Seit etwa zwei Jahren mittlerweile überträgt die L-IZ Livebilder aus jeder Ratsversammlung im Neuen Rathaus. Anfangs im Alleingang, dann im Auftrag der Stadt Leipzig. Immer jedoch zu einer Zeit, zu der die meisten Bürger arbeiten müssen. Was läge also näher, die Bilder nach der Livesession noch eine Weile im Netz stehen zu lassen, damit sich weitere Bürger auch nach der Sitzung über die Themen der Stadträte informieren können. In der heutigen Sitzung wurde nun entschieden, wie es weitergehen soll mit dem Livestream.

Es gab genügend Hin und Her im Vorfeld, wie lange diese Bilder im Netz bleiben sollen, wer sie nutzen darf und ob es überhaupt eine Weiterführung des beauftragten Streams geben solle. Denn bislang – als reine Liveausstrahlung – sind es gefühlt wenige, zwischen 30 bis in der Spitze 210 Menschen, die parallel die Redebeiträge aus dem Stadtparlament pro Sekunde verfolgten. Was aus der Vorlage der Stadtveraltung einen gewissen Kompromiss machte, welcher nach dem richtigen Gewicht zwischen den persönlichen Rechten der Stadträte und dem Informationsbedürfnis der Leipziger sucht. Da das Ringen zirka ein halbes Jahr dauerte, ist die Neubeauftragung bereits seit Mitte 2015 offen geblieben.

Die Vorlage der Stadtverwaltung zur heutigen Sitzung lautete demnach: „Im Rahmen einer Vergabe einer Dienstleistung wird die Durchführung des Livestreams ab August 2015 vergeben. Die Nutzungsrechte des Livestreams liegen bei der Stadt Leipzig. Der Anbieter stellt den Mitschnitt des Live-Streams unmittelbar nach der jeweiligen Ratsversammlung der Stadt Leipzig zur Verfügung. Dem Anbieter und etwaigen anfragenden Medien wird ein einfaches, nicht exklusives Nutzungsrecht am Mitschnitt des Livestreams eingeräumt, welches bis zur nächsten Ratsversammlung gilt.“

Damit wäre also sichergestellt, dass man auch nach der Stadtratssitzung das Video weiter auf Leipzig.de oder auch auf der L-IZ und anderen Medien Leipzigs abrufen könnte. Im Weiteren wäre da noch die Frage, ob man eigentlich wirklich jedes Thema ohne journalistische Einordnung versteht.

Die Verwaltung dazu: „Das Nutzungsrecht beinhaltet auch eine journalistische Aufbereitung. Journalistische Aufbereitungen dürfen bis zum Ende der Wahlperiode des Stadtrats genutzt und verbreitet werden. Der Mitschnitt wird zu diesem Zweck anfragenden Medien vom Anbieter bzw. der Stadt Leipzig ohne Erhebung von Lizenzgebühren zur Verfügung gestellt. Dem Anbieter wird zur Gegenfinanzierung das Recht eingeräumt, jeweils zu Beginn und am Ende des Live-Streams Werbung zu schalten. Die Art der Werbung ist mit dem Referat Kommunikation abzustimmen.“

Ute Elisabeth Gabelmann (Piraten, SPD-Fraktion im Stadtrat). Foto: L-IZ.de
Ute Elisabeth Gabelmann (Piraten, SPD-Fraktion im Stadtrat). Foto: L-IZ.de

Und da es auch noch preiswert bleiben soll und die Stadt selbst bereits vor knapp 2 Jahren Übertragungstechnik angeschafft hat, soll dem „Anbieter (…) die Nutzung der im Ratssaal installierten Technik kostenfrei gestattet werden”. Gesamt für Streamingkosten und eine kleine Personalpauschale für die Anwesenheit bei bis zu teils 10-stündigen Sitzungen sollen dafür 250 Euro (brutto) pro Ratsversammlung gezahlt werden.

Die gravierendste Änderungsidee gab es im Vorfeld seitens der Fraktionen der Linken, SPD und Grünen. Diese wollten neben einer jährlichen Auswertung der Zuschauerzahlen beschlossen sehen, dass „Stadträte und Fraktionen (…) ihre eigenen Beiträge zeitlich unbegrenzt nutzen“ können. Festgehalten wollten die Fraktionen ebenfalls sehen, dass jeder Stadtrat das Recht behalten solle „ … von vornherein der Übertragung seiner Beiträge im Live-Stream zu widersprechen.“. Dies ist auch jetzt bereits so, da Stadträte nicht im gleichen Maße Personen des öffentlichen Lebens sind, wie beispielsweise bezahlte Parlamentarier im sächsischen Landtag. Aktuell widersprach in den vergangenen Sitzungen keiner der Räte einer Übertragung seiner Reden und Einwürfe, was sich jedoch mit der längeren Online-Speicherung der Videos ändern könnte.

Ein weiterer Einwand kam im Vorfeld von der AfD-Fraktion. Hier möchte man auf ein Videoformat umsteigen, was von jedermann im Netz gesehen werden kann. Derzeit wird der Stream auf Wunsch der Stadt als Flash-Format ausgestrahlt und kann deshalb auf Applerechnern und -telefonen nicht gesehen werden.

Die Debatte startete Ute Elisabeth Gabelmann (Piraten), welche das Produkt Livestream selbst verbessern möchte. Wichtig war ihr dabei, nochmals auf die Vorteile eines nach der eigentlichen Übertragung zur Verfügung stehenden Speicherung des Mitschnittes hinzuweisen, insbesondere weil nicht viele zuschauen könnten.

„Transparenz und Nachvollziehbarkeit ist nichts, was wir dem Wähler gnädig gewähren. Es ist eine Bringschuld.“ In der Möglichkeit, dass auch nachbearbeitete, verkürzte Redebeiträge durch die Medien aufbereitet zur Verfügung stehen könnten, sieht Gabelmann vor allem Vorteile für die Bürger. Die AfD-Fraktion schickte Christian Kriegel ans Rednerpult. Dieser warb nochmals darum, den Stream auch auf Apple-Geräten verfügbar zu machen. Dem Vorschlag der Verwaltung schloss sich die AfD voll umfänglich an.

Nicole Wohlfarth (SPD) versuchte anschließend zu erklären, welche juristischen Probleme sie mit der Übertragung des Livestreams habe. Eingehend betonte sie nochmals, warum die Diskussion nötig sei. Als der Livestream eingeführt wurde, seien viele der Stadträte keine Mitglieder des Rates gewesen – deshalb müsse man hier neu debattieren. Wer prüfe die Löschung der aufbereiteten Videos am Ende einer Wahlperiode, wer würde den Missbrauch von Videos verhindern, fragte Wohlfarth. Am Ende kam sie darauf zu sprechen, dass sie den Sinn der Übertragung nicht sehe – sie habe keinen Effekt auf den Kontakt mit den Bürgern gehabt.

William Grosser (Linke). Foto: L-IZ.de
William Grosser (Linke). Foto: L-IZ.de

Michael Weickert (CDU) fragte sich eher, warum seiner Meinung nach eher wenige den Livestream wahrnähmen. Keinen Anlass möchte Weickert vor allem denen geben, die der Politik Intransparenz vorwerfen würden. Zeitlich unpassend fand er den vorgeschlagenen Rückzug, welchen Nicole Wohlfarth beantragt hatte. Tim Elschner (Die Grünen) machte nochmals deutlich, wer sich in den Stadtrat wählen ließe, stehe nun mal auch in der Öffentlichkeit. Auch sei es in immer mehr Kommunen in Deutschland soweit, dass Livestreams angeboten werden und auch die Mitschnitte bereitgehalten werden.

William Grosser (Die Linke) fand die Vorlage inklusive der Erweiterungen der drei Fraktionen „eine gute Vorlage“. Die Stadt habe jede Möglichkeit, Missbräuchen nachzugehen und so auch die Rechte der Stadträte zu schützen. Bezüglich der technischen Einschränkungen bat Grosser Leipzigs OBM Jung um nochmalige Prüfung, was dabei möglich ist. „Warum wollen sie unseren Wählerinnen und Wählern nicht zeigen, wie schön und schwer unsere Arbeit hier ist?“ so Grosser zum Antrag von Nicole Wohlfarth, welche irgendwie in jedem Redebeitrag Erwähnung mit ihrem Antrag fand.

William Rambow vom Jugendparlament hatte dann noch einen Gruße der jungen Menschen zu überbringen: „Die jungen Menschen würden eher mal einen Livestream anschalten, als sich auf den Weg ins Rathaus zu machen.“ Eine Speicherung ist für Rambow unerlässlich, weil junge Menschen zum Zeitpunkt der Übertrag ab 14 Uhr in der Schule seien.

Bei der Abstimmung votierte dann Nicole Wohlfarth allein für ihren Antrag, die Werbung schlossen die Stadträte aus und stimmten abschließend für die Fortsetzung des Livestreams aus dem Stadtrat sowie die Möglichkeit der Speicherung im Netz in den vorgeschlagenen Fristen sowie die Verarbeitungsmöglichkeiten durch die Medien im Nachgang.

Die Debatte aus dem Stadtrat zum Nachhören

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