stellungnahme des Vereins und Zulassung einer angekündigten Protestaktion von Künstlern, die sich wegen Krause aus der Ausstellung zurückzogen – mehr als Flyer und Plakate am Eröffnungsabend waren nicht geplant. Keine Trillerpfeifen, keine Regenbogenfahnen, kein Gejohle. Doch genau dieses „Worst Case Scenario“ wurde befürchtet. Vorstandsintern war man dagegen, Diskussionen und Aktionen zur Eröffnung zuzulassen.
Angst stand im Raum, dass Kunstwerke Schaden nehmen könnten. Dass Sponsoren, Förderer und Medien von einer Zusammenarbeit mit dem Verein entweder abspringen oder „kritisch“ über ihn berichten würden.
Mit einem Rücktritt des Vorstands macht man nach geltenden Vereinsverordnungen einen Verein zunächst handlungsunfähig, zumal mit der Organisation einer über Leipzig hinausstrahlenden Ausstellung dieser Schritt zu einer Unzeit stattfand. Dass kurz nach dem Vorstandsrückzug nahezu derselbe Vorstand „kommissarisch“ weitermachte, sich erneut durch eine Wahl bestätigen lässt, könnte die Entscheidung relativieren.
Glaubhaft und nachvollziehbar ist so ein Verhalten nicht. Für die Öffentlichkeit erscheint dieses Chaos nicht professionell und unredlich. Stattdessen hat der kommissarische Vorstand gemeinsam mit Mitgliedern versucht, die Ausstellung „heimlich“ voranzutreiben. Eine reguläre Eröffnung fand nicht statt. Die Künstler organisierten für sich selbst eine „Party“. Offenbar waren auch einige Partner abgesprungen und der Verein auch ohne Zutun einiger Spinnerei-Galerien unter Druck geraten. Äußern will sich der Vorstand dazu nicht. Stattdessen hat er Ausflüchte parat: Man müsse alles intern erst absprechen.
Prinzipiell gesehen war auch die gesamte Ausstellung vereinsdemokratisch illegitim, auch wenn sie „kommissarisch“ durchgeführt wurde. Man hätte den kommissarischen Vorstand komplett durch neue Personen ersetzen müssen. Dieser Vorgang hätte durch eine außerordentliche Mitgliederbefragung beziehungsweise -wahl stattfinden müssen.
Außerdem ist mit dem Rücktritt des Vorstands und der Absage der Ausstellung ohne Rückhalt der Mitglieder die Jahresausstellung faktisch nicht mehr durchführbar gewesen. Es hätte ein neues – außerordentliches – Bewerberverfahren und eine neue Vorauswahl geben müssen, ebenso eine neue Juryentscheidung. Stattdessen ging man den Weg des größten Schadens. So hat die Ausstellung doch sein Ausrufezeichen bekommen, das in diesem Jahr als Motto im Raum stand.
Als ob die Ereignisse rund um Axel Krause dem Verein nicht genug geschadet hätten, scheint an seinen Fersen nun auch das Pech haften geblieben zu sein. In der Nacht vom 12. zum 13. Juni fiel ein Werk der Künstlerin Louise Walleneit von der Wand. Die Wand befindet sich in der Werkschauhalle auf dem Gelände der Alten Baumwollspinnerei. Am 12. Juni öffnete die Leipziger Jahresausstellung seine Pforte – ganz inoffiziell.
Am 14. Juni meldete die Künstlerin auf Facebook mit einer Verlinkung eines Artikels auf dem Online-Portal des Monopol-Magazins, dass eine Arbeit von ihr von unbekannt zerstört worden sei und nicht mehr in der Ausstellung hänge. Nach dem Stress der vergangenen Wochen war die Angst der Foto- und Objektkünstlerin groß, dass jemand mutwillig das Bild zerstört habe und erstattete deswegen zunächst eine Strafanzeige gegen „Unbekannt“.
Gegenüber der L-IZ meinte die Künstlerin am 17. Juni, dass ihr Kunstwerk nicht durch sie selbst aufgehängt wurde, sondern durch einige im Verein mitwirkenden Mitglieder. Fotografien, die durch die Künstlerin gemacht wurden, zeigen die an einer Seite stark aufgebogene Halterung. Diese befand sich nach dem Sturz des Werkes noch an der Wand. Das Kunstwerk – ein hochwertiger Fotodruck auf Alu-Dibond – ist auf der unteren Seite ebenfalls verbogen, vermutlich durch den Sturz auf den Boden.
„Das Bild ist heruntergekommen, weil jemand mit einem spitzen Gegenstand die Halterungen bearbeitet hat. Dort ist so eine starke Hebelwirkung ausgeübt worden, dass sich die 0,5x10x20 cm große Metallplatte der Halterung verbogen und gelöst hat“, analysiert die Gründerin des „Inter Disciplinary Shop“ auf dem Gelände der Alten Baumwollspinnerei aufgrund der nach dem Herunterfallen des Werkes einsetzenden Polizeiuntersuchung. Die Polizei teilt die Einschätzung der Künstlerin. Allein aus diesem Grund habe sie die Anzeige wegen Sachbeschädigung unternommen, nachdem sie diese Beschädigung festgestellt hat.
Die Absolventin der Zürcher Hochschule der Künste und Hochschullehrerin an der Bauhaus-Universität Weimar ergänzt, dass der Verein nur zwei der vier vorgesehenen Halterungen sowie einfache Schrauben statt der Bildhaken verwendet haben soll. „Unsachgemäße Handhabung also“, stellt sie fest.
