Am heutigen Montag, 11. Oktober, veröffentlicht die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung (SLpB) ihre Studie „Medienkompetenz in Sachsen. Auf dem Weg zur digitalen Gesellschaft“. Als Fazit bescheinigt sie den Sachsen: „Rund ein Drittel der Sachsen verfügen nur über ein geringes Wissen über Medien.“

Die Studie ist die erste repräsentative Studie zu diesem Thema und analysiert, wie Medien in Sachsen genutzt werden, über welches Wissen und welche Medienkompetenz die sächsische Bevölkerung verfügt und mit welchen Maßnahmen der kompetente Umgang mit Medien gefördert werden kann. Es handelt sich um die Ergebnisse einer Untersuchung des Pilotprojektes Medienpädagogisches Zentrum+ (MPZ+) in Torgau, die im Jahre 2020 durchgeführt wurde.„Medienkompetenz ist auch Demokratiekompetenz“, erklärt der Direktor der Landeszentrale für politische Bildung Dr. Roland Löffler. „Denn nur wer Quellen, Akteure und deren Interessen erkennen und kritisch hinterfragen kann, kann selbstbestimmt am demokratischen Diskurs teilnehmen.“

Für die Autoren der Studie, Dr. Benjamin Bigl und Markus Schubert, ist Medienkompetenz eine elementare Schlüsselkompetenz im digitalen Zeitalter, die zunehmend Freizeit, Ausbildung, Beruf und Arbeitsleben betrifft. Was schon die Problematik des Ansatzes beschreibt. Dazu kommen wir weiter unten.

„Auch im Kontext der jüngsten Wahlergebnisse sind unsere Befunde problematisch“, meint Dr. Benjamin Bigl. „Gerade im ländlichen Raum verfügen die Menschen über deutlich geringere Kenntnisse über Medien sowie deren Strukturen, auch digitale Kommunikationsdienste und Tools werden deutlich weniger genutzt als in den urbanen Gebieten.“

Was die SlpB als Ergebnis der Studie sieht

Der Studie zufolge sind zwischen 30 und 40 Prozent der sächsischen Bevölkerung grundlegende journalistische Arbeitsweisen und -prinzipien nicht bekannt. Die größten Wissenslücken bestehen bei den Befragten unter 35.

„Rund 20 Prozent der jungen Erwachsenen sind davon überzeugt, dass die meisten Medien Eigentum des Staates sind“, so Bigl. „Fast 40 Prozent der über 65-Jährigen etwa sind davon überzeugt, dass Medien die Funktion haben, die Meinungsbildung in der Bevölkerung zu lenken.“

Positiv sei, dass jeder Zweite in Sachsen ein grundsätzliches Interesse an Weiterbildungsangeboten über Medien habe. Für die derzeitig existierenden Angebote lassen sich jedoch nur etwa 15 Prozent begeistern.

Dr. Benjamin Bigl: „Es ist enorm wichtig, den individuellen Lebens- und Erfahrungshorizont der Menschen zu berücksichtigen und niedrigschwellig mit den Bürgerinnen und Bürgern über und mit Medien ins Gespräch zu kommen.“

Wozu die "Medien" aus Sicht der Befragten eigentlich da sind. Grafik: SLpB, Medienkompetenz in Sachsen
Wozu die „Medien“ aus Sicht der Befragten eigentlich da sind. Grafik: SLpB, Medienkompetenz in Sachsen

Vor allem Senioren benötigten Unterstützung in der Medienwelt, diese hätten jedoch das geringste Weiterbildungsinteresse.

Medienabhängigkeit und -sucht sowie Ausgrenzung und Mobbing im Netz erleben vor allem Jugendliche in Sachsen als herausfordernd. Sie fordern deutlich mehr Unterstützung, um Orientierung in der Medienwelt zu bekommen.

„Die Ergebnisse sind auch ein Hilferuf der Heranwachsenden, der uns alle zum Handeln auffordert“, so Markus Schubert. Die größte Chance, einen kompetenten Umgang mit (digitalen) Medien zu erreichen, sehen die Sachsen folgerichtig im schulischen Bereich. Zwei Drittel der Sachsen halten die Einführung eines speziellen Schulfachs für relevant oder sehr relevant.

„Der Staat steht in der Verantwortung, um die Gesellschaft auf das digitale Zeitalter vorzubereiten“, meint Dr. Benjamin Bigl. „Der Weg hin zur digitalen Gesellschaft erfordert daher ein Neudenken der Daseinsfürsorge des Staates insgesamt. Das betrifft nicht nur die digitale Infrastruktur, sondern insbesondere auch den schulischen Bereich.“

Wie es das Kultusministerium sieht

Auch das Sächsische Staatsministerium für Kultus (SMK), das die Studie mitfinanzierte, unterstreicht die Bedeutung der Medienbildung und verweist auf Lehrplanänderungen. Mit dem Ziel, die Medienkompetenz stärker zu verankern, wurden alle Fachlehrpläne der allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen überarbeitet. Die neuen Lehrpläne sind seit dem Schuljahr 2019/2020 Grundlagen für den Unterricht.

