Karola Wille möchte den Mitteldeutschen Rundfunk umkrempeln. Die Intendantin wünscht sich eine künftige Organisationsstruktur, die sich nicht mehr an Verbreitungswegen, sondern an Inhalten orientiert. L-IZ.de hat mit Grünen-Fraktionsvize Karl-Heinz Gerstenberg über die weitreichenden Pläne gesprochen.
Am 18. Juli stellte Intendantin Karola Wille den Mitgliedern von Rundfunk- und Verwaltungsrat ihre Umsetzungspläne für das Konzept “MDR 2017” vor. Wie bewerten Sie die geplanten Umstrukturierungen innerhalb der Sendeanstalt?
Die Organisations- und Produktionsstruktur an den Inhalten und jeweils trimedial auszurichten, statt an technischen Traditionen, kann die publizistische Kraft des MDR tatsächlich erhöhen. Nicht, weil die Anstalt damit irgendeinem Trend folgen würde, sondern weil das Angebot besser an den allgemeinen Nutzungsgewohnheiten orientiert werden kann. Den jungen Nutzerinnen und Nutzern dürfte die bisherige Trennung in Fernsehen, Radio und Internet ja langsam wie ein Überbleibsel aus alten Zeiten vorkommen. Wir erleben einen durchgreifenden Medienwandel, den der öffentlich-rechtliche Rundfunk mitgestalten muss, um seinen Auftrag zu erfüllen.
Intendantin Karola Wille begibt sich hier auf den richtigen Weg. Um zum Ziel zu kommen, sind aber auch die richtigen gesetzlichen Rahmenbedingungen notwendig. Für uns Grüne ist klar, dass das enge Korsett für die Internetaktivitäten der öffentlich-rechtlichen Anstalten gelockert werden muss, allen voran die Pflicht, Inhalte wieder aus dem Netz zu nehmen. Dafür sind aber noch viele Details zu klären, wie etwa der Umgang mit Verwertungs- und Urheberrechten.
Aufgrund des MDR-Staatsvertrags wird der Sender personell weiterhin nach Verbreitungswegen strukturiert sein. Halten Sie einen Fernseh- und einen Hörfunkdirektor im digitalen Zeitalter noch für notwendig, oder würden Sie eine zentrale Programmdirektion präferieren, wie sie beispielsweise beim RBB existiert?
Eine nach Inhalten strukturierte Programmdirektion wäre der logische Schluss, wenn Internetinhalte nicht mehr nur als Zusatzangebote, sondern als normaler Teil des Gesamtangebots gedacht werden. Internetinhalte heißt hier nicht-lineare und on-demand Angebote, egal ob als Audio, in audiovisueller oder in Textform. Dass die bisherigen Strukturen nicht komplett aufgehoben werden, sondern ein gleitender Übergang beschritten wird, ist allerdings nachvollziehbar. Entscheidend ist doch letztlich, was bei den Nutzerinnen und Nutzern ankommt. Sie schauen nicht auf Organigramme, sondern sie finden ein attraktives Programm oder eben nicht.
Die Details, wie der Strukturwandel umgesetzt werden soll, sind jetzt beim MDR in Planung. Da geht es um Personalausstattung, Kompetenzaufbau, um Workflows in und zwischen den Bereichen, Standortaufteilung usw.. Wenn das Konzept steht, werden wir es genau prüfen.
Sollten Regelungen im jetzigen Staatsvertrag einer sinnvollen Erneuerung im Weg stehen, dann müssen sie verändert werden. Wir plädieren ohnehin dafür, lieber früher als später den Aushandlungsprozess zwischen Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen zu beginnen.
Der MDR-Staatsvertrag stammt aus dem Jahr 1991. Sehen Sie aktuell Anlass zu einer Novellierung? Wenn ja, warum?
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Wir sehen weitreichenden Änderungsbedarf beim MDR-Staatsvertrag. Das stellt ja nicht infrage, dass viele Punkte beibehalten werden können. Aber andere Länder sind längst dabei, zukunftstaugliche Regelungen für die Sender zu treffen. Die Novellierung beispielsweise des SWR-Staatsvertrages kann als Diskussionsgrundlage nützlich sein.
Die Besetzung des Rundfunkrates als gesellschaftliches Kontrollgremium des MDR ist ein Kernthema. Wir wollen seine Zusammensetzung hinsichtlich der Repräsentanz der Vielfalt unserer Gesellschaft auf den Prüfstand stellen. Grundsätzlich sollen Menschen mit Behinderungen, Lesben und Schwule sowie Migrantinnen und Migranten besser vertreten sein. Rundfunkrat und Verwaltungsrat sollen noch staatsferner und möglichst geschlechterparitätisch besetzt werden.
In seinem Urteil zum ZDF-Staatsvertrag hat das Bundesverfassungsgericht im vergangenen April weniger Staatsnähe gefordert. Öffentlich-rechtliche Sender dürften, so das Gericht, “nicht zum Staatsfunk” werden. Der sächsische Ministerpräsident gehört zurzeit dem ZDF-Verwaltungsrat an. Was bedeutet diese Entscheidung für die zukünftige sächsische Medienpolitik?
Dass Herr Tillich jetzt in diesem Gremium sitzt, ist eben die Folge der aktuellen Regelung beim ZDF. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes weist in die richtige Richtung, den Anteil an Staatsvertreterinnen und -vertretern deutlich zu senken. Noch konsequenter wäre es, Mitglieder der Exekutive generell auszuschließen und auch einen indirekten Einfluss auf die Besetzung zu verhindern. Das wird ein wichtiger Punkt für unsere grüne Medienpolitik in Sachsen sein. Das gilt auch für die Gremien des MDR, obwohl die Regelungen dort anders als beim ZDF sind. Das Urteil ist aber auch aus anderen Gründen für den MDR interessant. Es gibt nämlich wichtige Hinweise, wie nicht nur mehr Staatsferne, sondern auch eine bessere Abbildung der Gesellschaft umzusetzen ist: indem kleinere Interessengruppen beteiligt werden, die nicht als Verbände oder über große Organisationen auftreten.
Welchen inhaltlichen Einfluss sollte die Politik auf den öffentlich-rechtlich organisierten Rundfunk idealerweise nehmen dürfen?
Einen Einfluss auf Inhalte, also das Programm, darf es nicht geben. Die Rundfunkfreiheit ist ein hohes Gut, das vom Bundesverfassungsgericht verteidigt wird. Politik hat insofern einen Einfluss, als dass sie Entwicklungen im Mediensystem diskutieren muss und ordnungspolitisch sowie in Fragen der Finanzierung und des organisatorischen Rahmens nach- oder gegensteuern kann. Das Ziel dabei ist insbesondere, Medienvielfalt als Grundlage für eine funktionierende Demokratie zu stärken. Mit dem Medienwandel kommen da große Herausforderungen auf uns zu.
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