Die Musik ist wieder aus, die Tanzflächen erneut leer. In den Clubs in Sachsen herrscht sozusagen bereits seit Anfang November wieder Lockdown. Denn mit der Verordnung, die am 8. November in Kraft trat, war es ihnen untersagt, Veranstaltungen ohne Maske und Abstand durchzuführen – der erneute „Todesstoß“ für die Häuser. Seit Montag, dem 22. November, und damit der Durchsetzung der aktuellen Corona-Schutzverordnung, ist schließlich gänzlich klar: Die Clubs bleiben zu.
Die LiSa, die „Live Initiative Sachsen“, bäumt sich gegen diese Maßnahme auf. „Nun, da 2G+ auch bundespolitisch ein Thema ist und die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen wurde, sei es in Sachsen dafür zu spät. Im Anschluss an den neuerlichen Kulturlockdown brauchen wir daher endlich eine differenzierte Risikobewertung. Konsequent umgesetztes 2G+ macht sichere Räume möglich!“, heißt es in einer offiziellen Meldung der LiSa, die den Club-Zusammenschluss „Livekommbinat Leipzig“ sowie die Netzwerke aus den anderen großen sächsischen Städten, das „Clubnetz Dresden“ und „Hand in Hand“ aus Chemnitz unter sich vereint.„Wir hetzen von einem Krisenstab zum nächsten und versuchen, Lösungen zu finden und der Politik klarzumachen, dass wir nicht bis Ende März oder sogar Ende Mai nächsten Jahres die Schotten dichtmachen können“, erklärt Steffen Kache, Besitzer der Leipziger Distillery, im Gespräch mit der LZ.
Auch den Clubbetreiber/-innen sei klar, dass eine Öffnung anhand der aktuellen Zahlen keine Option sei. Doch was kommt danach? „Jetzt im Moment eine Öffnung zu fordern, ist wohl ein wenig weltfremd. Ab dem Moment aber, ab dem die Booster-Impfungen durch sind und die Personen geschützt sind, die sich schützen lassen können und wollen, dann fordern wir zumindest die Öffnung mit 2G+Modell. Und Öffnung bedeutet: ohne Abstand und ohne Maske. Das wird hoffentlich im Januar der Fall sein.“
Dass sich viele Menschen nicht impfen lassen würden, könne nicht der Grund für eine dauerhafte Schließung der Kultur sein. „Die aktuellen Zahlen können wir nicht beeinflussen, aber wir gehen davon aus, dass sie auch wieder runtergehen werden. Wenn dann keine Perspektive geboten wird, ist es eine absolute Katastrophe.“
Dass die dritte Impfung notwendig sein würde, wäre bereits im Sommer klar gewesen. Da habe die Politik geschlafen, so Kache.
Die Clubs gegen das Land Sachsen
Eine Klage gegen das Verbot des 2G-Optionsmodells sei derzeit in Vorbereitung, noch in dieser Woche solle diese eingereicht werden. „Wir haben inzwischen die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen prüfen lassen. Wir wollen schwarz auf weiß den Beweis haben, ob die Schließung der Clubs überhaupt geeignet ist, um die Pandemie nachhaltig zu beeinflussen.“
Das Problem sei vielmehr, dass durch die geschlossenen Clubs Feiern und Partys auf den privaten Raum verlagert würden. Dort allerdings gibt es nur wenige bis gar keine Kontrollen. „Deshalb wollen wir die Möglichkeit geben, das zu tun, was sie eh tun würden. Es gibt mehr Lösungen als einen Lockdown.“
Durchaus ist zu vermuten, dass die Kontrollen an den Clubtüren strenger sind, als an so manch anderen Orten. Der Blick auf den Ausweis der Gäste gehört für das Security-Personal schließlich nicht erst seit Corona und der Zeit der Impf- und Genesungszertifikate zum alltäglichen Geschäft.
An vielen Stellen würden die Kontrollen aufgrund mangelnden Personals aber nicht vorschriftsmäßig genau durchgeführt. „Unsere Meinung aber ist: Bevor man Maßnahmen verschärft, müssten die alten zunächst einmal richtig umgesetzt werden.“
Nicht viele Clubs hatten im September und Oktober Veranstaltungen durchgeführt. Dennoch werden sie immer wieder für Ansteckungen verantwortlich gemacht.
„Auch bei den Entscheidungsträger/-innen gilt das Paradigma: Die Bars und Clubs müssen geschlossen bleiben, das sind die Hotspots. Man muss außerdem bedenken, dass unsere Gäste etwa im Alter bis 35 Jahre und durchgeimpft sind. Meist ist deren Impfung noch nicht einmal sechs Monate her – anders bei den höheren Altersgruppen, die die Impfung eher erhalten hatten. Dort gibt es viel mehr Impfdurchbrüche. Dennoch wird alles in einen Topf geworfen.“
Und wer bezahlt’s?
Für die Betreiber/-innen gibt es derzeit zwei Hilfsmöglichkeiten: Zum einen, ihre Mitarbeiter/-innen in Kurzarbeit zu schicken und zum anderen die Überbrückungshilfe III Plus, die die Fixkosten der Häuser deckt. Diese läuft nach jetzigem Stand im Dezember aus. „Im Unterschied zum Lockdown Ende vergangenen Jahres, wurden bisher weder Zusagen noch Gesprächsangebote zum Thema Finanzhilfen gemacht“, so die LiSa.
Selbst diejenigen, deren gekürztes Gehalt aufgestockt wird, erleiden jedoch Einbußen durch das fehlende Trinkgeld. Der Erfahrung vieler Clubs nach reiche diese Überbrückungshilfe allerdings nicht aus, um „wirklich über die Runden zu kommen“. Die Wintermonate seien außerdem für die Clubs die „starken Monate“, in denen Reserven erarbeitet würden für die Sommermonate.
Es geht den Betreiber/-innen nicht um das „wilde Feiern“. Schließlich sehen sie sich auch als soziale Orte.
„Wir erlauben uns, nochmals darauf hinzuweisen, dass es ohne die Legalisierung sicherer Freiräume in jedem Fall zu einer nennenswerten Zunahme von Ansteckungen im Privaten und Verborgenen kommen wird – und zwar umso mehr, je länger dieser Zustand andauert. Wer das nicht hören will, ignoriert abermals die drängenden und berechtigten Bedürfnisse einer Generation von Heranwachsenden, die sich nicht ewig kaltstellen lassen, und hat entsprechende Medienberichte des vergangenen Jahres bereits verdrängt“, äußert sich die LiSa dazu.
Kache ergänzt: „Hier kommen Menschen zusammen, das ist ein wichtiger Bestandteil, gerade für junge Menschen. Mal abgesehen davon, dass sie Arbeitsplätze sind: Gerade Personen mit Minijob, die haben momentan gar nichts. Sie bekommen kein Kurzarbeitergeld oder ähnliches.“
Die LiSa formuliert daher eine ganz klare Forderung: „Die sächsische Clubkultur braucht […] jetzt eine adäquate finanzielle Unterstützung für die Zeit verordneter Schließung sowie sinnvolle Programme für den Neustart 2022.“
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