Mehrere Demonstrationen prägten am Samstag das Stadtbild Leipzigs: Die Global Space Odyssey zog durch die Straßen, diesmal mit dem Fokus auf der Klimakrise. Außerdem gingen linke Gruppen am ersten Todestag Mahsa Aminis auf die Straße und rund 300 Menschen besuchten das Jugendfestival Böhlen. In Brandenburg und Sachsen löste die Polizei zwei illegale Neonazi-Konzerte auf. Die LZ fasst zusammen, was am Wochenende, 16./17. September 2023, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.
Global Space Odyssey 2023 im Schulterschluss mit „Fridays for Future“
Erstmals rückte die jährlich in Leipzig stattfindende Tanzdemonstration Global Space Odyssey in diesem Jahr die Klimakrise thematisch in den Fokus. Etwa 1.500 Menschen versammelten sich am Samstag, 16. September 2023, um „auf die Notwendigkeit von Klima- und Artenschutz aufmerksam zu machen“.
Sie tanzten vom Connewitzer Kreuz über die Karli zum Wilhelm-Leuschner-Platz und von da durch Reudnitz bis kurz vors Völkerschlachtdenkmal, wo die Veranstaltung am Abend mit einem großangelegten Rave mit zwei Bühnen ausklang.
Hier geht es zum ausführlichen Bericht über die diesjährige Global Space Odyssey.
Live-Musik und Kreativität beim Jugendfestival Böhlen
Ebenfalls am Samstagnachmittag feierten und tanzten größtenteils junge Menschen beim Jugendfestival Böhlen (Landkreis Leipzig). Neben Live-Musik gab es vor Ort am Kulturhaus Böhlen mehrere Informationsstände von jugendfördernden Initiativen, beispielsweise vom Flexiblen Jugendmanagement Landkreis Leipzig, vom Verein Wheels ‘N’ Culture aus Zwenkau und vom Zukunftslabor Borna.
Während auf der Bühne die Künstler*innen Solace, Lausen, Nuso, KVW und DJ Felix Deluxe auftraten, konnten Besucher*innen Fußball, Jenga oder Mensch-Ärgere-Dich-Nicht spielen, T-Shirts bedrucken, sogenannte Seed Bombs bauen oder sich auf einer Plane beim Sprayen kreativ ausprobieren. Über den Tag verteilt waren nach Schätzungen unseres LZ-Reporters etwa 300 Menschen anwesend.
Das Jugendfestival Böhlen ist selbstorganisiert von Jugendlichen für Jugendliche und wird von der Regionalen Netzwerkstelle für Demokratie im Landkreis Leipzig koordiniert.
Polizei verhindert mehrere Neonazi-Konzerte
Gefeiert wurde (und wird) am Wochenende in Ostdeutschland auch in der Rechtsrockszene, am Samstagabend allerdings nicht allzu lang. Gleich zwei illegale Neonazi-Konzerte hat die Polizei am Samstag verhindern können: einmal einen Auftritt der rechtsextremen Band „Kategorie C“ in Forst (Lausitz) und einmal ein weiteres Neonazi-Konzert im Süden Dresdens.
In Forst sei die Headliner-Band bereits vor Ort gewesen, als die Polizei die unangemeldete Veranstaltung auflöste, so die Schilderungen der Behörden. Die Beamt*innen nahmen die Identitäten von 60 Anwesenden auf und erteilten Platzverweise. Nach Angaben der Polizei sollen Mitglieder der rechtsextremen Bruderschaft „Brigade 8“ die Veranstaltung organisiert haben.
Das zeitgleich geplatzte Neonazi-Konzert in Dresden-Gittersee hatte zum Zeitpunkt der Auflösung durch die Polizei bereits knapp 80 Gäste. Laut der Polizeidirektion Dresden trafen die Einsatzkräfte gerade ein, als die Bands anfangen wollten, zu spielen. Auch hier nahmen die Beamt*innen die Personalien der Anwesenden auf, die aus Deutschland, Polen und Tschechien kamen.
Vor Ort wurde nach Angaben der Polizei Neonazi-Merch, teils mit verbotenen Symbolen, angeboten. Die Polizei stellte mehrere rechtsextreme Banner und weitere Merch-Artikel sicher. In neun Fällen wird nun unter anderem wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung ermittelt.
Und am heutigen Sonntagabend geht es weiter: In Eisenach (Thüringen) versammelt sich die rechte Szene erneut, diesmal ein Konzert der Landser-Nachfolger-Band Lunikoff, das allerdings angemeldet ist. Vor Ort stehen die Gäste und genauer Beobachtung der linken Szene – darunter die Linken-Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss, die seit Jahren die Zusammenhänge zwischen Rechtsrock und rechter Gewalt am Beispiel der lokalen Neonazi-Szene aufzeigt.
