Kirchenbauwerke gehören zu vielen Ortschaften. Sie sind bekannt als Wahrzeichen, Ortsmittelpunkt oder Orientierungsmarke. Die Gotteshäuser haben architektonisch, kunsthistorisch und regionalgeschichtlich vielfältige Bedeutung. Heute geht es um ein Gotteshaus in Leipzig, das eng mit der Friedlichen Revolution 1989 verbunden ist. Die Lukaskirche ist ein evangelisches Gotteshaus im Leipziger Osten im Zentrum des Ortsteils Volkmarsdorf.

Der mit Spitzhelm bekrönte, 71 Meter hohe Kirchturm ist das weithin sichtbare Wahrzeichen des Stadtteils.

Anlass für den Bau der historistischen, vorwiegend neugotischen Kirche aus rotem Backstein von 1891 bis 1893 war der Aufstieg von Volkmarsdorf zum bevölkerungsreichen Arbeiter-Wohnort von Leipzig.

In den 1980er-Jahren war die Lukasgemeinde ein Treffpunkt der Menschenrechts- und Umweltbewegung kurz vor der Friedlichen Revolution in der DDR. Die Kirchgemeinde fusionierte 2002 mit Sellerhausens Emmauskirchgemeinde zur Kirchgemeinde Sellerhausen-Volkmarsdorf. Seit 2015 nutzt die altlutherische St. Trinitatisgemeinde Leipzig der altlutherischen Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) den Sakralbau.

Baugeschichte

Das Vorwerk und spätere Rittergut Volkmarsdorf gehörte bis 1891 zur Parochie Schönefeld. Mit dem Bevölkerungsboom Leipzigs während der Hochindustrialisierung stieg auch die Einwohnerzahl Volkmarsdorfs in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sprunghaft an.

1890 wurde Volkmarsdorf in die Stadt Leipzig eingemeindet. Am 1. Mai 1891 wurde eine eigenständige evangelisch-lutherische Kirchgemeinde gegründet und der Bau einer geräumigen Kirche beschlossen. Mit den Bauplanungen wurde der Leipziger Architekt Julius Zeißig beauftragt. Am 9. August 1891 war die Grundsteinlegung auf dem Volkmarsdorfer Markt südlich der Eisenbahnstraße.

Am 19. März 1893 (Judika) wurde die nach dem Evangelisten Lukas benannte Kirche mit einem Festgottesdienst eingeweiht. Zu diesem Zeitpunkt zählte die Gemeinde etwa 18.000 Mitglieder.

Die Lukaskirche Leipzig (MOdmate, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Lukaskirche_volkmarsdorf2.jpg
Lukaskirche Leipzig (Modmate, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Lukaskirche_volkmarsdorf2.jpg)

Architektur und Ausstattung

Sowohl die äußere Form als auch die innere Gestaltung der Kirche sind vom ausgehenden Historismus – insbesondere der Neugotik – geprägt. Das offene, hallenartige Kirchenschiff ist insgesamt 46 Meter lang und 21 Meter breit. Es wird auf beiden Seiten durch fünf große Fenster erhellt und öffnet sich dem dreiseitig geschlossenen, schlichten Chorraum. Dessen linker Anbau diente als Trau- und Taufkapelle bzw. als Unterrichtsraum für Konfirmanden, im rechten Anbau ist die Sakristei untergebracht.

Als besonders wertvoll gelten die fünf szenischen Fliesenbilder in den Bogenfeldern der Eingänge, deren Entwürfe von Erhard Lieberstein, Professor an der Leipziger Kunstakademie, stammen und welche die Firma Villeroy & Boch aus Dresdens Stadtteil Leipziger Vorstadt schuf.

Das Innere des Kirchenschiffs ist stark geprägt von der freitragenden, ursprünglich mit Farbe und Gold abgesetzten Holzdecke; hölzerne Emporen, Gestühl und Wandpaneele fügen sich zu einem wirkungsvollen Ganzen. Ein Rosettenmuster überzog teppichartig Wände und Decken der Choranbauten.

Das große Fenster im Altarraum, gefertigt von der Firma Türcke & Schlein aus Zittau, bildet dabei den Blickpunkt des Innenraumes: In vier spitzbögigen Öffnungen sind die Evangelisten dargestellt, den anderen Raum füllt eine ornamentale Rose mit dem Bild des erhöhten Christus in der Mitte.

Die ehemals prächtige und aufwändige Innengestaltung lässt sich heute kaum noch erahnen. Ursache sind zum einen die Luftangriffe auf Leipzig gegen Ende des Zweiten Weltkrieges insbesondere am 6. April 1945, bei denen der Kirchturm beschädigt, ein Drittel der Kirchenfenster zerschlagen und eine Tür schwer getroffen wurden. Im Vergleich mit anderen Kirchen in Leipzig sind jedoch die Kriegsfolgen für das Gotteshaus geringfügig gewesen.

