Kunst wird zum Event. Eine "Rausstellung" kommt auf die Leipziger auf dem Burgplatz zu. "Street Art" - Straßenkunst das Zauberwort. Sie dauert nur wenige Stunden und ist eigentlich eine laufende Vernissage, die in einer Finissage endet. Künstler und Organisator Petro Steigolino erzählt im L-IZ-Gespräch wann, wie und warum.

Um sein umfangreiches künstlerisches Schaffen zu ergründen, muss man dem 27-jährige Mann zuerst in die Graffitti-Szenerie, später in die Fälschergilde in der Leipziger Fälschergalerie folgen. Petro Steigolino kam im zarten Alter von 14 oder 15 Jahren aus durch Literatur über Graffiti zum ersten eigenen Versuch auf der Straße. “So eröffnete sich mir die Szene und man lernte die Gesichter hinter den Tags kennen. Ich fing an mich regelmäßig mit Gleichgesinnten zu treffen, um zu zeichnen, bis es dann an der Zeit war im Schatten der Nacht endlich malen zu gehen. Im Laufe der Zeit machte man sich einen Namen und war ‘Wer’.”

Aber nach fünf Jahren wurde Steigolino Graffitis malen langweilig, der Weg in Richtung Fälschergalerie folgte prompt. Er sagt heute: “Es war einfach nicht mehr interessant. So kam es auch, dass ich ein Jahr lang gar nicht mehr gemalt habe. Dann hat sich mir eben diese Stelle eröffnet. Dort habe ich mich dann intensiv mit der Kunsthistorie auseinandergesetzt und Techniken der klassischen Malerei erlernt. Bin also in Kunstlehre gegangen. Was mir wirklich gut getan hat, denn so hat sich mir die Malerei, also die Kunst an sich neu erschlossen.”

Inzwischen hat Steigolino ein Atelier im Westwerk in direkter Nachbarschaft der Essential Existence Gallery bezogen, weil er zuvor wegen seiner Arbeit in der Fälschergalerie kaum Zeit für eigene Ideen hatte und brach mit ihr nach drei Jahren Zusammenarbeit. “Diese Situation fing mich an zu frustrieren, habe nach drei Jahren den Schritt gewagt und bin gegangen. Ich hab mich zwei Jahre lang treiben und meiner Kreativität freien Lauf gelassen. Und natürlich hat es mich wieder auf die Straße gezogen. Nach dem was ich mit der Zeit gelernt habe, war es nur eine logische Konsequenz, dass ich nicht an dem Punkt weiter mache, an dem ich angefangen habe. Also versuchte ich mich an neuen Methoden und Ausdrucksformen um mich auf der Straße mitzuteilen.”
Als Street Art Künstler widmet er sich nun Projekten, worin er seine Ideen ausreift und ausprobiert. “Ich finde es eben auch spannend, mich innerhalb dieser Kunstrichtung immer neu zu erfinden und mir andere Wege zu suchen mich auszudrücken.” Sein bekannteste Projekt der letzten zwei Jahre ist wohl “Shoefiti” im Raum Leipzig. Hier werden Leipzigern in den letzten Jahren verwaiste Schuhe aufgefallen sein, die mitunter auch von den Bäumen baumeln. Das ist eine Kunstaktion.

“Nach dem ich das in Berlin gesehen habe, bin ich erst alleine losgezogen. Da ich es spannend fand, Dinge dort zu platzieren, wo sie keiner erwartet. Schnell haben auch meine Freunde und Bekannte gefallen an der Aktion gefunden, so kam es, dass sehr schnell sehr viele Schuhe in Leipzig hingen und das natürlich auffällt und die Aktion per se populär machte. Bei meinen anderen Projekten – Telefonzellen, Trafohäuschen … – finde ich es spannend, die Dinge nicht nur zu bemalen sondern die Gegenstände in die Arbeit zu integrieren. Die so entstandenen Objekte werden dann auch erst mal von Passanten wirklich wahrgenommen und meist als etwas Positives empfunden.”In diesem Kontext ist seine erste “Rausstellung” zu sehen, wo er sich mit seinen Freunden und Bildern am Nachmittag des 20. August auf dem Burgplatz einfindet und einen bunten Fleck bilden wird – wohl nicht ganz zufällig am Tag der NPD-Kundgebung am Völkerschlachtdenkmal. Aber: “Die Street Art Projekte sind nicht die einzigen Werke an den ich arbeite. Ich arbeite auch an Gemäldeserien und Skulpturen. Für Street Art habe mich entschieden um positive Resonanzen des zufälligen Publikums bekommen und weil es Spaß macht. Und gerade diese Erlebnisse inspirieren mich dann bei meiner Arbeit im Atelier. So entsteht eine Symbiose der beiden Arbeitsweisen. Die Dinge die ich im Atelier entwickle bringe ich auf die Straße und von dort bringe ich dann Ideen mit, die ich wiederum in neuen Gemälden umsetzte. Ich habe diesen Sachverhalt mal weitergedacht und musste logischer Weise schlussfolgern, dass die Bilder wiederum auf der Straße ausgestellt und der Öffentlichkeit zur freien Verfügung stehen sollten.”

“Es gibt Getränke, Gesellschaft und Gemälde.” Eine Rausstellung klingt zunächst nach einer Ausstellung. ” … nur dass wir uns halt den normalen Gegebenheiten für Kunst wie in einer Galerie oder ein altes Industriegebäude entfernen und mit der Kunst auf die Straße zu den Menschen gehen. Wir wollen uns ein bisschen aufdrängeln.” Steigolino erhofft sich eine schöne Veranstaltung am 20. August von 17 bis 20 Uhr und zufriedene Menschen, denn Steigolino wird etwas machen, was “normale” Künstler als ziemlich frustrierend empfinden. Er baut seine Rausstellung danach einfach nicht wieder ab. Er wird gemeinsam mit seinen Freunden einfach den Burgplatz verlassen, ohne seine Kunstwerke mitzunehmen. So können die Leipziger selbst entscheiden, was sie damit anfangen wollen – sie dort stehen lassen, oder selbst mit nach Hause nehmen. Verkaufen will Steigolino seine Werke nicht. Er begründet schlicht: “Wir sind nicht in einer Galerie, sondern draußen. Wir werden sehen, was mit den Kunstwerken passiert.”

Eine Webseite hat Petro Steigolino nicht, Kunst findet für ihn dort nicht statt.

Shoefiti-Aktion Online
verbalescapaden.wordpress.com/2010/04/19/auf-schuhsuche-shoefiti-part-v/

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