Zudem ermöglicht das SMK, in Zusammenarbeit mit der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (SLM), den Schulen fachübergreifend die Durchführung eigener ergänzender Angebote zur Medienbildung. Im außerschulischen Bereich hat das Kultusministerium 2019 die Landesstrategie „Medienbildung in Sachsen“ (MESA) veröffentlicht. Die SLM flankiert die Maßnahmen des SMK zusätzlich mit zielgruppenorientierten Maßnahmen für Erwachsene.

„Die Studie macht deutlich, dass viele Erwachsene mehr Orientierung und Hintergrund benötigen, um sich in dem täglichen Überangebot an medialen Informationen zurechtzufinden“, hebt Eva Brackelmann, Vizepräsidentin des Medienrates der SLM, hervor.

„Die SLM greift dies gezielt und flächendeckend für ganz Sachsen auf. Seit Juli 2021 fördert sie mit Hilfe unterschiedlicher Träger in 15 regionalen Wirkungskreisen möglichst passgenaue lokale wie regionale Medienkompetenzangebote. Dabei sollen vor allem die Informations- und Nachrichtenkompetenzen gestärkt werden. Die Anregungen aus der Studie sind dabei sehr hilfreich.“

Und was lesen Journalisten in der Studie?

Das Studiendesign verrät, dass hier sowohl die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung (SLpB) als auch die SLM und das Kultusministerium ihre Sichtweisen eingebracht haben. Und damit auch ihre Sichtweisen, wie sie Medien und Medienkompetenz sehen.
Und schon bei „Medien“ geht es wild durcheinander. Denn weder haben alle Medien dieselben Aufgaben, noch erfüllen alle Medien journalistische Standards (und müssen sie auch nicht).

Und natürlich nutzen die auch von der ARD/ZDF-Online-Studie erfassten Personen nicht 9 bis 10 Stunden lang journalistische Angebote. Im Gegenteil: Der größte Teil, dieser fast tagesfüllenden Mediennutzung hat nichts mit Journalismus oder Presse-Angeboten im weitesten Sinn zu tun. Darin stecken haufenweise Chats und Spiele, Musik und Unterhaltung.

Deshalb geht es schon bei der Frage „Wie häufig nutzen Sie persönlich die folgenden Geräte und Medien?“ drunter und drüber. Ein Fehler, den wir auch schon in anderen „Medien“-Umfragen sehen mussten. Wie sollen da die Antwortenden genau unterscheiden, wenn es schon im Kopf der Befrager so munter durcheinandergeht und sie nicht mal klar trennen zwischen Ausspielkanälen und journalistischen Inhalten?

Der bunte Salat der Mediennutzung aus Sicht der Befrager. Grafik: SLpB, Medienkompetenz in Sachsen
Der bunte Salat der Mediennutzung aus Sicht der Befrager. Grafik: SLpB, Medienkompetenz in Sachsen

Dass die meisten Befragten sehr wohl unterscheiden können, was nun einfach nur Unterhaltung oder Austausch per WhatsApp ist, machen die Antworten auf die Frage „Wenn Sie die folgenden Wissensfelder und Kompetenzen bei sich selbst bewerten müssten, welche Schulnote würden Sie sich geben?“ deutlich. Da schreibt sich eine Mehrheit nämlich hohe Kompetenzen beim Bedienen von Unterhaltungs- und Austausch-Medien zu, aber deutlich weniger halten sich beim Hinterfragen von Medien und der Prüfung der Verlässlichkeit von Quellen für kompetent.

Diese Selbst-Einschätzung haben die Befrager mit konkretem Medienwissen abgeglichen und kamen zu der gar nicht überraschenden Erkenntnis, dass Wissen über die wirkliche Funktion von Medien direkt mit Kompetenz in der Nutzung von – journalistischen – Angeboten korrespondiert. Leider auch bei dieser Frage die Vermengung von „Medien“ mit journalistischen Angeboten. Aber wenn man das nicht trennt, bekommt man auch keine klaren Bilder.

Denn natürlich hat die Übertragung von Fußballspielen, Spielshows und Volksmusiksendungen nichts mit öffentlicher Meinungsbildung und der Schaffung einer öffentlichen Kommunikation zu tun. Dafür sehr viel mit Volksbespaßung. Und da reicht eben nicht der ausgestreckte Zeigefinger auf Facebook und die anderen digitalen Quatschmedien.

Da darf man auch auf die Rolle des Privatfernsehens, die Unterhaltungsprogramme der Radiosender und die der Boulevardmedien hinweisen, die natürlich das Bild von dem, was „Medien“ sind, verändert haben. Sie haben den Nutzern tatsächlich das Gefühl gegeben, dass Medien zum Werbung-Machen und zum Meinung-Machen da sind.

Da überrascht dann überhaupt nicht, wenn 69 Prozent der Befragten meinen, Journalisten müssten sich nicht an einen Kodex halten. Wobei die Befragung nicht mal nach dem Inhalt dieses Kodex fragt. Oder danach, woran man verlässliche und glaubwürdige Berichterstattung erkennt.

