Beginnen wir mit dem Begriff „Trusted Flagger“, der momentan durch die Medien, besonders durch die (a)sozialen, geistert. Der bedeutet einfach gesagt: „vertrauenswürdiger Hinweisgeber“, die korrekte Übersetzung als „zuverlässiger Flaggenhalter“ führt in die Irre. Wozu braucht es Trusted Flagger?

„Im Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste sind vertrauenswürdige Hinweisgeber dafür verantwortlich, potenziell illegale Inhalte zu erkennen und Online-Plattformen zu warnen. Sie sind von den nationalen Koordinatoren für digitale Dienste benannte Stellen“, fordert die Europäische Kommission deren Einführung im Digital Service Act (DSA).

Es braucht also erst einmal einen nationalen Koordinator, den Digital Service Coordinator (DSC), der für Deutschland bei der Bundesnetzagentur, samt einem Beirat, installiert wurde.

Der DSC vergibt an Organisationen, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, den Status als „Trusted Flagger“. So weit, so bürokratisch.

Was sind die Befugnisse der Trusted Flagger?

Kurz gesagt, Trusted Flagger haben keine Befugnisse. Sie melden Inhalte im Netz, die sie als illegal erkennen oder die ihnen gemeldet wurden, an die Plattformen wie X, Facebook und andere, aber auch an ebay & Co., die dann von diesen geprüft werden. Der Unterschied zu einer Meldung von Usern oder einer Meldestelle, wie es sie schon länger gibt, ist, dass die Plattformen unverzüglich reagieren müssen.

Trustet Flagger können Inhalte oder User nicht sperren oder entfernen.

Was sind illegale Inhalte?

Die EU-Kommission bleibt da vage, sie spricht von potenziell illegalen Inhalten wie Hetze oder terroristischen Inhalten. Bei der Bundesnetzagentur in Deutschland lehnt man sich, nach einer Korrektur, weiter aus dem Fenster. Man spricht von: illegalen Inhalten, illegalem Hass und illegalen Fake News.

Wir dürfen gespannt sein, wann Hass oder Fake News als legal oder illegal eingestuft werden.

REspect!, der Deutsche Trusted Flagger

Die Bundesnetzagentur hat die seit 2017 aktive Meldestelle REspect!, eine Einrichtung des Trägers Jugendstiftung Baden-Württemberg, als Trusted Flagger zugelassen. Dazu schreibt die BNA: „REspect! konzentriert seine Arbeit als Trusted Flagger vor allem auf soziale Netzwerke und Video-Plattformen wie Facebook, X, Instagram, TikTok, YouTube und Telegram. Der Fokus liegt auf Identifizierung von Hassrede, terroristischer Propaganda und anderen gewalttätigen Inhalten, die in deutscher, englischer und arabischer Sprache verbreitet werden.“

Leiter der Meldestelle ist Ahmed Gaafar, an dem sich viele Diskussionen entzünden.

Nicht nur das Netz tobt

Bei Facebook kursiert ein Bild, auf dem Ahmed Gaafar mit Kufiya auf den Kopf gezeigt wird. Der Text lautet: „Das ist der Islam-Gelehrte Ahmed Gaafar, Deutschlands oberster Zensor“. Es gehört mehr als Phantasie dazu, einen Menschen der Islamwissenschaften studiert hat, als Islam-Gelehrten, was als Mufti oder Ulema verstanden wird, zu bezeichnen, Gafaar hat noch zwei weitere Masterabschlüsse. Dass der Leiter der Meldestelle kein Zensor ist, geht aus dem oben Beschriebenen hervor.

Aber auch Wolfgang Kubicki tobt bei Cicero, Henryk M. Broder auf YouTube und die „Welt“ nennt gleich die Bundesnetzagentur „die nette neue Zensurbehörde“. Der Tenor ist: „Die Bestellung von Trusted Flaggern ist ein Angriff auf die Meinungsfreiheit.“

Meinungsfreiheit auf Internetplattformen ist ein Witz

Die sozialen Medien sind in der Hand von Privatanbietern und diese bestimmen, was wir (bevorzugt) sehen, manchmal löschen sie auch oder sperren gleich Nutzer. Das ist selbstverständlich keine „Zensur“ im rechtlichen Sinne, die wäre es nur, wenn eine staatliche Stelle diese anordnet.

Man kann sich daran erinnern, dass Facebook Beiträge wegen „Darstellung von Nacktheit“ sperrte, auf denen das Gemälde „Die Freiheit führt das Volk“ gezeigt wurde.

Dann gibt es noch den bei Plattformen beliebten Shadowban, der ist besonders perfide, weil Nutzer nicht merken, dass ihre Reichweite eingeschränkt oder gleich auf Null gesetzt wird.

Ob durch Algorithmen oder Menschen veranlasst, die Meinungsfreiheit auf den Internet-Plattformen ist reguliert und liegt in der Hand der Betreiber. Es stellt sich zum Beispiel die Frage: Lässt X unter Elon Musk, der Trump unterstützt, seinen Nutzern, die gegen Trump anschreiben, ihre Reichweite?

Also alles gut mit den Trusted Flaggern?

Könnte man meinen, ich habe aber trotzdem einige Probleme damit.

Ein Problem ist: Wie reagieren die Plattformen auf Meldungen der Trusted Flaggers? Die Plattformen müssen prüfen, ob die gemeldeten Inhalte wirklich illegal sind. Tun sie das? Oder handeln sie so wie bei konzertierten Meldeaktionen durch große Nutzergruppen oder Bots, die dazu führten, dass Inhalte oder Nutzer gesperrt wurden obwohl keine Verstöße vorlagen?

Ein weiteres Problem ist die Neutralität, eigentlich die vermeintliche, der Trusted Flaggers. Melden wirklich Nutzer aller politischen Coleur Verstöße an diese? Suchen die Trusted Flaggers wirklich neutral nach Verstößen? Haben die Menschen Vertrauen zu den Akteuren?

Fazit: Trusted Flaggers sind nicht per se ein Eingriff in die Meinungsfreiheit. Trotzdem ist der Eingriff der EU-Kommission und der Bundesnetzagentur nicht als problemlos zu betrachten. Es gibt theoretisch Möglichkeiten der staatlichen Einflussnahme. An dieser Stelle lohnt ein Zitat der deutschen Piraten-Politikerin Anja Hirschel: „Erlaube deiner liebsten Regierung nur das, was du auch der am schlimmsten denkbaren Regierung erlauben würdest!“

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