Er hat zwar keinen runden Geburtstag, nur seinen 275., aber einen gewissen Anlass, das Denkmal für Johann Wolfgang von Goethe auf dem Naschmarkt jetzt wieder auf Hochglanz zu bringen, gibt es schon. Denn sein erster Bestseller wird in diesem Jahr 250 Jahre alt: „Die Leiden des jungen Werthers“, wie das Buch hieß, das 1774 auf der Leipziger Messe seinen Siegeszug antrat. Das kleine „s“ am Ende ließ Goethe später, in der 1787 überarbeitet erschienenen Fassung, lieber weg.
Viele Leser und Leserinnen fragten sich natürlich im Lauf der 250 Jahre, wie viel tatsächliches Erleben Goethes in diesem Briefroman steckt. Hat er tatsächlich seine Schwärmerei für Charlotte Buff in einen Romanstoff verwandelt, die er als junger Jurist in Wetzlar 1772 kennenlernte? Immerhin ein Motiv, das später Thomas Mann zu seinem Roman „Lotte in Weimar“ anregte.
Die Werther-Tracht
Aber in wie so vielen Werken Goethes fließen auch in diesem Roman viele Erfahrungen, Ereignisse und Zutaten zusammen – vom Schicksal seines Wetzlarer Bekannten Karl Wilhelm Jerusalem bis hin zur legendären Werther-Tracht. Schmuck muss ja Werther tatsächlich ausgesehen haben in seinem blauen Frack und der gelben Weste, die ja geradezu an die Leipziger Nationalfarben erinnern.
Dass Goethe so viel Wert auf gute Kleidung legte, das hatte er aus Leipzig mitgebracht, denn darauf hatte ihn sein dortiger Studienfreund Ernst Wolfgang Behrisch aufmerksam gemacht. Mit seinen aus Frankfurt mitgebrachten Kleidern muss Goethe in der Leipziger Bürgerwelt ziemlich altbacken ausgesehen haben. Oder sich so gefühlt. Es kommt ja immer auf den Blickwinkel an. Deshalb ließ er sich ni Leipzig ziemlich bald neue Kleidung schneidern, wie er in „Dichtung und Wahrheit“ schildert.
Und für die vielen Zeichen, mit denen sich damals das betuchte Bürgertum auch äußerlich abgrenzte und deutlich machte, wer dazu gehörte und wer nicht, bekam Goethe ein Auge. Denn darum geht es ja eigentlich im „Die Leiden des jungen Werther“: um Standesunterschiede und die – oft unausgesprochenen – Regeln, die den Umgang miteinander bestimmten.
Nicht nur im provinziellen Wetzlar, sondern auch in Frankfurt, wohin Goethe nach seiner Wetzlarer Zeit zurückkehrte, wieder einmal den Vater enttäuschend, der von Johann Wolfgang eigentlich spürbare Fortschritte als Jurist erwartet hatte. Doch ausgerechnet in Frankfurt begann eine richtig schöpferische Phase. Und hier lernte er – nach eigener Aussage – mit der Frankfurter Bankierstochter Lili Schönemann tatsächlich die erste Frau kennen, in die er sich wirklich verliebte. Dass es nicht zur Heirat kam, dafür sorgte Lilis Mutter.
Ein Roman aus Herzblut
Aber wer – etwa in Goethes Gesprächen mit Eckermann – genauer nachschaut, was Goethe dazu animierte, den „Werther“ in wenigen Wochen herunterzuschreiben, der stößt auch auf die sentimentale englische Literatur, die damals den deutschen Buchmarkt überschwemmte. Eine Literatur, die Goethe geradezu deprimierend fand und in ihre Wirkung verheerend für die Gemüter junger Leser. Für Goethe kam das in Frankfurt alles zusammen.
