Wenn man das kürzlich erschienene Buch „Zauber der Stille – Caspar David Friedrichs Reise durch die Zeiten“ von Florian Illies liest, dann kann man nur über die Vielfalt der Details staunen, die der Autor über den Maler zusammengetragen hat. Dabei war Friedrich um 1900 fast vergessen. Ausgerechnet ein Norweger, der Kunstforscher Andreas Aubert, „öffnete den Deutschen die Augen für die Größe Friedrichs“. Heute gilt er als der bedeutendste deutsche Maler der Romantik, wenn nicht gar des gesamten des 19. Jahrhunderts.

Aubert entdeckte 1909 Friedrichs Gemälde „Das Große Gehege“ in der Kammer der Gräfin Sophie Elisabeth von Nostitz und Jänkendorf, die im vornehmen Frauenstift Joachimstein zu Redmeritz (dem heutigen Radomierzyce) in der Oberlausitz lebte. Diese Entdeckung war die Initialzündung der großen Verehrung von Caspar David Friedrich, dessen 250. Geburtstag dieses Jahr gefeiert wird.

Ein bekannter Porträtmaler

Bei der Nennung des Namens des Adelsgeschlechts Nostitz und Jänkendorf dürften die Kuratoren der Schlossmuseen in Köthen und Dessau hellhörig geworden sein, denn es gibt eine seltsame Verknüpfung mit einem anderen Künstler, dem Wiedemarer Maler Christoph Gottfried Ringe (1713–1797).

Dieser fertigte 1751 ein Porträt des königlich preußischen Rittmeisters Johann Heinrich Gottfried von Nostitz und Jänkendorf an, der ein Ururgroßvater der Sophie Elisabeth gewesen ist. Ringe gilt wiederum als einer der großen deutschen Porträtisten der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, der anders als Friedrich nie ganz vergessen war.

Das ist sicherlich nicht seiner Meisterschaft als Maler zuzuschreiben, sondern vor allem der Tatsache, dass unter den Personen, die Ringe einst porträtierte, Angehörige des Hochadels waren, wie zum Beispiel die aus Glesien stammende Fürstin Agnes Wilhelmine von Anhalt-Köthen, geb. von Wuthenau.

Von dem Maler existieren heute noch ein gutes Dutzend hochwertiger Ölgemälde sowie zahlreiche Kupferstiche, letztere vor allem von Pastoren und anderen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Bemerkenswert ist die von Ringe einst angefertigte Kopie des von dem berühmten Antoine Pesne stammenden Gemäldes der Fürstin Anna Luise von Anhalt-Dessau, der Gemahlin des Alten Dessauers.

Pesnes Porträt der Anna Luise, das in den Wirren am Ende des 2. Weltkrieges verloren ging, ist also durch Ringes Kopie überliefert. Außerdem unterrichtete er seine Töchter in der Kunst des Malens. Seine älteste Tochter Anna Friederica Regine wurde später eine anerkannte Malerin in Magdeburg, die zweitälteste Sophie Charlotta avancierte zu einer bedeutenden Malerin in Bremen.

Ringe in Wiedemar

Aber Ringe war aber nicht nur ein begnadeter Maler und Grafiker. Er befasste sich darüber hinaus mit der Konstruktion einer Draisine und eines Fluggerätes. Diese Bemühungen waren nicht von Erfolg gekrönt und führten letztendlich zum Zerwürfnis mit dem Fürsten Karl Georg Lebrecht von Anhalt-Köthen, bei dem Ringe eine Anstellung als Hofmaler innehatte. Ringe kündigte den Dienst und übersiedelte 1753 mit seinen vier Töchtern – seine Ehefrau war zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben – nach Wiedemar, wo er ein Bauerngut erworben hatte. Dort führte er den Anbau von Kartoffeln (Erdbirnen, Erbern) ein, mit Erfolg.