Walleneit meint auch, dass der Verein für solche Schäden versichert sei. Aber tatsächlich scheint sich der „kommissarische Vorstand“ nur mit der Frage und der damit verbundenen Angst auseinanderzusetzen, dass durch diesen Schaden die Versicherungsbeiträge erhöht werden. Walleneit nimmt an, dass der Schaden bereits der Versicherung gemeldet und an einen Gutachter weitergereicht wurde. Der Schaden beläuft sich nach Angaben der Künstlerin auf 6.000 Euro.
Der Vereinsvorstand dementiert die Vorwürfe von Louise Walleneit. Die Schrauben in der Wand für das Bild waren angeblich während der gesamten Ausstellung noch fest verankert. Das besagte Bild fiel demnach ohne äußere Einwirkung herunter und hätte nicht wieder aufgehängt werden können, ohne Gefahr zu laufen, wieder herunterzustürzen. Außerdem wäre das Kunstwerk allein nur durch den Sturz ramponiert.
Auffällig ist auch, dass der Verein offenbar selbst die polizeiliche Anzeige und die Ermittlungen dazu ignoriert. Denn der Vereinsvorstand dementiert laut Walleneit auch die polizeiliche Feststellung dieser Sachbeschädigung. Auch soll die Künstlerin mehrfach aus dem Verein heraus unter Druck gesetzt worden sein, die Anzeige wieder zurückzuziehen und ihren Kommentar von der Facebook-Seite zu löschen.
Außerdem soll Rainer Schade gesagt haben, er wolle das Bild nicht auf der Ausstellung durch eine andere Arbeit der Künstlerin ersetzt wissen. Während des Jury-Rundgangs, bei dem eine zehn Jahre alte Arbeit von Björn Siebert als Sieger erkoren wurde, wurde das Kunstwerk durch den Verein und ohne Erlaubnis der Künstlerin entfernt. Gegenüber der LEIPZIGER ZEITUNG äußerte sich der Vorstand nicht zu den Vorwürfen und Angaben der Künstlerin.
Walleneit, die sich im Zuge der Ausstellungsabsage der L.J.A. kritisch in der Süddeutschen Zeitung Online zum Vorgehen des Vorstands äußerte, hat inzwischen eine Anwältin zurate gezogen.
Die polizeilichen Ermittlungen laufen weiter. Die Leipziger Staatsanwaltschaft beschäftigt sich nach Aussagen der Künstlerin ebenfalls mit diesem Fall. Denn was die Künstlerin auch sagt, ist, dass sie seitens des Vereins immer wieder unter Druck gesetzt werde. Ihr wurde sogar gedroht, sie werde mit ihrem Vorgehen sehen, was sie davon habe.
Auch würde die Versicherung nur einen Bruchteil der tatsächlichen Schadensumme ersetzen. Dieser Vorgang kann auch mit dem Rechtsvorgang zu tun haben, dass aus einem etwaigen Verkauf die Verkaufsbeteiligung an die Künstlerin sinkt und dieser Wert tatsächlich als zu ersetzen gilt. Am Ende entscheiden Anwälte und Gerichte über die Höhe der Schadenersatzleistungen.
Ironie der Geschichte: Der von Louise Walleneit auf Facebook verlinkte Artikel vom Monopol Magazin zeigt die besagte fotografische Arbeit der Künstlerin mit einem älteren Herrn mit einer pinkfarbenen Hasenmütze; davor stehen zwei Polizeibeamte und begutachten das Werk. Entgegen der Vermutung der Künstlerin, dies sei inszeniert, handelte es sich bei dem dpa-Foto um eine reale Aufnahme. Denn als die Ausstellung am 12. Juni geöffnet wurde, war auch die Polizei zur Stelle, um etwaigen „Protesten“ wegen der abgesagten Teilnahme des strittigen Leipziger Kunstmalers Axel Krause entgegenzuwirken. Passiert war – mit Ausnahme des Bildersturzes – nichts. Der „Hasenmann“ ist wenige Stunden später ramponiert auf dem Boden gefunden worden.
Nach der Causa Krause tritt der Vereinsvorstand geschlossen gegenüber der Öffentlichkeit auf: Man schweigt zu den Vorwürfen, Presseanfragen werden mit der Begründung nicht beantwortet, dass man sich zunächst vorstandsintern über das öffentliche Auftreten und entsprechende Antworten abstimmen müsse. So erklären sich auch die samtpfotigen und nicht-kritischen Beiträge in der Leipziger Volkszeitung zum Fall Krause und warum sich ein LVZ-Journalist stattdessen auf Facebook erbitterte Wortgefechte mit Axel Krause lieferte.
Aus vereinsinternen Quellen geht hervor, dass die Berichterstattung eng mit der LVZ abgestimmt wurde, mit den anderen Medien in Leipzig nicht. Kritische, diskussionsfreudige und meinungsorientierte Berichterstattungen, unter anderem von Süddeutscher Zeitung, L-IZ und LZ werden vom Verein als „Falschdarstellungen“ und als „unwahr“ abgewertet. Man wolle sich die harte Vereinsarbeit nicht sauer machen lassen, dringt es aus dem Subtext hervor. Schuld haben die anderen. Indirekt hat der Vereinsvorstand doch Politik gemacht.
Außerdem fühlt man sich durch die Öffentlichkeit gestört. Man will weitermachen, außer wenn wieder die Pressemeldungen über den Äther laufen. Die Vorbereitungen der Jahresausstellung zum Klinger-Jahr sind schon voll im Gang. Der Leipziger Sezessionskünstler war 1912 einer der Gründer des ursprünglichen Vereins.
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Leipziger Jahresausstellung: Wenn Angst entscheidet
26. Leipziger Jahresausstellung: Ein langes Gespräch mit Axel Krause im Video
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