Am Sonntag, 9. September, ist die Turmbesteigung in der Thomaskirche kostenfrei. Denn es ist Tag des offenen Denkmals 2012. Neue Attraktion beim Turmaufstieg ist ein frisch restaurierter Soldat. Das Wandgemälde entstand kurz nach der Völkerschlacht 1813, als die Kirche als Lazarett und Gefängnis genutzt wurde. Nun trägt der Wachmann Sachsens Rock.

Wenn eine halbe Million Soldaten im Weichbild einer Großstadt aufmarschieren und dann über vier Tage eine mörderische Schlacht schlagen, wird eine ganze Region zum Kriegsgebiet. Und das über Wochen, gar Monate – auch wenn die Waffen schon längst wieder schweigen. Das hinterlässt Spuren.

Das war auch zur Völkerschlacht im Oktober 1813 so. Deshalb finden sich auch in der Leipziger Thomaskirche noch heute Relikte der damaligen Kriegsereignisse. Da ist zum einen eine Kanonenkugel, die am 18. Oktober 1813 aus Richtung Eutritzsch auf das Stadtzentrum abgeschossen wurde, den Turm von St. Thomas traf und bis in den Kirchenraum eindrang, wie Thomaspfarrer Christian Wolff erzählt. Und dann ist da das Bildnis eines Wachsoldaten, das eine Tür im Turmaufgang ziert.

Letzteres strahlt nun in frischem Glanz und teils neuen Farben. Der Soldat, dessen Bildnis zweifelsfrei der Zeit der Befreiungskriege zuzuordnen ist, trägt nun nicht mehr den schwarzen Rock der preußischen Jäger. Sondern ein sächsisches Grün. Es ist sonst ja eher selten, dass in den Nachbetrachtungen der Schlacht auf sächsischem Boden sächsische Soldaten eine Rolle spielen. “Die Erkenntnisse sprechen eher dafür”, sagt Restauratorin Claudia Nicolaisen- Luckenbach über die neue Sachsen-Theorie. Dabei stützt sie sich auf akribische Nachforschungen des Leipziger Architekten Stefan Riedel. Somit trägt der Wachmann im Turm nun die Uniform eines sächsischen Fußartilleristen.
Aufgebracht wurde das Bild ganz offenbar im November 1813 auf der Tür eines Holzverschlages. Und zwar auf der ersten Turmebene des Kirchenturmes, 52 Stufen über der Straße. Nach Nicolaisen- Luckenbach befand sich dort offenbar eine Wachstube. Denn rund um die Völkerschlacht wurde die große Stadtkirche zuerst als Lazarett genutzt, und dann auch noch als Unterbringungsort für gefangen genommene französische Soldaten.

Nach dem die Sachsen am 18. Oktober 1813 ihren langjährigen französischen Verbündeten und “Großen Bruder” im Rheinbund abtrünnig wurden, wurden sie von den antinapoleonischen Verbündeten sofort auf der anderen Seite wieder eingesetzt. Offenbar eben auch zur Gefangenenbewachung.

“Das Gesicht wies große Verluste auf”, nennt Claudia Nicolaisen- Luckenbach als größte Herausforderung ihrer Arbeit. Zu dieser kam es übrigens auf Anregung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Deren Leipziger Ortskuratorin Brigitte Kempe-Stecher verweist beim Ortstermin am Donnerstag darauf, dass die gut 4.000 Euro teuren Arbeiten durch eine zweckgebundene Zuwendung von Dr. Christian Olearius ermöglicht wurden.

Die Vorfahren des Spenders wirkten einst als lutherische Theologen in der Region. Doch gibt es auch genealogische Verflechtungen mit der Familie des Dichters Theodor Körner (1791 – 1813), der während der Befreiungskriege den schwarzen Rock der Lützower Jäger trug.

Zu sehen ist der nun sächsische Wachmann für die Öffentlichkeit am Tag des offenen Denkmals am Sonntag, 9. September 2012. Damit schlage man schon den Bogen zum großen Jubiläumsjahr 2013, wenn der Völkerschlacht und der Denkmalseinweihung in Probstheida einhundert Jahre später erinnert werden wird.

Die Auftaktveranstaltung zum diesjährigen Denkmalstag findet übrigens am Sonntag um 11 Uhr in der Lutherkirche im Johannapark. Das Gotteshaus soll bis 2017, dem Jahr des großen Jubiläums der lutherischen Reformation, als komplett sanierter Multifunktionsraum Teil des Campus Forum thomanum sein.

Mehr zum Thema “Die Thomaskirche im 19. Jahrhundert” kann man zudem am Montag, 10. September 2012, um 20:00 Uhr, in der Thomaskirche erfahren. In Rahmen der Veranstaltungsreihe des diesjährigen THOMANA-Jubiläums spricht Dr. Thomas Töpfer vom Historischen Seminar der Universität Leipzig zu “Die Thomaskirche zwischen Tradition und bürgerlicher Revolution”.

www.thomaskirche.org

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar