Manche Serien muss man irgendwann einfach zubinden. Nicht weil man ordentliche Antworten bekommen hätte. Sondern weil die angefragte Politik die Antworten verweigert, ausweicht, sich auf die alten Verteidigungslinien zurückzieht. Im April hatten wir den medienpolitischen Sprechern im Sächsischen Landtag 15 Fragen zum MDR geschickt, zu Transparenz und Gebührengerechtigkeit.
Geantwortet haben alle, auch wenn wir bislang nur vier Statements veröffentlicht haben. Die AfD wollte gern antworten, aber dann war das Thema in den neuesten parteiinternen Diskussionen doch nicht ganz so wichtig.
Der medienpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dirk Panther, hat zwischenzeitlich antworten lassen. Sehr summarisch. Eine Antwort, die eigentlich auch eher heißt: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist doch gar nicht so. Und die Geschäftsberichte sind doch einsehbar.
Wenn man sich für die Geschäftsberichte von 2012 und 2013 interessiert, stimmt das wohl. Aber auch nur ansatzweise. Denn wenn der MDR ein privates Unternehmen wäre, würden diese Geschäftsberichte genügen müssen. Aber das ist er nicht.
Dirk Panter war vom suggestiven Ton unserer Anfrage etwas verwirrt. Der war freilich so suggestiv, weil wieder nur alle Politiker ihren Senf zu einer Mini-Absenkung des Rundfunkbeitrags veröffentlichten.
Dirk Panter im April: „Eine Absenkung des monatlichen Beitrages um 30 Cent klingt auf den ersten Blick zwar verlockend und sie wäre angesichts der aktuellen Überschüsse auch möglich. Ich halte diesen Vorschlag auf lange Sicht gesehen jedoch für falsch. Eine Reduzierung des Beitrages ab 2017 hätte eine erhebliche Beitragssteigerung ab 2021 zur Folge, denn dann sind die Überschüsse aufgebraucht. – Der stetige Verweis auf weitere Sparmaßnahmen bei den Rundfunkanstalten ist ebenfalls keine Lösung – den öffentlich-rechtlichen Rundfunk stärkt man nicht, in dem man die Sender immer weiter auspresst und sich dann beschwert, wenn kein Saft mehr kommt. Zudem berücksichtigt der Vorschlag der KEF nicht, einen möglichen Einstieg in einen werbefreien öffentlich-rechtlichen Rundfunk. – Wir sollten das Ziel im Auge behalten, den Rundfunkbeitrag langfristig stabil zu halten. Aktuelle Überschüsse zurückzulegen, um damit Mehrbedarfe in der übernächsten Beitragsperiode zu finanzieren, wäre eine mögliche Lösung. – Mit diesem Weg planen wir langfristig und sorgen für Sicherheit bei der Bevölkerung und den Rundfunkanstalten.“
Mehr bekommt man aus der Politik dazu nicht zu hören.
Die zusammenfassende Antwort aus der SPD-Fraktion lautete dann auch: „Aufgabe des MDR als öffentlich-rechtlicher Sender ist es, ‚objektiven und umfassenden Überblick über das internationale, nationale und länderbezogene Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Sein Programm soll der Information und Bildung sowie der Beratung und Unterhaltung dienen und hat dem kulturellen Auftrag des Rundfunks zu entsprechen. Er dient der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung.‘ (§ 6 Abs. 1 Staatsvertrag über den Mitteldeutschen Rundfunk)
Die Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks müssen sich an alle Bevölkerungsgruppen und Schichten der Gesellschaft richten und die Meinungsvielfalt widerspiegeln, dies auch in Information, Bildung, Unterhaltung, Beratung und Kultur. So unterschiedlich die Menschen sind, so unterschiedlich ist auch das subjektive Empfinden hinsichtlich Modernität oder Sympathie gegenüber einem Moderator.
Die Kontrolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und damit auch des MDR erfolgt über die Gesellschaft in Form des Rundfunkrates. Dieser setzt sich aus Vertretern gesellschaftlicher Gruppen zusammen. (§19 Staatsvertrag über den Mitteldeutschen Rundfunk). Derzeit hat der Rundfunkrat des MDR 43 Mitglieder. Davon werden 9 Mitglieder von Parteien, entsprechend der Zusammensetzung des Parlamentes, entsandt. Parteien sind Bestandteil der Gesellschaft, sie wirken nach Art. 21 GG an der politischen Willensbildung des Volkes mit. Auf dieser Internetseite finden Sie alle Mitglieder des MDR-Rundfunkrates: http://www.mdr.de/mdr-rundfunkrat/mitglieder/index.html
Der MDR veröffentlicht im Internet seine Geschäftsberichte und Beteiligungsberichte. Diese können Sie nachlesen unter:
www.mdr.de/unternehmen/download3740.html
www.mdr.de/unternehmen/organisation/struktur/artikel78538.html“
Als wenn wir diese ganzen Links nicht kennen würden. Wer sich den letztverfügbaren Geschäftsbericht des MDR zu Gemüte führt, weiß, dass er darin nichts zu dem findet, was eigentlich immer wieder zu großen Diskussionen führt.
Das wurde in den letzten Tagen wieder deutlich, als „kress report“ über die mutmaßlichen Honorare alter Fußballstars berichtete, die in der ARD Moderatorenverträge haben. Der eine – Oliver Kahn – drohte „kress report“ gleich mit „rechtlichen Schritten“. Die ARD selbst reagierte mit einem harten Dementi – gab aber keine Korrektur zu den vermeldeten Zahlen. Was zumindest ahnen lässt, dass die Zahlen so falsch nicht sein können. Es ist noch immer so: Mit den Rundfunkgebühren, die in Deutschland so stur von allen kassiert werden, werden noch immer völlig überzogene Summen an „Stars“ bezahlt, mit denen man glaubt, „alle Bevölkerungsgruppen und Schichten der Gesellschaft“ erreichen zu können oder zu müssen.
Diese Opulenz der Vergütungen für sogenannte Prominente (die oft erst zu Prominenten werden, weil sie permanent auf deutschen Fernsehkanälen präsent sind) wird zu Recht kritisiert. Und zu Recht fordert „kress report“, dass solche Vergütungen transparent veröffentlicht werden. Das vergessen Anstaltsleitungen und Medienpolitiker immer wieder: Wer mit dem Geld der Bürger arbeitet, muss transparent Rechenschaft ablegen.
Aber das alles findet man nicht in den Geschäftsberichten der öffentlich-rechtlichen Sender. Auch nicht beim MDR. Was der Sender mit den 581 Millionen Euro aus Rundfunkgebühren (2013) anstellt, verschwindet in großen Globalposten wie „Aufwendungen für bezogene Leistungen“ (329 Millionen Euro) oder Löhne und Gehälter (129 Millionen Euro) oder „Aufwendungen für den Rundfunkbeitragseinzug“ (19 Millionen Euro – ein teurer Spaß, mit dem man auch Menschen zur Kasse bittet, die mit dem ganzen bunten Trara nichts zu tun haben wollen).
Der Beitragszahler erfährt nichts darüber, was die abendlich gesendeten Seifenopern, die Sportübertragungen, die Heimatsendungen, die Auftragsarbeiten an Spielfilm-Produzenten und andere – teils hauseigene, teils private – Unternehmen kosten. Er erfährt nichts über Gehaltsstrukturen und Personalaufwand pro Sendung.
Kontrolle gäbe es – so auch die SPD – über den Rundfunkrat. Der veröffentlicht seit Februar zumindest so eine Art „Protokoll“, nennt es lieber „Wesentliche Ergebnisse der Sitzung“. Aber was da passiert, markiert zum Beispiel ein Detail der Meldung zur Februar-Sitzung: Diskutiert habe man zum Beispiel über „Zulieferungen und Produktionen des MDR für das Erste, u.a. die Serien ‚Weissensee‘, ‚In aller Freundschaft‘ und die Samstagabend-Shows mit Florian Silbereinsen.“
Na ja, da hat man sich in den Herrn Silbereisen schon so verliebt, dass man ihn zum Silbereinser gemacht hat. Aber kein Wort, wer solche Sendung mit welchen Begründungen zu welchem Preis bestellt. Bloß weil Serien irgendwelche Quoten erreichen, heißt das ja nicht wirklich, dass sie unbedingt von öffentlichen Sendern produziert werden müssen. Und auch nicht infrage gestellt wird, warum eine Ärzteserie in Zeiten von „GIDA“ (über die man auch irgendwie geredet hat) nicht so langsam auf den Prüfstand gehört. Denn es ist ja nicht die einzige Produktion aus Sachsen, die durch Weltfremdheit besticht.
Und dann kommt so ein Satz: „Die Rundfunkratsmitglieder diskutieren den Vortrag u. a. zu den Themen Qualität im Programm als Grundlage für Glaubwürdigkeit, Sendeplätze für Dokumentarfilme, Relevanz der Sportberichterstattung und Akzeptanz des Ersten bei jungen Menschen. Der Rundfunkrat verständigte sich darauf, auch weiterhin den Diskurs zum Programm des Ersten Deutschen Fernsehens fortzuführen.“
Man hat schon irgendwie so ein Gefühl, dass die öffentlich-rechtlichen Tanker auf falscher Route schippern – aber man vertagt das Thema lieber. Oder hat einfach die Alles-bleibt-so-Mehrheit (wie gewohnt) die Wir-möchten-das-ändern-Minderheit überstimmt? Wenn das so war: Warum steht das nicht da?
Im März hat man sich dann „mit dem Projekt eines DAB+ Schlagerprogramms befasst und diesem neuen Angebot zugestimmt. Das neue Hörfunkprogramm über den digital-terrestrischen Radiostandard DAB+ soll Teil einer multimedialen Plattform sein, die in Zusammenarbeit der drei Landesfunkhäuser und dem Programmbereich Unterhaltung der Fernsehdirektion aufgebaut wird. Zielgruppe sind Hörer, Zuschauer und User des MDR, die sich für Schlager und deutschsprachige Musik interessieren und einen ausgeprägten regionalen Bezug der Wortanteile des Programms schätzen.“
Das muss eine enorm relevante Gruppe sein, dass man extra Rundfunkgebühren dafür aufwendet, ein digitales Schlagerprogramm zu finanzieren. In der Mai-Sitzung hat man sich dann mal mit der Klausur des MDR-Rundfunkrates zum Thema: „Auftrag.Qualität.Glaubwürdigkeit“ beschäftigt. Viel rausgekommen ist dabei sichtlich nicht, außer dass man sich irgendwie ermannte zu einem „selbstbewussten Aufrechterhalten journalistischer Standards“.
Und dann sprach doch tatsächlich der Rundfunkratsvorsitzende Stefen Flath (CDU) mal etwas Wahres aus. Im „Protokoll“ wird das zitiert mit: „Dies gelte für eine unabhängige kritische Beurteilung der Programmleistungen ebenso wie für eine offene eigene Darstellung und Berichterstattung gegenüber der Öffentlichkeit über die Arbeit der Aufsichtsgremien.“
Und siehe da: Man schaut sich um und fragt sich: Wo ist diese „unabhängige kritische Beurteilung der Programmleistungen“?
Im Rundfunkrat findet sie auch nicht statt. Jedenfalls steht nichts davon in den Protokollen.
Wir können also „kress report“ nur wieder zustimmen: Der öffentliche Rundfunk in Deutschland leidet an Promi-Wahn und Intransparenz.
Das ist im kleinen MDR genauso wie im großen ARD-Tanker.
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