Eigentlich hätte 2013, zum 200. Jahrestag der Völkerschlacht alles fertig sein sollen. Aber es war bei der St. Alexi Gedächtniskirche, die seit 1913 an die russischen Gefallenen der Völkerschlacht erinnert, genauso wie beim Völkerschlachtdenkmal selbst: Das war nicht zu schaffen. Die Herausforderung war zu groß. Aber jetzt glänzt das Schmuckstück wieder. Und eine kleine Kabinettausstellung würdigt die schöne Co-Produktion.

Denn eine solche war es. Die 1913 in knapp einem Jahr gebaute Kirche, die schon in den 1920er Jahren erste statische Probleme zeigte, wurde endlich stabilisiert, Dach und Mauern wurden gereinigt, das Gold ergänzt, das Kreuz neu aufgesetzt und auch im Inneren ist die Kirche wieder schmuck.

Eine Million Euro hat allein die Restaurierung des besonderen Kirchenbaus gekostet, der seit 1913 der Stadt Leipzig gehört. Aber als OBM Burkhard Jung auf einer Moskau-Reise das Thema ansprach, war die Stadt Moskau schnell bereit, selbst 250.000 Euro zur Sanierung beizutragen.

Die Kirchenausstattung wieder gehört der St.-Alexi-Gemeinde. Die wäre mit der Restauration für 300.000 Euro allein der grandiosen Ikonen-Wand mit über 70 Ikonen völlig überfordert gewesen. Hier halfen Denkmalfördermittel, das Sammelaufkommen der kleinen orthodoxen Gemeinde zu ergänzen, sodass jetzt auch das Kircheninnere wieder strahlt – befreit vom Ruß der Zeit.

Was auch demnächst gefeiert wird.

Am 18. November wird nach dreijähriger Arbeit die Restaurierung der Ikonen in der Russischen Gedächtniskirche in Leipzig abgeschlossen und die Ikonenwand (Ikonostase) im Rahmen eines feierlichen Gottesdienstes wieder eingeweiht.

Die Ikonenwand der Russischen Gedächtniskirche, die 1913 in Erinnerung an die gefallenen russischen Soldaten der Völkerschlacht erbaut wurde, ist eine der größten in Europa. Sie hat in Größe und Komplexität selbst für die Verhältnisse von Kirchen in Russland eine außergewöhnliche Dimension: Auf 18 Meter Höhe, 10 m Breite und in 7 Rängen sind 78 Ikonen zu finden. Die Ikonen wurden in ihrer Gesamtheit zum ersten Mal restauriert.

Die Projektkuratorin Brigitte Kempe-Stecher und der Vorstand der Russischen Gedächtniskirche haben das Vorhaben mit verschiedenen Land- und Bundesbehörden koordiniert. Das Projekt wurde von der Staatssekretärin für Kultur und Medien, Monika Grütters (BKM), unterstützt und in das Denkmalpflegeprogramm „National wertvolle Kulturdenkmäler in Sachsen 2016“ aufgenommen. Die ZEIT-Stiftung Hamburg, Privatspender aus Leipzig und Moskau, Gemeindemitglieder der Russischen Gedächtniskirche sowie der Leipziger Kunstretter e.V. waren weitere Geldgeber für die Restaurierung.

Die Christi-Himmelsfahrtkirche von Moskau-Kolomenskoje. Foto: Museum Kolomenskoje
Die Christi-Himmelsfahrtkirche von Moskau-Kolomenskoje. Foto: Museum Kolomenskoje

Und das ist natürlich ein guter Anlass für eine kleine Kabinettausstellung im Stadtgeschichtlichen Museum, um auch einmal die Geschichte und Baugeschichte dieser deutschlandweit einmaligen Kirche zu zeigen. Denn als Erinnerung an die Völkerschlacht ist die Kirche zwar für jeden Vorbeifahrenden sichtbar, aber nur die wenigsten wissen, dass sie in Moskau ein direktes Vorbild hat: die Christi-Himmelfahrts-Kirche im Moskauer Staatlichen Historischen Freilichtmuseum Kolomenskoje, 20 Kilometer vom Moskauer Stadtzentrum entfernt.

Seit 1994 gehört die Christi-Himmelfahrts-Kirche zum UNESCO-Weltkulturerbe. Und ihre Errichtung hat eine erstaunliche Parallele zur Leipziger Gedächtniskirche.

