Der ehemalige DDR-Ministerpräsident Hans Modrow, bis zuletzt engagierter Mitstreiter der Linken, verstarb im Alter von 95 Jahren in Berlin. Kurz vor dem Jahrestag der großflächigen Angriffe auf Dresden am Ende des Zweiten Weltkriegs demonstrierten am Samstag viele Menschen gegen einen instrumentalisierenden Neonazi-Aufmarsch in der Elbestadt. Und: In Berlin wird am Sonntag die Abgeordnetenhauswahl von 2021 wegen gravierender Pannen wiederholt. Die LZ fasst zusammen, was am Wochenende, dem 11./12. Februar 2023, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.
Hans Modrow verstorben: reformgläubiger Sozialist, Kritiker, „rote Eminenz“
Er leitete die Annäherung der untergehenden DDR an die Bundesrepublik ein, sprach mit Kohl und Gorbatschow, mischte auch nach der Wiedervereinigung engagiert in der Politik mit: Hans Modrow, DDR-Ministerpräsident von November 1989 bis April 1990, verstarb, wie am Wochenende bekannt wurde, in der Nacht zum Samstag. Erst Ende Januar war er 95 Jahre alt geworden.
Bescheiden, vernünftig und moralisch integer, ein Held des Rückzugs, streitbar bis zum Schluss: Erinnerungen an Hans #Modrow https://t.co/clJ8pBYloX
— ZEIT ONLINE (@zeitonline) February 11, 2023
Der Sohn eines Seemanns und Bäckers hatte nach einer Maschinenschlosser-Ausbildung in der Freien Deutschen Jugend (FDJ), der Nachwuchsorganisation der SED, die Karriereleiter erklommen. Über 30 Jahre saß er in der DDR-Volkskammer und über 20 Jahre im Zentralkomitee der herrschenden SED. Erst in der Zeit des Umbruchs schaffte es der Funktionär allerdings auch ins Politbüro, den höchsten Machtzirkel der DDR.
Den Erhalt der DDR musste er aufgeben
Nach dem Rückzug des schier übermächtigen Erich Honecker wurde Modrow im November 1989 Ministerpräsident der DDR und neben Gregor Gysi Parteivorsitzender. Als Regierungschef konnte er aber nur noch den Abgesang des „Arbeiter- und Bauernstaats“ moderieren, die Idee von dessen Eigenständigkeit beerdigte er bald und übergab die Amtsgeschäfte nach der Volkskammerwahl vom 18. März 1990 an den Vorsitzenden der DDR-CDU, Lothar de Maizière.
Später saß er im Bundestag und im EU-Parlament, war Ehrenvorsitzender der PDS und brachte sich noch bis 2022 als Vorsitzender des Ältestenrats der Linken aktiv ins politische Tagesgeschäft ein. Der „Spiegel“ bezeichnete ihn als „rote Eminenz.“ Schon in den achtziger Jahren genoss Modrow den Ruf eines vorsichtigen Kritikers, der dem Reformkurs der Sowjetunion anhing und nicht jene bornierte Betonköpfigkeit an den Tag legte, wie sie so vielen anderen DDR-Parteikadern zu Eigen war.
Eindeutige Distanz zum diktatorischen System der DDR zeigte der zweifache Vater, der nach eigener Aussage vom BND bespitzelt wurde, jedoch auch nach 1989/90 nie. Seine Enkel und Urenkel erlebten „keinen mit sich hadernden älteren Verwandten“, sagte er vor ein paar Jahren in einem Interview.
Rechtsextreme Umdeutung und Geschichtsklitterung
Kurz vor dem Jahrestag der Bombardements Dresdens am Ende des Zweiten Weltkriegs haben am Samstag hunderte Menschen in der Elbestadt gegen einen Aufmarsch von Rechtsextremisten demonstriert. Fast 1.900 Polizistinnen und Polizisten waren im Einsatz, um die Versammlungen im Stadtgebiet abzusichern und ein Aufeinandertreffen von Neonazis und deren Gegnern zu unterbinden.
Wir beenden unseren Einsatz zu #dd1102. Einsatzkräfte sind aber weiter im Stadtgebiet präsent.
Hier die abschließenden Polizeimeldung der Polizeidirektion #Dresden: https://t.co/2qEW81URkL pic.twitter.com/nrFVEbH6Cs
— Polizei Sachsen (@PolizeiSachsen) February 11, 2023
Zum historischen Hintergrund: Dresden war am 13. Februar 1945 und den Folgetagen massiv durch britische und amerikanische Bomber beschossen worden, die Schätzungen über die Opferzahlen reichen bis zu 25.000 – ganz genau wird man es wohl nie erfahren. Rechtsextremisten, die auch am Samstag zum sogenannten „Trauermarsch“ aufgerufen hatten, werten die alliierten Bombardements kurz vor Kriegsende im Mai 1945 einseitig als Verbrechen an der deutschen Bevölkerung.
Aus Sicht der breiten wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Mehrheit stellt dieses Opfer-Narrativ eine unerträgliche Relativierung der deutschen Schuld an Krieg und Massenvernichtung dar.
