Kirchenbauwerke gehören in Mitteldeutschland zu fast jedem Ort. Im Alltag sind sie bekannt als Wahrzeichen, Ortsmittelpunkt oder Orientierungsmarke, sie haben architektonisch, kunsthistorisch und regionalgeschichtlich vielfältige Bedeutung. Doch die Zukunft vieler Kirchen ist bedroht: Dutzende von ihnen haben ihre Funktion verloren, einige sind bereits spurlos aus dem Ortsbild verschwunden. Zeit zur Erinnerung an verschwundene Kirchen – und was mit ihnen unwiderruflich verloren gegangen ist.
Die Jakobikirche in Dresden war der neoromanische Kirchenbau der Stadt auf dem Wettiner Platz in der Wilsdruffer Vorstadt.
Am heutigen Wettiner Platz stand seit 1568 das „Alte Lazarett“. Dort gab es ab 1681 eine Betstube, die zur Kapelle erweitert wurde. 1738 wurde diese mit Mitteln der gerade gegründeten Stiftung „Ehrlichsches Gestift“ umgebaut, erhöht, mit Emporen versehen und diente nunmehr als Stiftskirche.
Die Einwohner dieses Stadtgebietes gehörten zur Annenkirchgemeinde, diese hatte Mitte des 19. Jahrhunderts 41.000 Gemeindeglieder. 1884 kam es daher zur Auspfarrung von etwa 15.000 Gemeindegliedern – also zur Gründung der Jakobigemeinde.
Diese übernahm nun für einige Jahre jene schon recht baufällige und für ihre Zwecke zu kleine Stiftskirche. Der Name Jakobigemeinde erinnert dabei an das alte, aufgegebene Jakobihospital, das zwischen den Straßen Am See, Annenstraße und Jakobigasse stand. In dieser Stiftskirche wurde am 27. Juni 1897 der letzte Gottesdienst gefeiert, danach begann der Abbruch.
Für ihren Kirchen-Neubau hatte die Jakobigemeinde einen Architektenwettbewerb ausgeschrieben, 68 Entwürfe wurden eingereicht. Die Jury entschied sich für die Arbeit im neoromanischen Stil des Architekten Jürgen Kröger (1856–1928) aus Berlin. Vorbild war die rheinische Hochromanik.
Erster Spatenstich für die evangelisch-lutherische Jakobikirche war am 11. November 1897, Grundsteinlegung am 22. März 1898. Im Winter 1899/1900 waren die äußere Verglasung und die Heizungsanlage fertiggestellt, am 15. Juli 1900 wurde das Kreuz auf die Turmspitze gesetzt. Kirchweihe war am 1. Dezember 1901.
Das Gotteshaus – ein Zentralbau aus Sandstein mit Kirchturm über der Gebäudemitte und mit achssymmetrischem Grundriss – war eine dreischiffige Basilika mit kurzem Querhaus und eingezogenem, halbrundem Chor.
Die Länge betrug 55 Meter, die Breite 31 Meter. Der kräftige, achteckige Kirchturm – innen gestützt von einer Stahlkonstruktion und umschlossen von einem Rhombendach – war stolze 80 Meter hoch und mit vier Ecktürmchen geschmückt.
Der Innenraum umfasste das Mittelschiff und zwei Querschiffe mit Emporen. Vor einem Triumphbogen führten Stufen zum erhöhten Altarraum, auf denen sich auch die Kanzel aus Terrakotta-Kalkstein befand. Ein Abendmahlrelief schmückte den Altar der Kirche, es stammte vom Grabmal des Ritters von Taubenheim. Das aus massivem Eichenholz gefertigte Gestühl bot Platz für 1.300 Besucher.
Gegenüber dem Altar befand sich die Orgel- und Chor-Empore mit Platz für 100 Sängerinnen und Sänger. Die Orgel mit drei Manualen, 55 Registern und 3.708 Orgelpfeifen schuf die Hoforgelfirma Gebrüder Jehmlich aus Dresden. Die Baukosten für das Gotteshaus betrugen 750.000 Mark.
Die Gießerei A. Milde & Co. Dresden fertigte 1902 ein von Hans Hartmann-McLean entworfenes und von der Tiedge-Stiftung finanziertes doppeltes Bronzeguss-Kirchenportal. Auf dessen vier Feldern sind der Sündenfall und die Kreuztragung sowie die Erschaffung Adams und die Himmelfahrt dargestellt.
Beim Luftangriff auf Dresden am 17. April 1945 wurde die Jakobikirche stark beschädigt. Acht Jahre lang ragten die verbogenen Eisenträger des Kirchturms in den Himmel; das Mauerwerk war stabil und in einem verhältnismäßig guten, wiederaufbaufähigen Zustand.
Die Kirche diente Hunderten Dresdnern regelmäßig zur Andacht sowie zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten als Stätte festlicher Begegnung. Sie war vertraute, heimatliche Feierstätte für Taufe, Konfirmation und Trauung, für Silberne sowie Goldene Hochzeit und andere Jubiläen, für den Heimgang ihrer Verstorbenen. Sie war Ort der Gemeinsamkeit für Einkehr und Hoffnung, für Zuversicht und Freude, für Trauer und Leid.
Im August 1945 war die Jakobikirchgemeinde aufgelöst worden. Nach Kriegsende hatte der Rat der Stadt Dresden eine Bergungsgenehmigung erteilt: Im Dezember 1945 wurden die Wandreliefs ausgebaut, später weitere Ausstattungsgegenstände geborgen. Die Firma Jehmlich Orgelbau Dresden demontierte die Orgel, auch wurden Glocken und Holzreste des Kirchturms geborgen.
1947 wurden die beiden bronzenen Türflügel des Portals mit den Reliefs von Hans Hartmann-McLean eingelagert.
Wie anderswo mit dem gleichen Schicksal wünschten sich Christen dort den Wiederaufbau ihrer Kirche. Doch das blieb ein frommer Wunsch: 1953 wurde sie gesprengt, bis 1955 die Trümmer geräumt. Nach dem Abriss blieb eine jahrzehntelang ungestaltete Grünfläche auf diesem Teil des Wettiner Platzes.
2011 ließ die Landeshauptstadt Dresden vom Landschaftsarchitekturbüro May den Platz gestalten.
Die beiden verzierten Türflügel des Hauptportals, die zeitweilig in Striesens Versöhnungskirche zu Hause waren, stehen seitdem wettergeschützt am früheren Ort der Jakobikirche – als Denkmal und zur Erinnerung.
Das Portal ist Bestandteil der Grünfläche. Darin findet sich der Grundriss der Kirche wieder, und die Parkbänke sind wie Kirchenbänke angeordnet.
Koordinaten: 51° 3′ 11,9″ N, 13° 43′ 26,4″ O
Quellen und Links:
https://de.wikipedia.org/wiki/Jakobikirche_(Dresden)
https://www.stadtwikidd.de/wiki/Jakobikirche
https://www.veikkos-archiv.com/index.php?title=Jakobikirche_(Dresden)
https://www.dresden.de/media/pdf/denkmal/verlorene-kirchen-2018_web.pdf
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