Personen und Ereignisse, Traditionen, Bauwerke und anderes Erinnerungswürdiges, mehr oder minder in Vergessenheit geraten – sie stehen im Mittelpunkt dieser Serie. Diesmal in „Memoria“: Ein bahnbrechendes Ereignis 1838 in Machern östlich von Leipzig. Wie wichtig heute ein Anschluss an das Eisenbahnnetz ist, das wissen vor allem Orte, die ihn nicht haben. Dass Machern eine Bahnstation hat, reicht zurück bis ins Jahr 1836. Und es hat viel mit der besonderen Weitsicht eines Mannes namens Schnetger zu tun.

Er machte zu seiner Zeit Karriere im Stil „Vom Tellerwäscher zum Millionär“ – und behielt die Bodenhaftung.
Gottfried Wilhelm Dietrich Schnetger (* 1770 in Deilinghofen bei Iserlohn) war ein Kaufmann, der in und um Leipzig lebte und wirkte. Er begründete die 140-jährige Schnetger-Epoche von Schloss Machern.

Mit 15 weg von Zuhause

Schnetger wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Als er fünf Jahre alt war, starb sein Vater, mit 17 verlor er seine Mutter. Auf Vermittlung aus Iserlohn kam er nach Ostern 1786 im Alter von 15 Jahren nach Leipzig: Er bekam eine Anstellung im Handelsunternehmen der Gebrüder von der Becke mit den Brüdern Johann Heinrich von der Becke, Johann Reinhard von der Becke und Johann Friedrich von der Becke. Das wurde, wie sich herausstellte, eine außergewöhnliche Karriere-Chance, die Schnetger zu nutzen wusste.

In Leipzig erwies er sich im Laufe der Jahre als zielstrebig, unentbehrlich sowie vertrauenswürdig – er wurde am Gewinn beteiligt und schließlich Geschäftsführer. Auch betrieb er mit Friedrich Wilhelm Kuiper in Kochs Hof in Leipzig das Unternehmen Kuiper & Schnetger.

Hochfliegender Traum

Im Alter von nur 35 Jahren – also knapp zwanzig Jahre nach seiner Ankunft in Leipzig – war Schnetger finanziell in der Lage, sich seinen großen Traum vom Schlossherrn zu erfüllen: Er kaufte im März 1806 das Schloss zu Machern sowie die Rittergüter Machern und Zeititz. Doppelt ungewöhnlich dabei: einerseits über so viel Geld verfügen zu können – noch dazu in so jungen Jahren – und damit andererseits etwas zu tun, was sonst üblicherweise Angehörigen des Adels vorbehalten war.

Abbildung Henriette und Gottfried Schnetger, historisches Gemälde, Archiv Friedhelm Groth, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=129784062
Henriette und Gottfried Schnetger, historisches Gemälde, Archiv Friedhelm Groth, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=129784062

Schnetger betrieb auf seinen Ackerflächen Großlandwirtschaft, auch ließ er in Zeititz bei Bennewitz in der Grube Agnes Braunkohle fördern. Im hochbetagten Alter von 88 Jahren übergab er schließlich seinem Sohn Wilhelm Schnetger die Leitungsverantwortung für die Rittergüter Machern und Zeititz.

Eisenbahnpläne

Dass Machern Bahnstation zwischen Leipzig und Dresden wurde, ist ein Verdienst auch von Gottfried Schnetger. Damals gab es konkurrierend zwei andere Streckenbaupläne ohne Machern.

„Der dritte Plan brachte die Bahn direkt nach Machern“, schrieb einst Ernst Beyreuther. „Freilich forderte er einen ½ Stunde langen Durchstich durch die Macherner Höhen, der Wasserscheide zwischen Mulde und Saale, welcher eine halbe Millionen Taler kostete. Aber Herr Schnetger wußte durch Hergabe von Land so dafür einzutreten, dass der Plan ins Werk gesetzt wurde. […] Am 29. Februar 1836, also einem Schalttage, wurde hier in Machern der erste Spatenstich für den Bahnbau unter einigen Feierlichkeiten getan.“

Schloss Machern, hier noch mit Schlossteich, historische Ansicht. Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=9503014
Schloss Machern, damals noch mit Schlossteich, historische Ansicht. Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=9503014

Der Bau der Strecke durch die Macherner Höhen, der sogenannte Macherner Durchstich, galt als besondere ingenieurstechnische Leistung. „Machern gewonnen, alles gewonnen!“ hieß es damals sprichwörtlich. Dieser Einschnitt war erforderlich, weil die Lokomotiven damals für die Steigung zu schwach waren.

Der Streckenabschnitt Gerichshain–Machern mit drei Kilometer Länge wurde am 11. Mai 1838 vollendet, der Streckenabschnitt Machern–Wurzen mit acht Kilometer Länge am 31. Juli 1838. „Unsere Eisenbahn wurde heute zum ersten Male bis zu dem vier Stunden von Leipzig und zwei Stunden von Wurzen entfernten Dorfe Machern befahren. Die Länge der nunmehr dem Publikum eröffneten Bahnstrecke umfaßt 29,400 Ellen. Der Zudrang schon zu der ersten, 11½ Uhr Vormittags stattfindenden Fahrt war von Seiten der Fremden und Einheimischen sehr bedeutend“, heißt es in einem Bericht vom 17. Mai 1838.

Bei der Eröffnungsfahrt zogen die beiden Lokomotiven Blitz und Komet gemeinsam einen Zug, bestehend aus 17 Eisenbahnwagen. In den ersten sieben Tagen wurden 14.000 Fahrgäste befördert.

Bahnstation ja, jedoch …

Schnetger gelang es, Machern zum allgemeinen Vorteil an die Eisenbahnlinie anzubinden – jedoch mit herber Folge für sein geliebtes Schloss: Der Durchstich der Macherner Höhen veränderte die unterirdischen Wasserläufe derart, dass der Schlossteich dauerhaft Wasser verlor und das Wasserschloss trockenfiel.
Gottfried Schnetger starb am 16. Januar 1861, er hat seine letzte Ruhestätte auf dem Friedhof Machern. Der Schlossherr fühlte sich „seinem Machern“ zeitlebens eng verbunden, seine Kaufentscheidung prägte das Geschehen dort 140 Jahre lang mit, und auch der Agnes-Tempel im Park geht auf ihn zurück.

Und heute? Zwischen großformatigem Ortswappen nahe der Kirche und dem Markt steht ein modernes Wohn- und Geschäftshaus – es trägt an beiden Seiten der Hausdurchfahrt den Schriftzug „Schnetgers Hof“. Und das besondere Dorf, mit Schloss und Park, mit ägyptischer Pyramide und Burgruine, es ist nach wie vor per Eisenbahn erreichbar – dank Gottfried Schnetger.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Gottfried_Schnetger

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