In Deutschland greift im Juli 1874 schnell eine große Aufregung und Bestürzung um sich, als die eilends gedruckten Extrablätter und dann die Zeitungen von dem Attentat auf Reichskanzler Otto von Bismarck in dessen Kurort Bad Kissingen berichten. Es wurde verübt am 13., einem Montag, um halb zwei Uhr nachmittags am Beginn einer Fahrt per Kutsche von seiner Wohnung aus nach den Solbädern.

Der Fürst sitzt also in einer fahrenden Kutsche und grüßt gerade mit der rechten erhobenen, angewinkelten, die Mütze haltenden Hand, als Eduard Kullmann, ein Böttchergeselle aus Magdeburg, zwei Pistolenschüsse auf ihn abfeuert. Aber Glück gehabt – nur ein Streifschuss verletzt die Hand des Fürsten leicht.

Wegen des offenbar mangelhaften Personenschutzes muss sich später Bezirksamtmann von Röder verantworten. Kullmann stirbt am 16. März 1892 im Gefängnis zu Amberg. Den Attentats-Versuch sollen gleich mehrere Zeichner bildhaft festgehalten haben.

Der Lithograf, Aquarellmaler, Vertreter der Münchner Schule Gustav Sundblad, von einer Zeitung als Zeichner nach dem Heilbad Kissingen entsandt, wird zufällig Zeuge der Tat und ist der Erste, der den Täter unverzüglich dingfest macht. „Sundblad ist ein geborner Bayer und hat so gleichsam sein Heimathland an dem schändlichen Frevler gegen das heilige Gastrecht zu rächen Gelegenheit gehabt“, so das Leipziger Tageblatt (LT) vom 15. Juli 1874.

Gustav Sundblad, 1835 in Augsburg als Sohn eines aus Schweden stammenden Tapeziermeisters geboren, besucht erst die dortige Kunstschule, später dann die Münchener Akademie. Dann zieht er 1871 nach Leipzig, wohnt hier bis 1876 in der Hohe(n) Straße 26, III. Etage, geht dann nach Halle/Saale, wohnt dort in der Meckelstraße 18, um an der gewerblichen Fortbildungsschule als Zeichenlehrer zu arbeiten.

Am 25. März 1891 stirbt Gustav Sundblad in Halle/Saale.

LT-Redakteur Karl W. Whistling widmet dem Verstorbenen drei Wochen nach dessen Tod einen Nachruf unter dem Titel: „Ein Typus verflossenen Leipziger Künstlerhumors“. Er leitet diese längere, detaillierte Würdigung wie folgt ein: „Ein joviales, ausbündig bajuvarisch urwüchsiges Mitglied der älteren Leipziger Künstlercolonie ist nach längerem Leiden in Halle als ein Mann von noch nicht 56 Jahren gestorben, ein talentierter Maler und Zeichner der humoristischen Richtung, des Genres, der historischen und der Landschaftsmalerei, der originelle Bayer Gustav Sundblad.

Dem deutschen Lese-Publicum, der deutschen Familie wurde er vorzugsweise durch seine langjährige fleißige Mitarbeiterschaft an der ‚Gartenlaube‘ bekannt und lieb.

Wer erinnert sich nicht seiner zahlreichen humoristischen, drastischen, landschaftlichen, sowie historischen Bilder in jenem Familienblatte.“

Nach etlichen Betrachtungen über Werk und Leben Sundblads kommt Whistling auf Leipzig zu sprechen:

„Leipzig aber wurde von Sundblad am ausgiebigsten bedacht. Zeichnete er nicht den ‚Christbaum-Markt auf dem Augustusplatz‘, Die Friedenseiche im Rosenthale, die Gosenschenke zu Eutritzsch, den Schwanenteich im Winter, ‚Winterabend im Sophienbad‘, vor Allem aber das gute Bild: ‚Im Foyer des Neuen Stadttheaters‘, mit den Portraits des Bürgermeisters Dr. Koch, des Hauptinspectors Julius Hofmann mit dem Schlüsselbund und einem bekannten Musikdirektor in Gummischuhen.“

Mit seiner künstlerischen Lebensleistung, hier nur andeutend wiedergegeben, hat Gustav Sundblad ein Kulturgut hinterlassen, das offenbar nicht ausreicht, auch als Mensch wahrgenommen zu werden. Wie sonst ist es zu erklären, dass außer seinem Geburtsjahr 1835 und Augsburg als Geburtsort nie der Tag seiner Geburt genannt wird?

Zwar wird das Jahr seines Todes, 1891, richtig angegeben, aber auch hier fehlt nicht nur das Datum, sondern es wird gleich mal Leipzig oder München als Sterbeort der Öffentlichkeit angeboten.

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Keine Kommentare bisher

Tja … nur ein Streifschuss! Wie sich solche Ereignisse gleichen und wiederholen.

Der Verdienst, den Bismarck-Attentäter als erster ergriffen und damit unschädlich gemacht zu haben wird allerdings dem in Deutschland engagierten ungarischen Opernsänger José Lederer zugeschrieben, der sich als Kurgast in Bad Kissingen aufhielt. Der Attentäter Kullmann biss ihm dabei in die Hand, was den Sänger später zu dem Schenkelklopper inspirierte, er habe von dem Vorfall eine „Bismarcke“ davongetragen. Vielleicht hat der Mann der Bühne es auch nur verstanden, seine Beteiligung im Nachhinein am besten zu verkaufen. Die Zeugen des Attentats waren jedenfalls nur mit Mühe davon abzuhalten, den Schützen an Ort und Stelle zu lynchen. Den würden heutige Journalisten wohl als extremistischen Papisten und radikalen Anhänger des politischen Katholizismus bezeichnen. Familiärer Migrationshintergrund Eichsfeld (wer´s denkt) und ein Incel war´s auch.

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