Nur wenige Gegenstände aus Johann Sebastian Bachs Privatbesitz sind bekannt. Neben einer 2009 wiederentdeckten Schatztruhe mit dem Bach-Siegel, die seit 2010 im Bach-Museum Leipzig gezeigt wird, und einem gravierten Glaspokal im Bachhaus Eisenach galt die in den 1960er Jahren in Amerika wiederentdeckte und mit Randbemerkungen Bachs versehene Bibelausgabe von 1681, kommentiert durch den Wittenberger Theologen Abraham Calov, seinerzeit als Sensationsfund.

In der neuen Kabinettausstellung “Bach · Bibel · Gesangbuch” des Bach-Museums Leipzig wird ab Donnerstag, 10. Mai, ein weiterer, kaum weniger spektakulärer Fund der Öffentlichkeit vorgestellt.

Bis zum Herbst 2011 war unbekannt, dass Bach neben der Calov-Bibel noch eine weitere kostbare Bibel besessen hat. Damals bot ein Internet-Auktionshaus in den USA ein seltenes Exemplar der berühmten und reich illustrierten Merian-Bibel von 1704 an. Matthäus Merian hatte von 1625 bis 1628 mehr als 200 biblische Kupferstiche geschaffen, die sämtlich in den Folio-Neudruck (Frankfurt/Main 1704) übernommen wurden.

Dass die Titelseite der Bibel einen beachtenswerten Besitzvermerk enthielt, wurde zwar in der Beschreibung mitgeteilt, blieb jedoch zunächst ohne Konsequenz. Dank der Aufmerksamkeit und Kenntnis eines Passauer Privatsammlers kam die Zimelie nach Deutschland zurück. Ihm ist es auch zu verdanken, dass diese Bibel dem Bach-Archiv Leipzig für eine Auswertung zur Verfügung gestellt wurde. “Dass sich Bachs Merian-Bibel nun als Dauerleihgabe im Bach-Museum befindet, ist eine besonders großzügige Geste des Besitzers, für die wir höchst dankbar sind”, betont der Direktor des Bach-Archivs Leipzig, Prof. Dr. Dr. h. c. Christoph Wolff. “Dieser Überraschungsfund ist in seiner Bedeutung kaum zu unterschätzen, bezeugt er doch das Interesse des Komponisten an der umfassenden Wirkung der Bibel in Wort, Musik und Bild.”

Dass sich die Bibel einst im Besitz Bachs befunden hat, geht aus dem auffälligen Besitzvermerk auf der Titelseite hervor. Dieser lautet: “ISBach. / 1744.”, wobei die Initialen zu einem mehrstöckigen Monogramm verschlungen sind. Derart kunstvoll stilisierte Unterschriften Bachs sind nicht gerade häufig anzutreffen. Ähnliche monogrammartige Namenszüge Johann Sebastian Bachs finden sich auf einem heute in der Bibliothek der Cambridge University (England) aufbewahrten Exemplar des 1571 gedruckten Tabulaturbuchs von Elias Nikolaus Ammerbach, auf den Titelseiten der dreibändigen Calov-Bibel sowie einem ehemals im Besitz von Gerhard Herz befindlichen Zettelchen.

Unbekannt bleibt, wie Bach in den Besitz der Merian-Bibel gekommen ist. Denkbar wäre ein Geschenk, eine Übernahme aus einem Nachlass oder eine Erwerbung auf einer der zahlreichen Leipziger Buchauktionen. Eine erste Durchsicht von Leipziger Auktionskatalogen aus der fraglichen Zeit führte bislang zu keinem Ergebnis. Auch über den Verbleib des Bandes nach Bachs Tod ist nichts bekannt. Erst knapp drei Jahrzehnte danach, im Jahr 1779 trug ein Nachbesitzer stolz seinen Namen auf der Rückseite des Titelblatts ein: Johann Christoph Günther – ein bekannter Theologe und Chronist aus Gera. Danach verliert sich erneut die Spur der Bibel, bevor sie nach Amerika gelangte.Im Herbst des Jahres 2010 wechselte die kostbare Bibel wiederum den Besitzer, und dieser sorgte dafür, dass die Bach-Bibel ihre Heimreise Richtung Leipziger Thomaskirchhof antrat. Ein Forscher des Bach-Archivs Leipzig und ausgewiesener Kenner der Handschrift Bachs, Dr. Peter Wollny, wurde in diesem Zusammenhang vom neuen Besitzer wegen einer Expertise ins Vertrauen gezogen. “Die Bibel befindet sich in einem sehr guten Zustand”, erläutert Wollny. “Der originale Einband ist sehr gut erhalten, und allein die zahlreichen illustrierenden Kupferstiche belegen, neben den bekannten Initialien, den Wert dieser bibliophil ausgestatteten Kostbarkeit.”

Peter Wollny bescheinigt zudem: “Verglichen mit den uns bekannten Belegen wirkt der Namenszug in der Merian-Bibel unpersönlicher und stärker formalisiert. An seiner Echtheit kann aber dennoch kein Zweifel bestehen. Die Buchstaben ‘ISB’ entsprechen genau dem Eintrag in die Ammerbach-Tabulatur, und auch für die übrigen Buchstaben lassen sich Belege in eigenhändigen Schriftstücken der 1740er Jahre finden.”

Ab dem 10. Mai wird die Merian-Bibel aus Bachs Besitz in der Kabinettausstellung “Bach · Bibel · Gesangbuch” erstmals öffentlich im Bach-Museum Leipzig gezeigt. Die Kabinettausstellung im Rahmen der Lutherdekade wird vom weltweit größten Versicherungsmakler Aon präsentiert und durch den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gefördert. Bis zum 29. Juli, somit auch während des Bachfestes Leipzig 2012, kann die Merian-Bibel im Bach-Museum Leipzig besichtigt werden.

www.bach-leipzig.de

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