1977 war das alles ganz einfach. Da war Sport das Aushängeschild eines Staates, der mit olympischen Medaillen beweisen wollte, dass er die bessere Gesellschaftsordnung hatte. Da eröffnete man kurzerhand ein Sportmuseum in der Sportstadt Leipzig und brachte es in der obersten Etage des Hauptgebäudes am Zentralstadion unter. Mittlerweile erinnert sich auch das Muttermuseum nur noch mit Trauer an die Zeit. Am Sonntag würde das Sportmuseum eigentlich 40 Jahre alt werden.

Aber wir wissen ja: Mit den 40. Geburtstagen ist das so eine Sache. Mittlerweile spricht niemand mehr Machtworte. Der alte Standort ist verloren gegangen, die Trophäen sind eingelagert. Wenn Leipzig die Sammlung in attraktivem Ambiente zeigen will, muss Geld aufgetrieben werden, um ein neues Museum zu schaffen.

Trotz vieler Ungewissheiten überwiegt der Optimismus, in naher Zukunft ein neues Domizil zu finden, betont das Stadtgeschichtliche Museum, die Muttereinrichtung, zu der das hauslose Sportmuseum eigentlich gehört.

Aber früher brauchten die Dinge auch ihre Zeit.

Von der Idee bis zur Gründung eines Sportmuseums in Leipzig vergingen 114 Jahre. Zum dritten deutschen Turnfest 1863 in Leipzig war solch ein Gedanke erstmals aufgekommen. 1867 begründete der Geschäftsführer der Deutschen Turnerschaft Ferdinand Goetz zwar in seinem Wohnhaus die erste sporthistorische Sammlung Deutschlands, doch sie überlebte den Gründer nur um einige Jahrzehnte.

1975 legten Wissenschaftler der Deutschen Hochschule für Körperkultur in Leipzig eine „Konzeption für ein sporthistorisches Museum der Stadt Leipzig“ vor. Im April 1976 beschloss der Stadtrat die Umsetzung. In einer auf dem Hauptgebäude des Zentralstadions errichteten Zusatzetage wurde am 23. Juli 1977 das Sportmuseum Leipzig als eine Teileinrichtung des Museums für Geschichte der Stadt Leipzig eröffnet. Schwerpunkte der ständigen Ausstellung mit ca. 3.000 historischen Objekten waren die Sporttraditionen der Arbeiterklasse und die Entwicklung des DDR-Sports.

Damit gab es nach dem Berliner Museum für Leibesübungen (1925-1934) erstmals deutschlandweit wieder ein Museum zur Geschichte des Sports, wenn auch mit deutlicher gesellschaftspolitischer Ausrichtung im Sinne der DDR-Staatsführung.

Bis 1991 wurden die Sammlungen auf über 30.000 Objekte erweitert und insgesamt 30 Sonderausstellungen präsentiert. Die Ausstellung „Lasst Kräfte sinnvoll walten“ zum 100-jährigen Jubiläum des Gewichthebens in Deutschland markierte am 31. August 1991 das Aus für das Sportmuseum auf der Dammkrone des Zentralstadions.

Zwar erfolgte 1993 ein Grundsatzbeschluss des Leipziger Stadtrates zum Erhalt des Museums bzw. der bedeutenden Sammlung, doch ein geeigneter Standort für das neue Sammlungs- und Dokumentationszentrum konnte nicht gefunden werden. Fünf Jahre lang zog die wachsende Sammlung von Interim zu Interim; die historischen Sportgeräte mussten zeitweise in konservatorisch ungeeigneten Räumen wie im Torhaus Dölitz, in der ehemaligen „Iskra“-Gedenkstätte in Probstheida oder im Kellerbereich der ehemaligen DHfK untergebracht werden.

Trotz aller Improvisationen wurden die musealen Arbeiten zielgerichtet fortgeführt. Bereits 1995 gab es im Alten Rathaus die Sonderausstellung „Was mit Reck und Barren begann – 150 Jahre Turnen und Sport in Leipzig“ zu sehen. Ergebnisse der engagierten Sammlungs- und Forschungsarbeit zur Leipziger Sportgeschichte flossen in diese Ausstellung und die 1996 erschienene Festschrift ein.

Im Oktober 1996 konnten das Museum und der seit 1991 aktiv unterstützende Förderverein Sächsisches Sportmuseum Leipzig e.V. Räume in einem Gebäude auf dem Gelände Friedrich-Ebert-Straße 130 (heute Am Sportforum 10) beziehen.

Im Jahr 2000 begann im Rahmen eines ABM-Projektes die umfassende PC-gestützte Sammlungserfassung für den Bestand Sportgeschichte. Mit rund 33.000 Datensätzen ist seither mehr als ein Drittel des Bestandes digital erfasst und über die Objektdatenbank des Stadtgeschichtlichen Museums im Internet recherchierbar. Die letzte große Ausstellung des Sportmuseums „Herr der Regeln“ 2006 anlässlich der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland beschäftigte sich mit dem Thema Schiedsrichter und war international viel beachtet.

Als 2004 das über 50 Jahre alte Schwimmstadion abgerissen werden sollte, wurden authentische Gegenstände dieser mit der Leipziger Sportgeschichte eng verbundenen Anlage in den Fundus aufgenommen. Damals war noch nicht vorhersehbar, dass im verbliebenen Kassengebäude ein museales Domizil für das neue Sportmuseum entstehen könnte.

Seit 1996 waren zahlreiche Standorte für ein Leipziger Sportmuseum im Gespräch, darunter Schulgebäude mit Turnhalle, die ehemalige Kaserne Schönau oder das Landratsamtsgebäude am Tröndlinring.

2007 endlich entschied sich der Stadtrat für die Nordtribüne mit dem Kassenflügel des ehemaligen Schwimmstadions als zukünftiges Domizil. Zeitgleich wurde ein inhaltliches Konzept verabschiedet.

Unter dem Motto „Sport – anders sehen und neu erleben“ sollten sich Besucher in das „Archiv der Dinge“ und damit direkt in die Sammlungen aus rund 200 Jahren Sportgeschichte begeben können. Zum Mitmachen und Ausprobieren sollen Aktiv-Erlebnis-Räume und ein Außenbereich einladen.

Dennoch ist die Zukunft eines neuen Leipziger Sportmuseums ungeklärt.

Die Sonderausstellung „In Bewegung. Meilensteine der Leipziger Sportgeschichte“, die im kommenden Jahr im Stadtgeschichtlichen Museum gezeigt wird, soll die Wartezeit verkürzen.

Vom 10. April bis 16. September 2018 soll die Ausstellung im Haus Böttchergässchen Teile der Sammlung präsentieren und Orte und Themen der geplanten historischen Sportroute vorstellen. Die Ausstellung könnte so betrachtet eine gute Grundlage für eine künftige Ständige Ausstellung sein.

Das Fazit der Museumsmacher: Gute Dinge brauchen einen langen Atem – auch in der Leipziger Sportgeschichte. Die beteiligten Museumsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter bleiben optimistisch.

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