Noch am Unglückstag, dem 9. August, reist der Statthalter aus Innsbruck mit dem Postdirektor, dem auch das Transportwesen aller Postkutschen untersteht, nach Brennbichl, um sich vor Ort über das Geschehen aus erster Hand zu informieren. Statthalter ist im 19. Jahrhundert in Österreich die Bezeichnung für den (heutigen) Begriff Landeshauptmann, früher auch Vertreter der k. und k. Regierung in Wien.

Nun verbreitet sich das traurige Geschehen in Windeseile. Für die damalige Zeit ohne ein vollständiges Eisenbahn- und Telegraphennetz war es eine Meisterleistung der Kommunikation. Im Oberinntal gab es um 1854 auch keine Eisenbahnverbindungen zur Weiterleitung der Unglücksnachricht. Erst ab Innsbruck steht eine Telegraphenverbindung zur Verfügung.

Der Autor dieser Zeilen kann als Historiker und Verkehrsgeograph dies durch eine Vielzahl an Vergleichen besonders würdigen, die USA etwa hatten erst ab 1860 eine einzige durchgehende West-Ost Telegraphenlinie.  Als erstes wird per Sonderstafette ein Expressreiter mit der Todesnachricht, die erst vor Ort geschrieben werden musste, von Brennbichl nach Innsbruck zur nächsten Telegraphenstation geschickt. Es ist anzunehmen, dass dies das historische Telegraphen- und Hauptpostamt in Innsbruck in der Maximilianstraße in der erweiterten Innenstadt war. Auch ein schneller, geübter Reiter hätte für diese nicht kurze Strecke von ungefähr fast 60 Kilometern ohne jegliche Unterbrechung mindestens 5 bis 6 Stunden oder mehr gebraucht.

In Windeseile

Durch Zirl kommt er eine Stunde nach Alois Moriggl, der dort gegen 16.00 Uhr eingetroffen war. Die Todesnachricht verbreitet sich dort in Windeseile und Priester Alois Moriggl mag die Nachricht kaum glauben, dass König Friedrich August II., von dem er sich wenige Stunden zuvor gerade getrennt hatte, nun tödlich verunglückt sei.

Sofort wurde dann vom Telegraphenamt in Innsbruck die Meldung über Salzburg nach Wien, von dort über Böhmen an die Grenze nach Sachsen geleitet. Über diese Kontakte wurde erstmals vom Autor genau nachgeforscht und es gab die folgende Erkenntnis: Das österreichische Telegraphennetz war mit den Hauptlinien bis 1850 fertiggestellt. Im Vielvölkerstaat der k. und k. Monarchie war das Netz mit mehreren Punkten mit dem Ausland in Verbindung, nach Sachsen gab es über Teschen/ Bodenbach (Nordböhmen) eine Anbindung zur Festung Königstein bei Bad Schandau und weiter bis zur sächsischen Hauptstadt.

In Dresden war das Hauptpostgebäude am Antonsplatz im Westen der Altstadt. Ebenfalls war ein dichteres Telegraphennetz bis 1850 in Sachsen, ab 1852 mit dem klassischen Morseapparat, errichtet. Wie Lobentanz in seiner Wiener Dissertation über die Geschichte der Telegraphie in der Habsburger Monarchie schreibt, wurde mit Erlass des Handelsministeriums vom 17. August 1850 angeordnet, die „vollendeten Staatstelegrafen-Linien“ im Salzburgischen, in Tirol, Italien und Ungarn, also alle Hauptlinien, in den nächsten Jahren dem Betrieb zu übergeben.

Denkmal König Friedrich August II. in Dresden. Foto: Martin Schmiedeberg
Denkmal König Friedrich August II. in Dresden. Foto: Martin Schmiedeberg

Die Todesnachricht gelangt so über Wien per Telegramm über die schon existierenden Linien in die Hauptstadt Dresden bereits gegen 23.00 Uhr. Eine für die damalige Zeit nahezu sensationelle Geschwindigkeit einer Nachrichtenübermittlung.

Dies hatte zur Folge, dass das „Extrablatt des Dresdner Journals“ bereits um 9 Uhr vormittags (!) des nächsten Tages, den 10. August 1854, die traurige Nachricht verbreiten kann. In der gesamten sächsischen Residenzstadt Dresden läuten am gleichen Tag um 12 Uhr alle Kirchenglocken. Der „Bothe für Tirol und Vorarlberg“ in Innsbruck beschreibt den dramatischen Unglücksablauf in großer Ausführlichkeit, auch schon am 10. August, einen Tag nach dem Todestag. Fast alle namhaften und auch kleineren Zeitung in Österreich, Sachsen und den weiteren deutschen Ländern berichten vollständig über die Abläufe.

Innerhalb von Stunden wurde nach den Hausgesetzen der albertinischen Linie der Wettiner sein vier Jahre jüngerer Bruder Johann zum Nachfolger des verstorbenen Königs, da Friedrich August II. kinderlos starb, und wurde sogleich von der Sächsischen Regierung bestätigt. Am selben Tag reisten Regierungsbeauftragte los, unter anderem Generalleutnant von Engel, Kammerherr Graf von Eckstädt und mehrere Kammerdiener, um die Leiche des verstorbenen Königs in Brennbichl abzuholen.

Dazu kamen Kommissionen aus Dresden mit Medizinprofessoren, auch aus Innsbruck und Wien, um den Verstorbenen zu inspizieren.

