In seinen Erinnerungen berichtet Richard Wagner über den großen Eindruck, den Wilhelmine Schröder-Devrient (*16.12.1804 in Hamburg; † 26.01.1860 in Coburg) im und als „Fidelio“, große Oper von Beethoven, am 21. März 1834, ihrer dritten Vorstellung im 1766 erbauten Leipziger Theater (hier, wo sie „das Publicum als ‚Fidelio‘ zu glühender Begeisterung hinriß“) machte. Gleich nach der Vorstellung schrieb er einen Brief an sie mit der Erklärung seines tiefen Eindrucks, den sie und ihr Auftreten auf ihn und sein Lebensgefühl gemacht habe.
Sie möge sich, so seine Hoffnung, an diesen Tag erinnern, wenn sein Name in der Kunstwelt einmal rühmend erwähnt werden würde. (Sie hob den Brief auf, hat ihn Wagner später gezeigt!)
In drei Uraufführungen seiner Bühnenwerke wirkte die Schröder-Devrient mit: als „Adriano“ im „Rienzi“ (20.10.1842), als „Senta“ im „Fliegenden Holländer“ (02.01.1843) und als „Venus“ im „Tannhäuser“ (19.10.1845).
Einen Eindruck von damaliger Wertschätzung der Devrient gewinnt man durch einen Blick in die „Zeitung für die elegante Welt“ Nr. 5 vom 7. und Nr. 6. vom 8. Januar 1833. Der Beitrag „Wilhelmine Schröder-Devrient“ erstreckt sich über sieben Seiten und seine Tendenz kann folgenden Worte entnommen werden:
„Die Art, wie sie singt, wirft die Oper auf eine ganz neue Bahn und bringt ein ganz neues Verhältniß zwischen Oper und Schauspiel hervor – ihr Genre eröffnet eine weite Aussicht auf große fortschreitende Veränderungen, ihr Genre wirft den Nebel vom Meere der zukünftigen Kunst und läßt einen Augenblick die Speculation in neuen Aussichten schwelgen, ihr Genre regt wie das tiefe Gedicht alle höheren, inneren Thätigkeiten an, und das ist mehr als die Befriedigung der oberflächlichen …
Mad. Schröder-Devrient beschenkt wie eine Königin die empfänglichen Gemüther mit den strahlenden Gaben einer unzerstörbaren Herrlichkeit, sie gewährt den Reiz einer ahnungsreichen Gegenwart, deren Zukunftspforten sich klingend aufthun und eine zauberhafte Fernsicht entfalten. – Madame Schröder-Devrient ist eine Opernsängerin, und sie zeigt, was man mit der Oper wollen und ausrichten kann.
Sie singt nicht einen Gesang, sie singt eine Rolle; sie singt nicht die einzelnen Nummern, sie singt die ganze Partie – sie gibt uns nicht blos Musik, sondern sie gibt uns durch die Musik das, was wir immer vermißten, und was die Opern trotz des vielen Klingklangs leer und hohl machte, sie gibt uns die Poesie.“
Sie gilt heute als die größte deutsche Gesangstragödin des 19. Jahrhunderts.
Wie es zu ihrem „Schwanenlied“ kam
Sie war aber nicht nur das, wie folgende Episode aus ihrem Leben zeigt.
Ludwig Hartmann (1836–1910), selbst als Komponist und Musikkritiker vom Fach, berichtet darüber am Jahresende 1880 im „Musikalischen Wochenblatt“.
Diese trug sich während der Konzertsaison im Winter des Jahres 1859 zu, ein knappes Jahr vor ihrem Tode. Die Schröder-Devrient lebte damals im russischen Livland auf den Gütern ihres dritten Gatten Herrn von Bock in unerträglicher Langeweile. So reiste sie schließlich nach Dresden, wo sie als Hofopernsängerin von 1823 bis 1847 gewirkt hatte. Nun, hier wieder in Dresden, sang sie in einem von Carl Heinrich Hübler (1822–1893) gegebenen Konzert.
Den Waldhornisten und königlichen Kammermusiker kannte sie noch als Freund aus früheren Zeiten. Gemeinsam hatten sie unter Richard Wagner eine Glanzzeit der Dresdner Oper miterlebt. Ihrem Gesang merkte man jetzt aber das Alter an, und ihre Stimmtechnik reichte gerade noch zum breiten dramatischen Gesang.
Die Zeiten, in denen sie einst mit „jener Leonore Beethoven’s, die einst ganz Wien in Extase versetzt hatte und später für R. Wagner die unübertroffensten Ideale seiner ersten musikdramatischen Frauengestalten schuf“, waren vorbei.
Sie zog sich immer mehr zurück, wohnte zuletzt bei der russischen Familie von Poël. An den Abenden wurde viel vorgetragen, gesungen und musiziert. Der anwesende Hartmann spielte auf einem Blüthner-Flügel, und die Devrient sprach ab und zu Texte mit seiner Klavierbegleitung. So war es denn eines Abends im März 1859, als nach einer solchen Rezitation die Künstlerin erschöpft auf ihre Liege zurücksank, dann aber plötzlich ein Notenheft vom Klavier verlangte.
„Ohne Weiteres riß sie die Endseite ab, legte das rückwärtig weisse Blatt auf ihres Schoss und schrieb in grossen Lettern mit Blei ein Gedicht auf, ,Schwanenliedʻ.
Es lautet:
Ein Schwan zieht auf dem See;
Du hörst kein Lied ihn singen,
Ihn drückt ein tiefes Weh;
Möcht sich zur Sonne schwingen.
Die Erde zieht ihn nieder,
Die Flügel sind zu schwach,
Und schweigend, ohne Lieder,
Zieht er der Sonne nach.
Und tief in seiner Brust
Wachsen die heissen Gluthen –
Da plötzlich unbewusst
Hebt es ihn aus den Fluthen.
Mächtig rauscht sein Gefieder,
er singt – o selger Klang! –
Und sterbend taucht er nieder,
Sein Herz vor Lust zersprang. –
Wilhelmine Schröder-Devrient.“
Danach bat sie Hartmann, ihr Gedicht zu vertonen, was er dann auch bald tat und in sein Werk als Op. 41 einordnete.
Ehrendes Gedenken in Lyrik und umfangreicher Prosa des Erinnerns
Schon zwei Tage nach ihrem Tode widmeten die „Dresdner Nachrichten“ (28.01.1860, 5. S.) „Dem Andenken einer hohen Künstlerin. Frau Schröder-Devrient“ ein Gedicht von sechs Strophen mit jeweils acht Zeilen.
„Die Gartenlaube“, das illustrierte Familienblatt aus Leipzig, brachte in Heft 11/1860 und 13 weiteren Heften die „Erinnerungen an Wilhelmine Schröder-Devrient“ der Schriftstellerin Claire von Glümer (1825–1906) heraus, und zwei Jahre später erschien ihr 290 Seiten umfassendes Buch unter demselben Titel im Leipziger Verlag von Joh. Ambros. Barth.
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