„Auch hätte ich kaum nötig gehabt, meinen eigenen jugendlichen Trübsinn aus allgemeinen Einflüssen meiner Zeit und aus der Lektüre einzelner englischer Autoren herzuleiten“, zitiert ihn Johann Peter Eckermann unter dem 2. Januar 1824. „Es waren vielmehr individuelle, naheliegende Verhältnisse, die mir auf die Nägel brannten und mir zu schaffen machten und die mich in jenen Gemütszustand brachten, aus dem der ‚Werther‘ hervorging. Ich hatte gelebt, geliebt und sehr viel gelitten!“
Kurz zuvor war er im Gespräch mit Eckermann noch deutlicher geworden: „Das ist auch so ein Geschöpf, das ich gleich dem Pelikan mit dem Blut meines Herzens gefüttert habe. Es ist darin so viel Innerliches aus meiner eigenen Brust, so viel von Empfindungen und Gedanken, um damit wohl einen Roman von zehn solcher Bändchen auszustatten.
Übrigens habe ich das Buch, wie ich schon öfter gesagt, seit seinem Erscheinen nur noch ein einziges Mal wieder gelesen und mich gehütet, es abermals zu tun. Es sind lauter Brandraketen! – Es wird mir unheimlich dabei, und ich fürchte den pathologischen Zustand wieder durchzuempfinden, aus dem es hervorging.“
Bei der Gelegenheit erwähnte Goethe noch, dass der „Werther“ auch zur Lieblingslektüre Napoleons gehörte, der ja Goethe bekanntlich in Weimar zweimal besuchte und mit dem Autor durchaus einig war, dass die Sache mit den Pistolen, die Lotte an Werther schickt, „nicht ganz Stich halte“. Es ist eine unlogische Stelle, gerade nachdem Werther so viele herzerweichende Briefe geschickt hatte. Wofür brauchte er da die Pistolen?
Aber manchmal ist so etwas einfach ein literarischer Kunstgriff. Goethe war das sehr wohl bewusst.
Aus seiner Frankfurter Beklemmung errettete ihn ja dann bekanntlich der 18-jährige Herzog Carl August, der ihn nach Weimar einlud. Und da schließt sich der Werther-Kreis. Im Goethe-Museum in Weimar kann man den Herzog auf einem Gemälde sehen, auf dem er stolz die Werther-Kluft trägt. Es gibt also einen richtig guten Anlass, das Leipziger Goethe-Denkmal jetzt wieder schmuck zu machen.
Das Denkmal wird saniert
Ab Montag, dem 12. August, bis voraussichtlich Ende Oktober dieses Jahres wird das Goethedenkmal auf dem Leipziger Naschmarkt umfassend restauriert, teilt das Kulturamt mit. Dazu wird es während der gesamten Arbeitszeit eine Einzäunung geben. Die Maßnahme diene dem Erhalt und Schutz des bekannten Leipziger Denkmals, das letztmals 1985 restauriert wurde. Die Kosten betragen rund 60.000 Euro und werden etwa zur Hälfte durch die Stadt Leipzig und Denkmalfördermittel des Freistaates Sachsen getragen.
Die Bronzefigur und die Medaillons am Sockel des Denkmals werden gereinigt und konserviert. Die Kränze an den Medaillons und der Schriftzug „Student in Leipzig 1765 – 1768“ werden neu vergoldet. Abschließend werden die Bronzefigur und die Medaillons mit mikrokristallinem Wachs konserviert, wodurch insbesondere die bereits geschädigten Medaillons für die Nachwelt erhalten werden. Außerdem werden beide umlaufenden Einfriedungen instandgesetzt.
Das Goethe-Denkmal steht seit dem 28. Juni 1903 auf dem Naschmarkt. Mit ihm wird an Johann Wolfgang Goethe (1749–1832) erinnert, welcher als 16-Jähriger 1765 zum Jurastudium nach Leipzig kam und hier für drei Jahre blieb. Das Standbild zeigt den Dichter als galanten jungen Studenten im Rokokokostüm. Auf den am Sockel angebrachten Medaillons sind als Brustbilder Anna Katharina (Käthchen) Schönkopf und Friederike Oeser dargestellt.
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