Am Mittwoch, 12. September, eröffnete das Museum der bildenden Künste eine kleine, besondere Ausstellung, die einmal einen der wichtigsten deutschen Fotografen des 20. Jahrhunderts nach Leipzig holt. Und das auch noch mit seiner berühmtesten Bilderserie, die eindrucksvoll die arbeitenden Menschen der 1920er Jahre zeigt. Das Museum schärft mit der August-Sander-Ausstellung ganz unübersehbar sein Fotografie-Profil. Und eine kleine Leipzig-Beziehung gibt es auch.

August Sander wurde als Vertreter der Neuen Sachlichkeit einer der wichtigsten Fotografen des 20. Jahrhunderts. Berühmt wurde er vor allem mit seiner Porträtfotografie, insbesondere dem monumentalen Werk „Menschen des 20. Jahrhunderts“, das zur Ikone der Epoche wurde. In über 600 Aufnahmen suchte Sander ab 1924 nach typischen Repräsentanten bestimmter Berufsgruppen und gesellschaftlicher Schichten. Eindringlich wollte er mit seinen Fotografien aber auch der Individualität und der psychologischen Befindlichkeit der von ihm Porträtierten nachspüren – der ästhetische Wert war ihm dabei ebenso wichtig wie eine dokumentarische Neutralität.

Aus Anlass der Kulturpreisverleihung 1961 beschloss er zwei Jahre später, eine Auswahl von 70 Motiven aus seiner Porträtserie zusammenzustellen und in vergrößerten Abzügen zu präsentieren, welche von seinem Sohn und seinem Enkelsohn mühevoll angefertigt und dem strengen Urteil des Großvaters vorgelegt wurden.

August Sander: Jungbauern, 1914 / 1961–1963, Silbergelatine-Abzug, 42,4 x 32,8 cm. Art Photography Fund, Courtesy Galerie Johannes Faber © Die Photographische Sammlung / SK Stiftung Kultur – August Sander Archiv, Köln; VG Bild-Kunst Bonn, 2018
August Sander: Jungbauern, 1914 / 1961–1963, Silbergelatine-Abzug, 42,4 x 32,8 cm. Art Photography Fund, Courtesy Galerie Johannes Faber © Die Photographische Sammlung / SK Stiftung Kultur – August Sander Archiv, Köln; VG Bild-Kunst Bonn, 2018

Sander steht im Grunde symptomatisch für das tiefsitzende Misstrauen der Nationalsozialisten gegen moderne und progressive Kunst. Der Kölner Fotograf gehörte zur fotografischen Avantgarde seiner Zeit. 1929 erschien sein Bildband „Antlitz der Zeit“ als Vorschau auf „Menschen des 20. Jahrhunderts“.

Aber mit der Machtübernahme der Nazis wurde sein Arbeitsfeld radikal eingeschränkt. Und sein Sohn Erich, Student der Geisteswissenschaften und Mitglied der ab 1933 verbotenen SAPD (Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands), wurde denunziert und zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Die Haft überlebte er nicht.

Sander selbst erlebte ein Auslieferungsstopp von „Antlitz der Zeit“ durch die Nationalsozialisten sowie die Vernichtung der Druckstöcke, konzentrierte sich in den Folgejahren lieber auf unverfängliche botanische Studien und Detailstudien sowie Aufträge in den Bereichen Industrie und Werbung.

Zwar verließ er Köln mit dem Beginn der Bombenangriffe und konnte seine wertvollsten Negative in Sicherheit bringen, aber sowohl sein Kölner Atelier wurde durch Bombenangriffe zerstört als auch 25.000 bis 30.000 Negative im Keller der Kölner Wohnung durch einen Brand.

In der Nachkriegszeit machte er sich einen Namen als Fotograf der Kölner Zerstörungen.

Die von Sander selbst zusammengestellte Serie von 70 Fotografien mit „Menschen des 20. Jahrhunderts“ wird nun in der Ausstellung gezeigt.

August Sander: Konditor, 1928 / 1961, Silbergelatine-Abzug, 48,8 x 32,8 cm. Art Photography Fund, Courtesy Galerie Johannes Faber © Die Photographische Sammlung / SK Stiftung Kultur – August Sander Archiv, Köln; VG Bild-Kunst Bonn, 2018
August Sander: Konditor, 1928 / 1961, Silbergelatine-Abzug, 48,8 x 32,8 cm. Art Photography Fund, Courtesy Galerie Johannes Faber © Die Photographische Sammlung / SK Stiftung Kultur – August Sander Archiv, Köln; VG Bild-Kunst Bonn, 2018

Zu Leipzig hatte August Sander eine enge, bislang kaum gewürdigte Beziehung. Nicht nur verbrachte er während seiner Ausbildung einige Zeit in Leipzig und pflegte enge Kontakte zum Verleger Ernst Arthur Seemann, der in Briefen an seine Freunde Sanders fotografische Fertigkeiten, insbesondere auch seine Farbaufnahmen rühmte.

Auf der vom Sächsischen und Thüringer Photographen-Bund unter dem Protektorat von König Georg von Sachsen im Deutschen Buchgewerbehaus Leipzig vom 5. September bis 20. Oktober 1904 veranstalteten „Photoschau“ bekam Sander den Müller & Wetzig-Preis verliehen.

August Sanders ganz besonderer Blick auf die Menschen kehrt nun für eine Werkausstellung nach Leipzig zurück und mit ihm ein eindringlicher und intimer Blick auf „Menschen des 20. Jahrhunderts“.

Ergänzend zur Ausstellung „August Sander“ werden Porträts der sogenannten Kramermeister gezeigt. Die Gemälde aus drei Jahrhunderten sind eine Leihgabe der Industrie- und Handelskammer zu Leipzig und zeigen Mitglieder der Kramerinnung.

Eröffnet wurde die Ausstellung am Mittwoch, 12. September.

Zu sehen ist sie im Museum der bildenden Künste bis zum 2. Dezember.

 

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