Zum anderen blieb auch aufgrund der Umbauten nur wenig der originalen Ausstattung erhalten. Fünf Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die stark beschädigten Kirchenfenster neu verglast, 1957 der reparaturbedürftige Turm ausgebessert.

Bei Umbauarbeiten ab 1964 wurden die hölzerne Ausstattung des Altarraumes und der vordere Teil der Kirchenbänke im Kirchenschiff entfernt, ebenso die Kanzel und der Altar. Die Altarplatte fand beim Bau des neuen, schlichten Altartisches Verwendung. Der so umgestaltete Altarraum konnte nun für kleinere Gottesdienste genutzt werden. Bei den jüngsten Renovierungsarbeiten wurde auch die Fassung der Decke vereinfacht.

An die Umgestaltung des Stadtteils in den 1980er Jahren, den Abriss der noch vom Krieg beschädigten drei- und viergeschossigen Wohnhäuser und ihre Ersetzung mit Plattenbauten erinnert das Kreuz im Altarraum: Es wurde aus Dachbalken eines benachbarten Abrisshauses gefertigt.

Orgel

Im Jahr 1893 baute die Firma Rühlmann aus Zörbig die pneumatische Orgel mit 32 Registern, zwei Manualen, Pedal und neugotischem Prospekt ein. 1936 und 1939 veränderte die Firma Jehmlich aus Dresden umfangreich. Die Reparatur der mehrere Jahrzehnte nicht mehr bespielbaren Orgel gab es im Jahr 2018.

Geläut

Bis 1914 läutete im Kirchturm ein Geläut aus drei Bronze-Kirchenglocken mit den Tönen a, d und f. Zwei von ihnen mussten im Ersten Weltkrieg als sogenannte Metallspende für Rüstungszwecke abgegeben werden. Seit 1922 gibt es ein Geläut mit drei Stahlglocken, gefertigt vom Bochumer Verein, mit der Tonfolge cis’, e’ und g’.

Jüngere Vergangenheit

In den 1980er Jahren entwickelte sich die Lukaskirche zu einem Sammelpunkt von DDR-Oppositionellen. 1986 gründete sich die Arbeitsgruppe Menschenrechte mit Pfarrer Christoph Wonneberger, die später eng mit dem Arbeitskreis Gerechtigkeit Leipzig zusammenarbeitete.

Eine Gedenktafel an 1989 an der Lukaskirche (Don-kun, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=42976659) 
Gedenktafel an 1989 an der Lukaskirche (Don-kun, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=42976659)

Das Konzert des Liedermachers Stephan Krawczyk am 22. März 1987 war Anlass einer Rüge für Pfarrer Christoph Wonneberger seitens der Kirchenleitung. Vom 6. bis 9. Juli 1989 wurde anlässlich des Kirchentages der Landeskirche Sachsens der statt-Kirchentag veranstaltet – er richtete sich gegen den Ausschluss politisch kritischer Gruppen aus dem offiziellen Kirchentags-Geschehen.

Mehrfach fanden Treffen des Sonnabendskreises im zugehörigen Gemeindehaus statt. Auch der bedeutsame „Appell zur Gewaltfreiheit zum 9. Oktober 1989“ wurde im Lukas-Gemeindehaus verfasst und gedruckt.

Nach starkem Mitglieder-Rückgang – die Kirchgemeinde hatte anfänglich 18.000, zur Zeit des Ersten Weltkriegs 10.000–15.000, zum Schluss etwa 350 Mitglieder – fusionierte die Lukaskirchgemeinde am 1. Januar 2002 mit der Emmauskirchgemeinde im benachbarten Stadtteil Sellerhausen; in der Lukaskirche wurde nur noch sporadisch Gottesdienst gefeiert.

Seit 2015 wird die Lukaskirche von der Evangelisch-Lutherischen St. Trinitatisgemeinde, die zur altlutherischen SELK gehört, als Gottesdienststätte genutzt. Schließlich verkaufte am 5. September 2017 das zur Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen gehörige Kirchspiel im Leipziger Osten das Grundstück samt Gotteshaus an die SELK-Gemeinde. Für die umfangreiche Renovierung wurden rund 750.000 Euro ausgegeben.

Inzwischen wurde der Altarraum in seiner ursprünglichen Form mit dem restaurierten Hochaltar wiederhergestellt.

Koordinaten: 51° 20′ 35″ N, 12° 24′ 33,8″ O

Die Lukaskirche auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/St.-Lukas-Kirche_(Leipzig)

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