Seit dem 25. August 1945 gibt es in Leipzig eine Kommandant-Prendel-Allee. Nach der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 von Zar Alexander I. persönlich zum Stadtkommandanten von Leipzig ernannt, führte der 1766 in Tirol geborene Obrist Victor Anton Franz von Prendel dieses Amt vom 21. Oktober 1813 bis 10. November 1814 aus. Unter seiner Regentschaft fand die Leipziger Bevölkerung und das städtische Leben und Treiben den Weg aus dem militärischen Chaos zurück zum annähernd normalen zivilen Leben.

Ein Chaos, für uns heute schwer vorstellbar: etwa 85.000 unbeerdigte Tote, unzählige Pferdekadaver, das Risiko des Ausbruchs von Seuchen, die Straßen überfüllt von verwundeten und sterbenden Soldaten! Nach wohl eigenen Angaben fand er zu Beginn seiner Leipziger Funktion als Gefangene hier 23 Generale, 700 Offiziere und 19.000 Soldaten mit 51.000 Verwundeten und Kranken vor.

Also viele Probleme. Zuerst galt es, die Toten zu beerdigen, um den Ausbruch von Seuchen zu verhindern; gleichzeitig aber warteten die Verwundeten und Gefangenen auf ihre entsprechende Versorgung. Durchziehende Truppen mussten einquartiert werden, vor allem waren Ruhe und Ordnung wiederherzustellen und dauerhaft aufrechtzuerhalten.

Victor von Prendel, der alle europäischen Sprachen beherrschte, hat dazu selbst viele Bekanntmachungen, oft mehrsprachig, verfasst. Ihr Inhalt, oft kurios und belehrend geschrieben, betraf nicht nur Kommunalpolitik, auch private Bereiche der Leipziger Bürger kamen vor, wie das Verhalten im Theater und auf Bilderausstellungen.

Wegen seiner volksverbunden-humanen Art und Gründlichkeit genoss Prendel bei den Einwohnern bald ein hohes Ansehen. Nach seiner Ablösung im November 1814 verlieh ihm der Rat der Stadt Leipzig das Ehrenbürgerrecht (Anm. d. Red.: Es handelt sich um das „Bürgerrecht ehrenhalber“, denn das Recht, Ehrenbürger zu ernennen, erhielten sächsische Kommunen erst 1831. Deswegen taucht Prendel auch nicht in der Ehrenbürgerliste der Stadt Leipzig auf.).

Prendel starb am 29. Oktober 1852 in Kiew. Mehr über ihn zu erfahren ist aus einem von Peter Sakowitsch aufgeschriebenen „Lebensbild eines russischen Partisans“, so der Untertitel seines Textes mit dem Titel: „Der General-Major Victor von Prendel“ im Leipziger Tageblatt (LT) v. 28. bis 30. Juli 1859.

Victor von Prendel von Carl Adolf Senff - Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17666722
Victor von Prendel (1766–1852) von Carl Adolf Senff – Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17666722

Sieben Jahre nach seinem Tod meldet sich einer seiner Söhne (er hatte zwei Söhne und eine Tochter) bei der Redaktion des LT mit einem Gruß seines Vaters an die Leipziger, den das LT unter dem Titel „Ein Gruß an Leipzig“ dann am 21. Juli 1859 gleich auf der Titelseite veröffentlicht:

„Ich beeile mich nachstehenden Brief zu veröffentlichen:

Herr Redacteur.

Als ich meinen Vater, welcher im Jahre 1813 Stadtcommandant von Leipzig war und die Ehre hatte als Ehrenbürger daselbst aufgenommen zu werden, das letzte Mal umarmte, sagte er mir: Wenn Dich Deine künftigen Schicksale zufällig nach Sachsen führen sollten, so grüße dort aufs freundlichste meine Freunde und Bekannte, an welche ich mich stets mit Erkenntlichkeit und besonderer Vorliebe erinnert habe.

Außer dem Herrn Geheimen Justizrath Gross in Dresden fand ich leider Niemanden von Denjenigen am Leben, die dazumal meinem Vater nahestanden. Indessen komme ich aus dem gastfreundlichen Norden mit warmem Herzen, um noch einmal Altenburg, das Paradies meiner so glücklichen Kindheit zu besuchen, und benutze bei meiner Durchreise die Gelegenheit, Sie höflichst zu ersuchen, den mir zur Pflicht gemachten Gruß meines verstorbenen Vaters in Ihrem Tageblatt denjenigen der lieben Bürger der Stadt Leipzig zu übergeben, die sich noch an meinen Vater erinnern.

Ebenfalls nehme ich mir die Freiheit, Ihnen die Biographie meines Vaters zu übersenden, welche durch die nicht gewöhnlichen Schicksale desselben vielleicht Interesse bei Ihnen findet.

Mit Achtung habe ich die Ehre mich zu nennen Ihren ergebenen Diener
Alexander Prendel, Sohn des kaiserlich russ. General-Majors Victor Prendel.
Leipzig, 19. Juli 1859“.

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