Quedlinburg feiert natürlich den 300. Geburtstag des Dichters Friedrich Gottlieb Klopstock (1724–1903), denn dort steht das Klopstockhaus. Leipzig feiert ihn nicht. Obwohl die Karriere des jungen Mannes, der eigentlich Theologie studieren sollte, in Leipzig begann. Selbst die Adresse ist konkret zu benennen: Burgstraße 9. Da stand 1746, als der junge Student aus Jena, das Klopstock mittelmäßig fand, nach Leipzig wechselte, das Haus Zum Hirschkopf.

Das wurde zwar 1927 abgerissen, um Platz für das Messehaus Petershof zu schaffen. Aber wenn man die Burgstraße Richtung Norden schaut, hat man einen Blick, den auch der gerade 22-jährige Student auch hatte – direkt auf die Thomaskirche, die Wirkungsstätte von Johann Sebastian Bach, der damals noch lebte. Und wer Klopstocks berühmtestes Werk liest, sieht durchaus eine gewisse Verwandtschaft zu den großen Oratorien Bachs.

Es ist der „Messias“, dessen ersten Gesänge er in Leipzig verfasste. Kleine Einschränkung: Geschrieben hatte er sie schon in Jena – aber in Prosa. Doch das Studium der Theologie war nicht das, was ihn wirklich reizte. Weshalb er in Leipzig wohl auch eher nicht so emsig die theologischen Vorlesungen besuchte, sondern lieber die Vorlesungen des „Literaturpapstes“ Gottsched (den er recht dröge fand) und des Dichters Christian Fürchtegott Gellert (der seit 1745 seine Vorlesungen über Poesie, Beredsamkeit und Moral an der Universität hielt). Für den literarisch hochinteressierten jungen Mann war Leipzig eine Kiste voller Anregungen.

Ein neuer Klang in der deutschen Dichtung

Und es war ein Ort, an dem Klopstock nicht hätte studieren können, hätte hier nicht sein drei Jahre jüngerer Vetter Johann Christoph Schmidt sein Studium aufgenommen, dessen deutlich betuchtere Familie auch Klopstock ermöglichte, das Studium in der deutlich teureren Stadt Leipzig aufzunehmen. Doch seine Zeit nutzte er hier vor allem, um sein dichterisches Handwerk zu schulen. Angeregt auch durch John Miltons „Das verlorene Paradies“ arbeitete er jetzt seinen „Messias“ in Hexameter um.

Das war ein Novum für Deutschland. Ein unerhörtes. Denn gleichzeitig brach er mit der strengen Reimschule im Stile eines Martin Opitz, die damals immer noch als strenges Richtmaß für das galt, was deutsche Dichtung zu sein hatte. Doch das Schema war erstarrt und spiegelte die sich verändernde Gegenwart nicht mehr wider. Klopstocks Verzicht auf jeden Reim gab ihm erst die Freiheiten, seinen „Messias“ erblühen zu lassen. Und er eröffnete den kommenden Dichtergenerationen eine völlig neue Welt, sich dichterisch auszudrücken.

Und auch da spielte Leipzig im schönen Sachsen eine Rolle, denn hier wurde eine bis heute legendäre Zeitschrift redigiert, die eine völlig andere Stadt im Namen trägt: die „Bremer Beiträge“, die mit der doppelten Ortsangabe Bremen und Leipzig von Nathanael Saurmann in Bremen verlegt wurden.

Und die tatsächlich als Zeitschrift die erste namentlich sogenannte „sächsische Dichterschule“ bekannt machte. Zu der auch ein gewisser Gottlieb Wilhelm Rabener gehörte, der im selben Haus wie Klopstock wohnte und als Steuerrevisor tätig war. Und der an den „Bremen Beiträgen“ mitwirkte.

Der Vetter plaudert’s aus

Es war wohl Klopstocks Vetter Schmidt, der bei den Redaktoren der „Bremer Beiträge“ durchsickern ließ, woran Klopstock da gerade saß. Also bat man Klopstock, ein paar Proben vorbeizubringen. Er gab die ersten drei Gesänge des „Messias“, die er fertig hatte, und sie erschienen 1748 in den „Bremer Beiträgen“ und machten Klopstock auf einen Schlag berühmt. So berühmt, dass er davon träumte, ein reicher Mäzen könnte ihm ein ordentliches Salär aussetzen und er könnte fortan nur noch als Dichter leben.

In gewisser Weise erfüllte er sich den Traum auch ein Stück weit. Aber in Leipzig war es noch nicht so weit, auch wenn er jetzt – zumindest in der literarischen Welt – weithin bekannt war. Nach Abschluss seines Theologiestudiums nahm er erst einmal eine Hofmeisterstelle in Langensalza an, wo er sich in seine Cousine Maria-Sophia Schmidt verliebte und sie unter dem Name Fanny in seinen Oden verewigte.

Mit dem Schreiben von Oden nach klassischem griechischem Vorbild hatte er auch in Leipzig begonnen. Und während der „Messias“ (den Klopstock im Lauf seines Lebens auf volle zehn Gesänge erweiterte) heute schon eine mächtige Geduldsprobe für Leser ist, haben seine Oden ihren Reiz nicht verloren. Sie wirken noch heute wie der Schlüssel zur nachfolgenden klassischen Dichtung.

Die ersten die Gesänge seines „Messias“ erschienen sogar 1749 noch als Buch bei Carl Herrmann Hemmerde in Halle. Wer sie nachlesen möchte, findet sie sogar als Digitalisat im Internet. Ein Jahr später erschienen auch seine Oden in Buchform.

Aber wie gesagt: Das hat niemand in Leipzig gefeiert. Wer den 300. Geburtstag des Dichters ein wenig in der Aura des einst Gefeierten erleben möchte, dem kann man natürlich den Besuch in Quedlinburg im Klopstockhaus empfehlen, in dem Friedrich Gottlieb 1724 geboren wurde und wo er sich später noch einmal kurz aufhielt. Seit 1899 ist es Literaturmuseum und erinnert an den berühmtesten aus der in Quedlinburg heimischen Klopstock-Familie.

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