Was die Befragten so über Journalismus denken. Grafik: SLpB, Medienkompetenz in Sachsen
Was die Befragten so über Journalismus denken. Grafik: SLpB, Medienkompetenz in Sachsen

Eher reflektieren die Fragen die ganze etwas verquere Diskussion um den gern zitierten Auftrag der öffentlich-rechtlichen Sender, der aber nun einmal ein Gummi-Auftrag ist, in dem eine verlässliche journalistische Berichterstattung nur einen winzigen Teil der Sendezeit ausmacht.

Die Auftraggeber lesen aus der Studie den Auftrag heraus, noch mehr Medienbildung (auch in den Schulen) anzubieten. Kann man machen. Obwohl selbst der Frageteil zu den Medienbildungs-Angeboten nichts darüber aussagt, was die Leute da wirklich gelernt haben und zu welchem Teil der Medienkompetenz eigentlich.

Auch wenn zumindest 63 Prozent angeben, dass sie sehr gern lernen würden, wie man seriöse und glaubwürdige Quellen erkennt. Und 54 Prozent würden gern lernen, wie man Manipulationen und Beeinflussung im Internet erkennt.

Der Hintergrund der Studie

Die Studie „Medienkompetenz in Sachsen. Auf dem Weg zur digitalen Gesellschaft“ wurde 2020 im Auftrag des Landkreises Nordsachsen im Pilotprojekt MPZ+ in zwei Teilstudien vom Marktforschungsunternehmen CONOSCOPE (Leipzig) durchgeführt. Das MPZ+ wurde bis Ende 2020 als eine Kooperation des Landkreises Nordsachsen, des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus (SMK) sowie der Sächsischen Landesanstalt für Rundfunk und Neue Medien (SLM) betrieben.

Zunächst wurden 50 Teilnehmende in 12 Fokusgruppen qualitativ befragt. Darauf aufbauend wurden sachsenweit 2.500 repräsentative Interviews telefonisch und online zu den Themen Medien- und Gerätenutzung, Internetnutzung und Probleme der Nutzung, Wissens- und Kompetenzfelder, Funktionszuschreibungen, Einstellung zu Journalismus, Weiterbildungsinteresse und -bedarfe durchgeführt.

Die Studie enthält außerdem relevante Zahlen und Fakten sowie eine Beschreibung ausgewählter Projekte guter Praxis und gibt Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen sowie Medieninteressierten Anregungen zur Gestaltung von Medienweiterbildungsangeboten an die Hand und ist kostenfrei über die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung erhältlich.

Im Rahmen regionaler Veranstaltungen der SLpB wird die Studie nach aktuellem Stand in den kommenden Wochen an folgenden Orten vorgestellt und öffentlich diskutiert:
–          04.11.2021 im Torgauer Schloss
–          18.11.2021 im Steinhaus Bautzen
–         02.12.2021 in der VHS Leipzig

–          Januar 2022 in Dresden

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Lieber Herr Julke,

dass sich weder das SMK noch die SLM inhaltlich Einfluss auf die Studie und ihre Fragen genommen haben, hatte ich bereits auf Twitter klargestellt.

Ja, es gibt unterschiedliche Bedeutungsebenen des Begriffs “Medium” gibt (vgl. dazu auch Mock, Th. (2006): Was ist ein Medium? Publizistik, 51, S. 183-200.)
Dies zeigt sich – u.a. bei schulischen Themen – in einem eher instrumentellen Verständnis als “Werkzeug” oder Trägermedium. Sachlich falsch ist ihre Kritik des Durcheinanders in der begrifflichen Verwendung, in der Studie haben wir bei Fragestellungen, die dezidiert auf redaktionelle, d.h. journalistische Medien abzielen, die deutlich kenntlich gemacht. Den Kollegen der Freien Presse (heutige Ausgabe, S. 4) ist dies aufgefallen: “Dafür wurde die Aussage, dass Medien – in diesem Teil ausdrücklich auf Zeitungen, Fernseh- und Radiosender beschränkt – die Meinungsbildung ” lenken” sollen, von 35 Prozent bejaht. 41 Prozent stimmten der Aussage zu, dass es zu ihren Funktionen gehört, ” das politische Geschehen zu kontrollieren” .

Gestatten Sie mir weiterhin den Hinweis auf eine mangelhafte Sorgfalt Ihrerseits in einem anderen Punkt: Die dem Artikel zu Grunde liegende PM der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung enthält 4 vorläufige Termine, an denen die Studie präsentiert und diskutiert wird: ” 04.11.2021 im Torgauer Schloss, 18.11.2021 im Steinhaus Bautzen, 02.12.2021 in der VHS Leipzig, Januar 2022 in Dresden”. Wie kann es sein, dass die LIZ aus der Veranstaltung am 2.12. in Leipzig den 30.11. macht und das Datum mit einer anderen Veranstaltung der VHS Leipzig (in Kooperation mit der SLPB) verlinkt, die nichts mit der Studie zu tun hat?

Freundliche Grüße
Benjamin Bigl

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