Der gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk hat einen klaren Auftrag: „Die Angebote haben der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung zu dienen. Sie haben Beiträge insbesondere zur Kultur anzubieten“, heißt es im § 11 des Rundfunkstaatsvertrages. Die in Leipzig tagende Ministerpräsidentenkonferenz der Bundesländer will nun den Kultursender 3sat mit arte, dem deutsch-französischen Gemeinschaftsprojekt für die Förderung des gegenseitigen Verständnisses in Europa, aus Kostengründen fusionieren.
Dagegen regt sich Widerstand, nicht nur in Künstlerkreisen. Die von der Fernsehproduzentin und Journalistin Katja Riha gestartete Petition „Rettet 3sat“ erreichte 150.000 Unterschriften und sollte am 23.10. an die Ministerpräsidentenkonferenz übergeben werden.
Am Donnerstag, dem 24. Oktober, fand vor der Kongresshalle eine musikalische Mahnwache mit über 100 Orchestermusikerinnen und Musikern und Chorsängerinnen und Sängern, aus mehreren Bundesländern, und anderen Teilnehmenden statt. Insgesamt waren wohl etwa 200 Menschen vor Ort.
Wir fragten Katja Riha: Führt die Fusion von 3sat mit arte zu einer Verarmung der Kulturlandschaft und welche Resonanz hatte die Petition?
„Wir wollen mit, Musik für den Erhalt von 3sat protestieren und kämpfen. Weil das Problem ist einfach, es gibt einen Gesetzesentwurf und wenn der durchgeht, das wird jetzt hier, also wenige Meter von uns entfernt, entschieden, ob 3sat weiter erhalten bleibt, oder ob der Sender in einer rasend schnellen Zeit einfach verschwinden wird. Und wenn 3sat verschwindet, dann verschwindet ganz viel Kultur, Kunst, Strukturen, die extrem wichtig sind für dieses Land.
Ich habe die Petition vor fast genau drei Wochen gestartet. Da war ich erst alleine, jetzt nach drei Wochen, also heute Morgen, waren es über 157.000, was irre ist. Und was aber auch irre ist, was mich total freut, ist: Ich habe wahnsinnig viele Erstunterzeichnende, die sehr prominent sind, also ganz tolle Musiker von Wolfgang Niedecken über Jan Delay, Schauspieler wie Iris Berben, Künstler, Kunstschaffende aus Österreich, aus der Schweiz.
Ich will die jetzt alle gar nicht einzeln irgendwie aufzählen. Was halt noch erfolgreich war, was mich wahnsinnig freut ist, dass sich fast 100 Verbände, Institutionen, Unternehmen, wie Akademie der Künste, Deutscher Kulturrat, Deutscher Musikrat, Deutscher Journalistenverband sich solidarisch erklärt haben.
Unter anderem auch, das hat mich wahnsinnig gefreut, die deutschsprachigen Filmhochschulen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz. 3sat ist eben eine Plattform für Kunst und Kultur, auch für Bildung, auch für Wissenschaft. Und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich und der Schweiz.“
Die Mahnwache wurde von unisono, der Deutschen Musik- und Orchestervereinigung, unter Beteiligung von ver.di organisiert und durchgeführt.
Johannes Winkler, Leipziger Orchestermusiker und Organisator der Mahnwache, sagte uns: „Ich bin Leipziger Musiker im MDR Sinfonieorchester und bin heute hier bei der Aktion ‚Rettet 3sat, rettet unsere Kultur‘. Ich spreche natürlich auch als Leipziger Musiker, weil Leipzig ist eine Musik-, Kultur-, Kunst- und Medienstadt und genau diese Vielfalt bildet 3sat ja schon seit Jahrzehnten ab. Diese Vielfalt muss erhalten bleiben.“
In Ihrer Ansprache bedankte sich Katja Riha bei den Teilnehmenden und wies nochmals auf die Bedeutung von 3sat für die Kulturlandschaft hin. Sie nannte auch die Summen, die durch einen Wegfall von 3sat eingespart würden im Vergleich zu den Gesamtaufwendungen für den ÖRR.
Die Mitglieder des ad hoc Ensembles spielten und sangen beim Eintreffen der Ministerpräsidenten das „Wach auf“ aus den Meistersingern.
Die Ministerpräsidentenkonferenz ließ sich von der Petition und den Protesten nicht beeindrucken. Sie empfiehlt, die Zahl der rund 70 Hörfunkwellen um 20 zu reduzieren und einen Teil der 10 Fernseh-Spartensender von ARD und ZDF wegfallen zu lassen. Darunter fällt auch die Fusion von arte und 3sat. Jetzt müssen die Landesparlamente entscheiden. Wenn ein Land dem nicht zustimmt, dann kommt diese Kürzung nicht zustande.
Ist die ÖRR-Reform Augenwischerei?
Eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist überfällig, da stimmen wohl die meisten Bürgerinnen und Bürger, aber auch viele direkt Betroffene in den Sendeanstalten zu.
Was hilft aber eine Zusammenlegung von 3sat und arte in Hinsicht auf finanzielle Einsparungen?
Von den 18,36 Euro, die jeder Haushalt zahlt, entfallen auf 3sat 0,02 (0,1 %) € und auf arte 0,34 € (1,85 %). Hierbei muss selbstverständlich betrachtet werden, dass wahrscheinlich bei einer Fusion Strukturen, also Personal und Kosten, in die neue Struktur übernommen werden. Die Einsparungen sind also minimal. Schaut man in die Grafik, sieht man leicht, dass dies auch für die anderen Sender, über die entschieden werden soll, zutrifft.
Wo sind nun Kosten, die weitaus höher liegen als bei diesen Sendern?
Da gibt es die Altersversorgung, oft Pensionen genannt, zu der auf der ARD-Webseite zu lesen ist: „Im Ergebnis macht der sogenannte finanzbedarfswirksame Nettoaufwand der Altersversorgung bei den ARD-Landesrundfunkanstalten etwa 7,6 Prozent* der Gesamtaufwendungen aus. Um die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler nicht mit Ansprüchen der betrieblichen Altersversorgung aus der Vergangenheit zu belasten, werden von den Rundfunkanstalten Deckungsstöcke für die späteren Rentenzahlungen gebildet.“
7,6 Prozent, das ist eine andere Hausnummer als die oben genannten 1,6 Prozent.
Es geht weiter mit den jährlichen Vergütungen der Intendantinnen und Intendanten der ARD. Im Jahr 2023 lagen diese für die 12 Personen, inklusive Aufwandsentschädigungen und Sachkosten, bei 3.267.058,00 €. Die Aufwendungen für die Leitungsebene der Regionalen Sendeanstalten ist hier nicht eingerechnet.
Das sind nur zwei Beispiele für Budgetstellen, an denen man sparen könnte.
Fazit: Die geplanten Fusionen von Sendern bei der ARD, wie 3sat, arte, KIKA, phönix, One, tagesschau24, wird keine erhebliche finanzielle Einsparung bringen. Hier wird, bei der ARD, über rund 3,3 Prozent der Gesamtaufwendungen gesprochen, beim ZDF wird es ähnlich aussehen. Die wirklichen Effekte werden geringer ausfallen und die einzigen, die eingespart werden, sind wie immer jene am Ende der Fahnenstange, geschätzt von Menschen, die zum Beispiel Kultur lieben.
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