Feministischer Aufzug zum ersten Todestag von Jina Mahsa Amini
Ein Jahr ist es her, dass die 22-jährige Kurdin Jina Mahsa Amini nach ihrer Festnahme durch die iranische Sittenpolizei starb, vermutlich infolge massiver Polizeigewalt. Ihr Tod löste im vergangenen Jahr eine Protestwelle im Iran und weltweit aus, die vorrangig von Frauen getragen wurde. Zum ersten Jahrestag ihres Todes versammelten sich am 16. September überall auf der Welt Menschen, um an den Freiheitskampf der Iraner*innen zu erinnern – auch in Leipzig wurde demonstriert.
Ungefähr 80 Menschen – die meisten von ihnen um die 20 Jahre alt – folgten am Samstagabend dem Aufruf verschiedener linker Gruppen und versammelten sich auf der Sachsenbrücke. Von dort aus zogen sie Parolen rufend und Fahnen schwenkend durchs Musikerviertel und über die Karl-Liebknecht-Straße. Am Südplatz endete die Demonstration mit Redebeiträgen der Initiativen Zora Leipzig, Young Struggle und dem Frauenkollektiv, die zu der Versammlung aufgerufen hatten.
Die Demonstrierenden wollten vorrangig Frauen und Mitglieder der LGBTQI-Community ermutigen, für ihre Rechte einzustehen. Auch der Slogan „Jin, Jiyan, Azadi“ (dt. „Frau, Leben, Freiheit“) – die aus der kurdischen Freiheitsbewegung stammende feministische Parole, die zum zentralen Spruch der Proteste im Iran geworden ist – war am Samstag in Leipzig zu hören.
Zentrale Forderung der Versammlung war die Zerstörung des Patriarchats, doch auch die deutsche Außenpolitik war Thema. Die Teilnehmer*innen gaben der Bundesregierung eine Mitschuld an staatlichen Repressionen im Nahen Osten, etwa an den völkerrechtswidrigen Angriffen der Türkei auf kurdische Gebiete in Syrien und im Irak. So hieß es etwa im Chor: „Iran, Irak, Syrien, Türkei – Bei jeder Schweinerei ist die BRD dabei.“
Präsent waren anti-kapitalistische, kommunistische Gruppen wie die Kommunistische Jugend und Young Struggle – eine Gruppe aus dem sogenannten anti-imperialistischen Spektrum, die in der Vergangenheit aufgrund ihrer pro-palästinensischen Rhetorik von Kritiker*innen als antisemitisch bezeichnet wurde. Auch die Flagge der in der Türkei verbotenen Marksist Leninist Komünist Parti (MLKP) wurde geschwenkt.
Zeitgleich kam es im Iran bei Protesten zum ersten Todestag Aminis am Wochenende erneut zu Festnahmen.
Worüber die LZ am Wochenende außerdem berichtet hat:
Vom Schleußiger Weg zum Teilungswehr: SPD-Fraktion beantragt Asphalt für den Elsterradweg
PARK(ing) Day in Leipzig: Höchste Zeit, Straßenräume neu zu gestalten
Nach Corona: Die LVB fahren längst wieder in Richtung 150 Millionen Fahrgäste
Was am Wochenende noch wichtig war: Aktivist*innen der „Letzten Generation“ haben das Brandenburger Tor in Berlin am Sonntag aus Protest gegen die Klimapolitik der Bundesregierung großflächig mit oranger Farbe besprüht. Alle sechs Säulen des Berliner Wahrzeichens glitzerten danach orange in der Spätsommersonne und gaben ein ungewöhnliches Bild für die Tourist*innen ab. Die Polizei ermittelt wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung.
Was morgen wichtig wird: Ab morgen reinigen die Leipziger Wasserwerke die Abwasserkanäle in der Leipziger Innenstadt. Aufgrund der hohen Verkehrsbelastung finden die Arbeiten nach Angaben der Stadt nur in der Nacht statt, und zwar im Zeitraum zwischen 22 und 5 Uhr. Dann werden Großfahrzeuge durch die Fußgängerzone rollen, die insgesamt rund 5,5 Kilometer Kanalnetz reinigen. Außerdem kommen Videoroboter zum Einsatz, die den Zustand der Kanäle dokumentieren sollen. Die Kanalreinigungen sollen bis Ende September andauern.
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