Zahlreiche Strafanzeigen – mutmaßlicher Holocaustleugner gefasst
Anlässlich des rechten „Trauermarschs“ am Samstag postierten sich hunderte Gegendemonstranten entlang der Aufzugsstrecke und stellten sich durch laute Rufe, Musik und Transparente den geschätzt 1.000 Rechtsextremen entgegen, die sich vom Vorplatz des Bahnhofs aus in Bewegung setzten. Unter den rechten Geschichts-Umdeutern befand sich auch der unter dem Namen „Volkslehrer“ bekannte Nikolai Nerling (mit Pressearmbinde), der unter anderem wegen Volksverhetzung bereits gerichtlich verurteilt wurde, konkret wurde ihm etwa eine Verharmlosung des Holocaust vorgeworfen.
Der Demotag, der in der Landeshauptstadt mit erheblichen Verkehrseinschränkungen einherging, wurde aus polizeilicher Sicht insgesamt positiv gewertet, da die Versammlungen hätten gewährleistet werden können, ohne dass es zu einer Konfrontation der Lager kam, sagte Dresdens Polizeipräsident Lutz Rodig. Dagegen wurde der Polizeieinsatz vielfach als überzogen kritisiert, die Route der Rechtsradikalen sei hermetisch abgeriegelt gewesen, was den Gegenprotest erschwert habe, so der Vorwurf.
Nach Polizeiangaben wurden knapp 20 Ermittlungsverfahren eingeleitet: So müssen sich vier Mitglieder des rechtsextremen Lagers wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz bzw. Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verantworten. Mehrfach wurde der „Trauermarsch“ zudem wegen Gefährderansprachen gestoppt.
Auch auf der Gegenseite gab es Strafanzeigen wegen Landfriedensbruchs, Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, Beleidigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Zudem konnte im Lager der Rechtsextremen ein 68-Jähriger festgenommen werden, dem Holocaustleugnung vorgeworfen wird.
Worüber die LZ am Wochenende berichtet hat:
über den Baumverlust am Wilhelm-Leuschner-Platz,
eine Kohle-Ausstellung 2025/26,
die Berliner Luisenstadtkirche,
einen zutiefst ostdeutschen Roman,
Leipzigs enorme Investitionsplanungen,
eine gescheiterte Klage gegen den Kiesabbau,
über blaugrüne Seitenstraßen,
die Forderungen der LVB-Mitarbeiter,
die Bundesliga-Spitzenpartie von RB gegen Union Berlin
und den Haushalt Leipzigs im riskanten Fahrwasser.
Was sonst noch wichtig war: Wer regiert künftig Berlin? Am Sonntag fand, einem gerichtlichen Entscheid entsprechend, die Wiederholung der Wahl zum Abgeordnetenhaus statt. Der neue Termin war notwendig, weil es bei der ursprünglichen Wahl am 26. September 2021 zu massiven Unregelmäßigkeiten und Problemen bei der Wahldurchführung gekommen war.
Die ersten Hochrechnungen deuten auf einen Rückschlag für die SPD hin, die in etwa auf gleichem Niveau mit den Grünen und deutlichem Abstand auf die CDU folgt. Die Linken könnten viertstärkste Kraft werden, gefolgt von der AfD, während die FDP aus dem Rennen sein könnte. Die CDU sieht schon jetzt den Regierungsauftrag klar bei sich. Der Abend dürfte noch spannend werden – hier geht es zum Ticker der ARD.
„Bestenfalls naiv”, so heißt es: Ein von der linken Politikerin Sahra Wagenknecht (53) und der Feministin Alice Schwarzer (80) angeführter Appell zur Beendigung des Ukraine-Kriegs durch Verhandlungen mit Russland erntete (und erntet weiter) viel Gegenwind.
Aliens oder doch ganz banale, irdische Spionage? Erneut ist ein rätselhaftes Flugobjekt über Nordamerika aufgetaucht – Kanadas Premier Justin Trudeau (51) ließ den Gegenstand mithilfe des US-Militärs abschießen.
Was morgen wichtig wird: In Erinnerung an die Bombardierung Dresdens und das Kriegsende 1945 sind morgen Abend in der sächsischen Landeshauptstadt viele Gedenkveranstaltungen geplant, unter anderem gibt es auch wieder eine symbolische Menschenkette um die Innenstadt.
Sechs Monate nach der tödlichen Attacke auf eine 25-jährige Transgender-Person beim Christopher Street Day (CSD) in Münster steht ab morgen ein 20-Jähriger vor Gericht. Der mutmaßliche Angreifer ist wegen Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt – er soll das Opfer Malte C. am Rande des CSD so brutal geschlagen haben, dass dieses nach einem Sturz in die Klinik kam und dort verstarb. Zuvor habe Malte C. den späteren Täter zurechtgewiesen, weil dieser Teilnehmer des CSD bedrohte, so die Staatsanwaltschaft. Verhandelt wird am Landgericht Münster.
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