Die Heimkehr des Königs

Der König blieb bis zum 13. August 1854 im Sterbezimmer aufgebahrt und wurde von dort gegen 1 Uhr mittags in feierlichem Zug über den Fernpass nach zum damaligen nächst gelegenen Bahnhof Bissenhofen, südlich von Kaufbeuren gelegen, gebracht. An der Strecke zum Fernpass und im Tiroler Außerfernergebiet bis Reutte-Füssen erhält der Beerdigungszug eine große Würdigung. Auf staatliche Anordnung sind alle öffentlichen Beschäftigten ab Imst neben Schützenkompanien, auch aus dem Pitztal, geistliche Würdenträger, Musikkapellen, Schulklassen und die allgemeine Bevölkerung am Beerdigungszug beteiligt. Unter Glockengeläut aller an der Strecke befindlichen Kirchen erreicht er den Bahnhof Bissenhofen.

Hofkirche in Dresden, Beerdigungsort von König Friedrich August II. Foto: Martin Schmiedeberg
Hofkirche in Dresden, Beerdigungsort von König Friedrich August II. Foto: Martin Schmiedeberg

Bissenhofen war der damalige Endpunkt wichtiger Eisenbahnlinien, weil man die große Eisenbahnbrücke Richtung Lindau nach dem technischen Stand der Zeit nicht ohne Probleme über die Wertach bauen konnte. Eröffnet wurde der Bahnhof 1852, weil höher gestellte Persönlichkeiten diesen Bahnanschluss nutzen wollten, um relativ schnell in die Alpen zu gelangen, unter anderen König Ludwig II. von Bayern, der sein Schloss Hohenschwangau bei Füssen besuchen wollte.

Mit einem Extrazug wurde die Leiche des Königs dann nach Dresden gebracht. Von Feierlichkeiten an der Bahnstrecke bat das sächsische Königshaus Abstand zu nehmen. Carl August Carl Graf von Bose, sächsischer Geheimrat und Hofmarschall, vorübergehend auch Diplomat in Österreich, war als Begleiter des Zuges nach Dresden dabei. Nach ausgiebiger historischer Recherche kann gefolgert werden, dass der Transport des verstorbenen Königs nicht über München (wie manchmal genannt) erfolgt sein kann, da die genannten Bahnlinien erst Jahre später existierten. Es wurde die einzige bereits bestehende Verbindung, die „Ludwig-Süd-Nord-Bahn“, gewählt; diese führte über Nördlingen – Nürnberg – Bamberg nach Hof.

Um 4 Uhr nachmittags am 14. August erreichte der Sonderzug Hof und die Übergangsstelle von Bayern nach Sachsen. Verschiedene Sächsische Kommissionen nehmen die Leiche in Empfang. Am 15. August, abends gegen 8 Uhr, erreicht der Leichenzug über Leipzig Dresden. Einen Tag später um 9 Uhr, auch wieder abends, wird Friedrich August II. in der Gruft der katholischen Hofkirche im Beisein der Königinwitwe Marie und unter der Anteilnahme des weiteren Königshauses, vieler diplomatischer Vertreter, der Staatsbediensteten und der Bevölkerung beigesetzt.

Eine Erinnerungskapelle in Brennbichl

Das Sterbezimmer des Königs im Gasthof Neuner in Brennbichl ist bis heute erhalten geblieben. Die Königswitwe mietete das Sterbezimmer im Gasthof Neuner schon kurz nach dem Tode für 50 Jahre an. Und die bereits erwähnte Ortsansässige Theresia Mayr erzählte dem Journalist Herbert Buzas: „Meine Mutter bekam zum Dank für ihren Beistand in der Sterbestunde des Königs und für die 50jährige Betreuung des Sterbezimmers vom sächsischen Hof eine schwere Goldkette geschenkt.“

Die Königswitwe Marie beabsichtigte nach dem Tode zur Erinnerung an ihren Mann, König Friedrich August II. von Sachsen, eine Erinnerungskapelle in Brennbichl zu errichten. Innerhalb eines Jahres – in heutiger Zeit eine unvorstellbare Geschwindigkeit – war eine Einweihung der im neugotischen Stil erbauten Kapelle zwischen Karrösten und Brennbichl, auch Sachsenkapelle genannt, möglich.

Die Monarchie in Sachsen sollte noch 64 Jahre dauern, bis das Wettiner Königshaus am Ende des Ersten Weltkrieges abdanken musste. Mit der Bildung der DDR war die Aussicht weiterer privilegierter Beerdigungen von Verstorbenen des sächsischen Königshauses in Dresden nicht mehr gegeben. Nach 1960 wurde im ehemaligen sächsischen Königshauses bestimmt, dass Beerdigungen auf dem Grundstück hinter dem Turm der Sachsenkapelle stattfinden sollten, was dann auch so erfolgte. Dies hatte auch zur Folge, dass die Kapelle mehrfach renoviert wurde, zum Teil auch mit öffentlichen Zuschüssen des Landes Tirol, und heute in gutem Zustand ist.

Eine Erinnerung an die turbulenten Tage Königs Friedrich August II. im August des Jahres 1854 in Tirol wird durch diese würdige Kapelle wachgehalten.

Hier geht’s zu Teil 1: Die Reise.

Hier geht’s zu Teil 2: Das Unglück.

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