Die Errichtung von Kirchen zu Ehren historischer Ereignisse ist eine bemerkenswerte jahrhundertealte Tradition der russischen Architektur und der russischen Geschichte. Der Moskauer Großfürst Wassilij III. ließ die Auferstehungskirche 1530 bis 1532 zu Ehren der Geburt seines lang ersehnten Sohnes Iwan erbauen, der später als „der Schreckliche“ bekannt wurde.

Die Leipziger Russische Gedächtniskirche ist eine freie Nachbildung der Auferstehungskirche in Moskau-Kolomenskoje und zeichnet sich durch ein 16-seitiges Zeltdach aus.

Die Kirche wurde von dem Architekten Wladimir Alexandrowitsch Pokrowski (1871 – 1931) entworfen, dessen Bauwerke sich hauptsächlich in Sankt Petersburg, Nischni Nowgorod und Moskau befinden. Als russische Zeltdachkirche und verputzter Ziegelbau mit einem Turmhelm als Eisenbetonskelettbau ausgeführt, markierte diese Kirche den Beginn einer neuen Architekturtradition in Russland.

Sie wurde im Gedenken an die 22.000 russischen Soldaten, die während der Völkerschlacht 1813 in und um Leipzig gefallen sind, errichtet.

Die Leipziger Architekten Georg Weidenbach und Richard Tschammer erarbeiteten auf der Basis von Pokrowskis Originalplänen einen vereinfachten Entwurf, der zur Ausführung kam. Nach zehnmonatiger Bauzeit fand 100 Jahre nach der Völkerschlacht am 17. Oktober 1913, am Tage vor der Einweihung des Völkerschlachtdenkmals, die Konsekration und am 18. Oktober 1913 die Kirchenweihe statt.

Die Kirche in Kolomenskoje ist also in gewisser Weise das Original, Leipzig die Kopie. Aber unübersehbar sind auch Elemente des Art Déco. Es ist also eine sehr moderne Anverwandlung des Moskauer Vorbilds, das auch in Russland einmalig ist. Ein italienischer Architekt entwarf diese erste Zeltdachkirche für den russischen Zaren und schuf damit eine Kirche, die sich deutlich vom traditionellen byzantinischen Kirchenstil unterschied.

Porträt von Zar Nikolai II., 1898. Foto: Museum Kolomenskoje
Porträt von Zar Nikolai II., 1898. Foto: Museum Kolomenskoje

Und auch die Leipziger Gedächtniskirche ist einem Zarensohn gewidmet – dem späten Sohn Nikolaus II., Alexej. Nach Ermordung der russischen Zarenfamilie wurde Alexej zum Heiligen erklärt. Als Schutzpatron seiner Kirche ist er auch in einer der 78 Ikonen abgebildet.

Die Baukosten betrugen 1913 rund eine Million Goldmark bzw. 250.000 Rubel. Mehr als die Hälfte dieser Kosten wurde aus Spenden finanziert. Die Gedächtniskirche besteht aus einer Winter- und einer Oberkirche, in der sich 78 Ikonen des russischen Malers Luka Martjanowitsch Jemeljanow befinden. Der 55 Meter hohe Turm mit seiner vergoldeten Zwiebelkuppel nach altrussischem Vorbild ist weit über Leipzig zu sehen.

Im Gebäude befinden sich außerdem eine kleine Gemeindebibliothek und ein Kirchenmuseum. Nicht zu vergessen die Krypta unter der Kirche, in der an die gefallenen russischen Soldaten erinnert wird.

Anhand zahlreicher Abbildungen wird in der kleinen Ausstellung die Verknüpfung der Geschichten beider Kirchen sichtbar. Aber man lernt natürlich auch die Bau- und Sanierungsgeschichte der Christi-Himmelfahrts-Kirche, die schon 1923 unter Denkmalschutz gestellt wurde und damit auch die Kirchenstürmerei der russischen Revolution überlebte. Heute ist sie ein Touristenmagnet im großen Freilichtmuseum von Kolomenskoje.

Gezeigt wird die Ausstellung anlässlich der „Moskauer Tage“ in Leipzig.

Ausstellungstipp: Ausstellung „Das Original und die Kopie“ im Stadtgeschichtlichen Museum, Böttchergässchen 3, 14. November 2018 bis 6. Januar 2019

Eröffnung: Dienstag, 13. Nobember, 18 Uhr.

 

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar