Manchmal haut auch die Friedrich-Ebert-Stiftung auf die große Pauke, um ihre Nachrichten in die Welt zu bekommen. "Medien und Interessenvertreter haben nur wenig Einfluss auf politische Entscheidungen". Neugierig machen will sie damit auf die neue Studie: "Kommunikationsstrategien zur Beeinflussung von Gesetzesinitiativen: Am Beispiel des Luftverkehrssteuergesetzes". War da was? Dr. Klaus Kamps hat versucht, es herauszubekommen.
Er ist Lehrbeauftragter mit professoralen Lehraufgaben, Seminar für Medien- und Kommunikationswissenschaft, an der Universität Erfurt. Er hat sich recht gründlich mit dem Diskurs um die Luftverkehrssteuer auseinander gesetzt. Von der Vorlage des Gesetzentwurfs durch die Bundesregierung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. Januar 2011. Tatsächlich sogar bis Januar 2012. Aber entschieden war die Sache im Dezember 2010. Ein halbes Jahr zur öffentlichen Diskussion, das ist nicht viel.
“Viele Institutionen und Unternehmen versuchen politische Entscheidungen in ihrem Sinne zu beeinflussen. Wie Kommunikation im Umfeld einer Gesetzesinitiative abläuft und welche Rolle die Medien dabei spielen, hat Klaus Kamps in einer umfangreichen Studie ausgewertet”, versucht die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), das Ergebnis der Studie zu werten. “Am Beispiel der Kommunikation bei der Einführung des Luftverkehrssteuergesetzes zeigt Kamps, dass Medien- und Interessenvertreter_innen nur bedingt Einfluss auf politische Entscheidungen haben. Zugleich zeigt er, dass Journalisten sich nur sehr begrenzt von Politik und Interessenverbänden beeinflussen lassen und dass Unternehmen besser als Verbände mit ihren Botschaften in den Medien durchdringen.”
Im Hause FES setzt man sogar noch eins drauf: “Im Falle der Luftverkehrssteuer ist der Versuch gescheitert, mit einer Medialisierung und direkten Gesprächen mit der Politik den Gesetzesentwurf zu stoppen oder substantiell zu ändern. Kamps zeigt, dass kurze Zeithorizonte und hohe Fachlichkeit die Lobbyarbeit erschweren. Zerstrittenheit und nicht abgestimmte Kommunikationsstrategien behindern die Durchsetzung von Lobbyinteressen ebenfalls. Er zeigt auch, dass mittels Agendasettings ein Thema zwar in die Öffentlichkeit gebracht werden kann, dies aber für die Durchsetzung von bestimmten Interessen nur von sehr begrenzter Wirkung ist.”
Aber in diesem Versuch, die Sache zu verstehen, steckt natürlich auch komprimiert, was Kamps tatsächlich herausgefunden hat. Denn das Wichtigste am Beispiel “Luftverkehrssteuer” ist tatsächlich ihr Ausnahmecharakter. Woran die Bundesregierung unter Angela Merkel natürlich nicht ganz unschuldig ist. Denn für gewöhnlich lässt auch die Bundesregierung den Lobbyvertretern ausreichend Zeit, ihre Kommunikationsstrategien zu entwickeln, bevor ein Gesetz, das man erst mal als “Testballon” startet, tatsächlich zur Entscheidung kommt. Und Kommunikationsstrategie heißt nicht nur: Bearbeitung der Medien, Aktionismus der Verbände, Feuerwerk aus beauftragten Agenturen, die den “Medienmarkt” bearbeiten und durchdringen, sondern auch Bearbeitung der Politiker. Ein “gemeinsames Essen” folgt dem nächsten. Tatsächlich haben Lobbygruppen insbesondere aus der Wirtschaft viel mehr Einfluss auf die Politik. Doch auch dieser Einfluss muss organisiert werden. Ein halbes Jahr ist dafür zu wenig. Wie Kamps am Beispiel des Luftsteuergesetzes belegt.
“Die Frage der Überraschung überragt die Beschreibung des Verfahrens durch die befragten Akteurinnen und Akteure bei Weitem. Für die deutliche Mehrheit stellte das LuftVStG in vielen Punkten einen atypischen Prozess dar, der sich eher als Government- denn als Governance-Prozess offenbarte und ‘übliche’ Mechanismen der Begleitung von Regierungs- oder Parlamentsvorhaben durch Interessensgruppen und Verbände nachgerade aushebelte”, schreibt er in einem Zwischenfazit, nachdem er auch die üblichen Journalisten zum Thema befragt hat. “Die Regierung agierte machtpolitisch, also nach Maßgabe ihres faktischen Handlungsvermögens innerhalb des politischen Systems selbst, und nicht in Form einer Einbindung etwa wirtschaftlicher Akteure in ihre Entscheidungsfindung.”
Kamps hinterfragt den Prozess nicht. Er nimmt ihn einfach als gegeben. Und er zeigt damit, dass eine Regierung, die wirklich Veränderungen bewirken will, das auch kann, indem sie den üblichen “Meinungsmachern” einfach die Zeit nimmt, ihre Bollwerke aufzubauen und die großen Kampagnen zu starten.
Andererseits war gerade das Luftsteuergesetz eines, zu dem die Regierung Merkel ganz bestimmt keine neuen Diskussionen haben wollte. Diskutiert worden war dazu schon vorher – und zwar im Zusammenhang mit der Diskussion um den Emissionsrechtehandel in der EU, die bis 2005 geführt worden war (und die die damalige Schröder-Regierung aushalten musste), und der unter anderem mit einem Sieg der europäischen Luftfahrtbranche endete, die noch ohne die diskutierte Luftverkehrssteuer davonkam. Sie fühlte sich als Sieger und wurde im Juli 2010, als die Merkel-Regierung das neue Gesetz auf den Tisch packte, auf dem falschen Fuß erwischt.Überrascht wurden davon auch die Politiker und die Journalisten der großen Magazine, die sonst gewohnt waren, dass sich solche Gesetze erst einmal über diverse Gerüchte, kleine Indiskretionen, Hintergrundgespräche oder Tipps aus involvierten Kreisen bemerkbar machen, bevor eine offizielle Instanz auch nur zugibt, dass das Gesetz schon im Entwurf vorliegt.
“Wiederum etwa die Hälfte der Befragten betonte, dass es sich bei dem Gesetz um einen Alleingang der Regierung mit geringem beziehungsweise keinem Verhandlungsspielraum handelte”, stellt Kamps fest. “Immerhin vier der neun Politikerinnen und Politiker und drei der fünf Journalistinnen und Journalisten teilten diese Meinung. Allerdings bildete die Luftfahrt- und Reisebranche auch hier die mit Abstand größte Gruppe. Ein Airline-Vertreter bemerkte, man sei sich bereits früh darüber bewusst gewesen, es könne allein um eine Ausgestaltung der Steuer gehen (nicht um deren Verhinderung): ‘Was danach stattfindet, ist eigentlich eine Interessenvertretung innerhalb einer schon getroffenen Grundsatzentscheidung.”
Eine Haltung, mit der die Bundeskanzlerin ganz gewiss auch rechnete. Auch deswegen packte sie die Luftverkehrsabgabe in ihr großes “Sparpaket”. Immerhin bis zu 1 Milliarde Euro sollte mit der Abgabe eingenommen werden. 959 Millionen Euro waren es dann 2011. 2012 und 2013 kamen 671,2 bzw. 563,3 Millionen Euro zusammen.
“Die erste Phase, die Implementierungsphase, beginnt gleich nach Kabinettsbeschluss und dauert etwa von Juni bis Dezember 2010, mit einer vor allem im Vergleich sehr intensiven Berichterstattung”, beschreibt Kamps knapp den Kommunikationszeitraum. “Die Latenzphase folgt von Januar bis Juni 2011 mit geringer Intensität und nur wenigen Spitzen. Schließlich folgt die Evaluierungsphase von Juli 2011 bis Januar 2012 mit einer wieder anziehenden, mit Spitzen versehenen Berichterstattung, die dann mit der Änderung der Gebührenstaffelung zum Januar 2012 wieder abfällt.”
Es bleibt bei der untypischen Gesamtgemengelage, auch wenn seit 2013 auch eine Petition gegen die Luftverkehrsabgabe beim Bundestag vorliegt. Rhein-Pfalz hat gar gegen die Abgabe beim Bundesverfassungsgericht geklagt.
Alle Zahlen zu Passagierrückgängen oder Erlösrückgängen bei den Fluggesellschaften sind bislang reine Hypothese. Nicht mal der Verlust von Passagieren und Anbietern auf diversen Regionalflughäfen ist mit der Steuer zu begründen, denn der Konzentrationsprozess unter deutschen Flughäfen läuft schon seit Jahren und wird sich weiter fortsetzen. Irgendwann begreifen auch Ministerpräsidenten und ehemalige Ministerpräsidenten, dass man Flughäfen nicht als Dauersubventionsobjekte unterhalten kann, sondern allein die wirtschaftliche Tragfähigkeit zählt, die für die meisten deutschen Regionalflughäfen nicht gegeben ist.
Eine “Ausnahme” von der Flugverkehrssteuer wurde natürlich nicht diskutiert. Und das ist der Grund dafür, warum es auch keine einheitliche Phalanx der Fluggesellschaften gab: Denn die Abgabe pro Flugpassagier war auch für die deutsche Bundesregierung der Weg, die deutsche Frachtfliegerei von einer Emissionsabgabe zu verschonen.Da Kamps mit der Gesetzgebung zur Flugverkehrssteuer nun einen Ausnahmefall in der üblichen deutschen Gesetzgebung schildert, beschreibt er natürlich indirekt, was sonst so abläuft, wenn in Deutschland Gesetze gemacht werden. Und wieviel Zeit die großen Kampagnen der betroffenen Industrien tatsächlich brauchen, um Argumentationslinien zu erarbeiten und Diskussionen zu initiieren. Und die Befragungen der Journalisten in der Studie zeigen natürlich exemplarisch, dass man dort die Mechanismen sehr gut kennt und weiß, wie homogen in der Regel solche Kampagnen ablaufen. Und an der Stelle darf man durchaus fragen, welche Macht die Lobbyverbände tatsächlich haben – schon bei der Beeinflussung der Meinungsbildung in den Medien, auch wenn dort scheinbar objektiv die Argumente Pro und Kontra abgewogen werden.
Und wie wirksam ist das dann wieder auf Leser und Leserinnen hin und natürlich auf die Politik, die stimmberechtigten Abgeordneten in der Regel, die sich sehr wohl beeinflussen lassen vom Stimmungsbild in den Medien. Kamps hat sich hier auf Printmedien beschränkt und die eigentlichen Stimmungsmacher der Nation – die Fernsehsender – nicht berücksichtigt. Was dem ganzen Spiel noch eine ganz andere Facette geben würde. Die dann wieder mit dem brandheißen Thema des Einflusses der Politik auf den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk verbunden ist. Und da einige Politiker bekanntermaßen schon während ihrer Karriere an besten Beziehungen “zur Wirtschaft” arbeiten, wird das Geflecht noch viel komplexer.
Dann würde sich – wenn man diese Beziehungen einmal beleuchtet – möglicherweise herausstellen, dass die Lobbyverbände noch viel mehr Einfluss auf politische Entscheidungen haben, als gedacht. Und die Printmedien noch viel weniger, als vermutet.
Nachlesen kann man die Studie hier: http://library.fes.de/pdf-files/wiso/10843.pdf
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