„Eingriffe“ heißt ein Cartoon, bei dem ein Herr einer Dame den Kleidverschluss am Rücken öffnet und mit der anderen Hand Klavier spielt. Und nun greift der Waldheimer Cartoonist ins Markkleeberger Galerie-Geschehen ein!
Zeichnung: Werner Rollow. So liest man das, seit man selbst den EULENSPIEGEL liebt, oder die Samstags-Witze-Seite einer Leipziger Tageszeitung aufmerksam von links oben bis rechts unten bestaunte und belachte. (Jaja, jede Woche eine ganze Zeitungsseite voller Humor.) Bräuchte man den Zeichner-Namen nicht als Copyright, wäre die Angabe nicht nötig. Man erkennt ihn an seinem Strich. Und an den schroffen Menschen, oft wohlgenährt, abgründig-ernst schauend, mit scharfkantigen Nasen.
Ernster Mensch…
Eigentlich ist der gelernte Gebrauchswerber und frühere Werbeleiter mit Mitgliedschaft im Künstlerverband professioneller Menschenkenner, aber als Spaßmacher ist Werner Rollow ein ernster Mensch. Mit schalkhaftem Lächeln. Ohne Krach und großes Getue. Immer eine Strich-Länge voraus; aber wie lang, wie weit… Er taxiert Leute die er sieht, Leute mit denen er spricht. Weder die Gedanken noch Gags sprudeln aus ihm heraus, erst recht kein Geschwätz.
Prominenz
US-Präsident Barack Obama wird mit riesengroßen Ohren gezeigt. Vom Lauschen? Oder hat er den umgangssprachlichen „Satz rote Ohren“ bekommen? Es soll auch schon Leuten Hören und Sehen vergangen sein… Den „Ohrensessel“ sieht Werner Rollow als NSA-Design. Früher spitzelte man halt, in dem man in Ratskellergewölben das Ohr zur Decke reckte, um Nachbartische zu belauschen…
Rollows Napoleon ist berühmt, die Hand in Schritthöhe in der Hose, den druckte der DDR-Kunsthandel als Plakat zu volkstümlichem Preis in Riesenauflage.
Musik fürs Auge
Seit er vor Jahrzehnten Illustrationen für Bücher mit Gewandhaus-Anekdoten schuf, hat er es spielerisch drauf, Musik fürs Auge zu schaffen. Später zeichnete er für einen Monatskalender Cartoon-Noten. Weder Orchestermusiker noch Solisten und Stars sind wohlmeinende Porträts, auch die Künstler-Menschen sind kantig, grob, zuweilen dick. Es sind die Situationen des jeweiligen Miteinanders, das Heimeligkeit oder Heimtücke vermittelt. Es sind gezeichnete kleine Opern oder Operetten und oftmals Krimis.
Soviel zur Musik. Entdeckungen Werner Rollows an Swimmingpools, Seebädern und Ozeanufern sind nicht weniger vielfältig. Diese Serie entstand in jüngerer Zeit, wie die meisten der jetzt gezeigten Arbeiten. Aus vier Jahrzehnten wurde ausgewählt, auch eine Jagdgemeinschaft rauhaariger alter Herren ist dabei, unter dem Titel „Zur Strecke gebracht“ eine an Pfählen getragene durchlöcherte DDR-Staatsflagge beiseite zu schaffen. „Ich wollte sie nicht als Verbrecher zeigen, die Herren Politiker, die ja alle Jäger waren“, und so bringen sie sich selbst zur Strecke, die es nicht schafften, die DDR ordentlich aufwachsen zu lassen. Unter Werner Rollows Vita steht: „war nie Soldat, war nie Mitglied einer Partei“.
Psychomagie mit Feder und Tusche
Als menschlich-säxografisch bezeichnet Werner Rollow seine Themen und Szenen. Werner Rollows satirische Mittel sind Psychomagie. Seine Werkzeuge sind einfach, es musste früher immer eine starke schwarze Linie sein, sonst wäre die Zeichnung nicht Tageszeitungs-druckfähig gewesen. Selbst Bücher hatten meist mit Schwarzweiß auszukommen. Meistens mit Skribent, dem Tuschefüller, dem freilich die Trichterfeder vorausging. Was da einmal auf dem Karton war, war unauslöschbar. Werner Rollow verfiel nicht allen neuen Möglichkeiten sondern blieb bis heute bei der Handzeichnung, fing aber an, mit Air-Brush zu zaubern.
Öfters zeigt Werner Rollow sein Personal in häuslicher Umgebung zwischen Sofa und Fernseher oder bei festlichen Anlässen, bei denen dann allerdings öfters der Genuss überhand genommen hat. Im Westphalschen Haus in Markkleeberg haben die großen und kleinen Formate eine ideale Umgebung. Und manches davon kann man als Druck sogar kaufen und mit nach Hause nehmen.
Den bisher 33 eigenen Ausstellungen folgt also nun die Nummer 34. Wobei die Doppel-Schau mit Christine Dölle vor Jahren beim MDR in Leipzig über Frauen- und Mannsbilder eigentlich zwei separate Ausstellungen waren, zwischen denen Sexprofessor Kurt Starke als Laudator versuchte, Liebe aufkommen zu lassen….
Wie gut Werner Rollow im Ausland verstanden wurde, zeigen die 191 Ausstellungsbeteiligungen, 128 Veröffentlichungen in Büchern und Katalogen, die Ikonenwand der Auszeichnungen.
Gab es in der DDR Cartoon-Bücher? – Ja, aber nur unter dem Ladentisch. Und das bei für heutige Verhältnisse unglaublichen Auflagenzahlen. Der EULENSPIEGEL war eine Wochenzeitschrift für 40 Pfennige, abonniert oder im Laden reserviert für gute Kunden oder man wusste, wo es Donnerstagnachmittag günstig war… Satire im System. Zugelassen, als ob jeder Einzelfall nur ein einzelner Fall wäre. Wer an der Macht hängt, schmückt sich mit Narren. (Anmerkung: Der sowjetischen Satire-Zeitung „Krokodil“ brachte nach 79 Jahren ihres Bestehens erst die Marktwirtschaft den Tod.)
Karikatur ist Übertreibung
Beim Auswählen, Indierahmenbringen und Rahmenaufhängen guckten sich Gisa Trost, die Leiterin des Westphalschen Hauses, Falk Hartig, Amtsleiter für Kultur und Tourismus und ihre Helfer ab und an fest und schwatzten über die dargestellten kleinen Krimis. So sprangen schon mal die Figuren und ihre Probleme aus den Rahmen heraus. Leben und leben lassen. Lachen und lachen lassen. „Karikatur ist Übertreibung“, sagt Werner Rollow. Und manchmal ist sie auch Untertreibung.
Die Vernissage findet am Donnerstag, 22. Januar, 19:00 Uhr im Westphalschen Haus, Markkleeberg, Dölitzer Straße 12. Laudatio: Andreas J. Mueller.
Öffnungszeiten: Dienstag und Donnerstag 10:00 Uhr bis 17:00 Uhr, Mittwoch 10:00 Uhr bis 16:00 Uhr und zu Veranstaltungen.
Ausstellung wird gezeigt bis zum 22. März 2015.
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