Als Folge von Schikanen durch preußische Husaren im Siebenjährigen Krieg floh Ringe nach Halle und lebte später in Magdeburg und Hamburg. Als er immer schlechter sehen konnte (sein „Gesicht wurde blöd“) und daher das Malen und Kupferstechen aufgeben musste, kehrte er zurück auf sein Bauerngut in Wiedemar, wo er schließlich hochbetagt starb.

Ein Künstler im Abseits?

Caspar David Friedrich hat zeitlebens um Anerkennung gerungen; meist vergeblich. Eine Stelle als ordentlicher Professor für Landschaftsmalerei an der Dresdner Akademie blieb ihm versagt. Der Dichterfürst Johann Wolfgang Goethe, dem Friedrich seine Aufwartung machte, soll gar eines seiner Gemälde aus Zorn an einer Tischkante zerschlagen haben. Dem Vertreter der Klassik war die Romantik suspekt.

Dagegen wurde Christoph Gottfried Ringe erst posthum die Anerkennung verweigert und als gescheiterte Existenz dargestellt. Selbst der Züricher Kunsthistoriker Peter Cornelius Claussen beschreibt Ringe in einem 2007 erschienenen Aufsatz als einen Künstler, der sich „absolut im Abseits“ befand. Er folgt darin einer Biografie Ringes, die der Wiedemarer Pfarrer Christian Salomon Pollmächer „zum Besten armer Schüler“ 1797 verfasst hatte – eine anonym verfasste Schmähschrift. Aber wird man dem Künstler damit gerecht?

Ringe war eine Persönlichkeit, die bedingungslos die Freiheit wählte und dafür materielle Nachteile in Kauf nahm, eine Tugend, die selten geworden ist. Sein Lebensentwurf ähnelt dem des Komponisten Johann Ludwig Böhmer (1787–1860), der als „Thüringer Mozart“ in die Musikgeschichte eingegangen ist. Ja, und hat sich denn nicht zu allen Zeiten ein sehr großer Teil der Künstler einer Bürgerlichkeit verweigert?

Bilder in Auktion

Und Christoph Gottfried Ringe macht auch heute noch von sich reden. So eigneten sich vor einigen Jahren Kunsträuber das von Ringe angefertigte Bildnis des Benedikt Gilbert Flügge an – auf unredliche Weise. Ferner wurde das oben genannte Gemälde des Johann Heinrich Gottfried von Nostitz und Jänkendorf vor etwa zehn Jahren für 1.600 Euro im Auktionshaus Schloss Ahlden zum Verkauf angeboten und schließlich von einem privaten Bieter für einen wesentlich höheren Betrag erworben.

Vor mehr als zwei Jahren, im April 2022, gab es eine spektakuläre Wiederentdeckung eines Porträts (wahrscheinlich eines Selbstporträts) des Malers. Dieses Porträt war von einem Laien übermalt worden, und das Original konnte röntgenografisch an der Radiologie des Stendaler Johanniter-Krankenhauses rekonstruiert werden – natürlich nur teilweise.

Außerdem wird seit wenigen Wochen ein Ölgemälde Ringes („Drei Pastoren“, datiert 1745) im Auktionshaus Bergmann in Möhrendorf bei Erlangen angeboten. In einem Gutachten von Sotheby’s ist dieses Gemälde mit 7.000 Euro bewertet.

Das Bild zeigt Christoph Gottfried Ringe kurz vor seinem Tod in Wiedemar. Es handelt sich hierbei um einen Kupferstich, der 1797 von Johann Peter Blanchard nach einer Zeichnung von C. Schulze angefertigt wurde. Dieser Blanchard war aber nicht nur ein Kupferstecher, sondern er teilte mit Ringe auch die Leidenschaft fürs Fliegen. Blanchard war der erste Mensch, der in einem Heißluftballon den Kanal überquerte (am 6. Juli 1791). Also war Ringe bis zuletzt integriert in eine weltläufige Künstlergesellschaft – kein Abseits, Herr Claussen!

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