Der Mitteldeutsche Rundfunk möchte seinen eingestaubten Strukturen eine Frischzellenkur verpassen. Intendatin Karola Wille verschickte laut dem Blog "Flurfunk Dresden" am 18. Juli ein Schreiben an die Mitglieder von Rundfunk- und Verwaltungsrat. Darin kündigt die Rundfunk-Managerin weitreichende Veränderungen an. Künftig soll sich die Senderorganisation demnach nicht mehr an den Verbreitungswegen Fernsehen und Radio, sondern an Programminhalten orientieren.

Am 16. Juli hatten demnach drei direktionsübergreifend zusammengesetzte Projektgruppen die Resultate ihrer halbjährlichen Arbeit präsentiert. Der Bereich “Nachrichten und Hintergund” wird künftig in einem trimedialen integrierten Redaktionsressort verwaltet. In diesem sollen unter Leitung von Fernsehdirektor Wolf-Dieter Jacobi die Angebote aus TV- und Hörfunkdirektion sowie Telemedien gebündelt werden.

Die Kulturberichterstattung soll in einem trimedialen Kultur-Ressort gebündelt werden. Die Leitung obliegt Hörfunkdirektor Johann Michael Möller. Das ist naheliegend. Schon heute sind die MDR-Klangkörper, etwa das Sinfonieorchester, der Hörfunkdirektion zugeordnet. “Mit beiden strukturellen Weichenstellungen im Informations und Kulturbereich soll die publizistische Kraft und das Profil des MDR auch online deutlich gestärkt werden”, schreibt Wille.

Für den Bereich Wissen, Bildung und Medienkompetenz möchte das Direktorium einen Desk mit einer hauptamtlichen Leitung konzipieren. Diese soll alle Wissens- und Bildungsangebote der Sendeanstalt koordinieren.
Weiterhin hätten die Projektgruppen im Bereich der Angebote für Jugendliche “erhebliche Defizite” festgestellt. “Als weiteres strategisches Handlungsfeld definierte das Direktorium daher die Entwicklung eines trimedial integrierten Jugendangebotes unter Nutzung vorhandener Strukturen, Ressourcen und Angebote”, so Wille. Dazu solle in der Gesamtverantwortung des Hörfunkdirektors die Kompetenzen und Erfahrungen des Jugendsenders “MDR Sputnik” genutzt werden.

Die Nachrichtenangebote des MDR sollen künftig unter einer einheitlichen Marke geführt werden. Außerdem möchte die Anstalt ihre Cross Promotions auf allen Vertriebswegen stärken und dazu eine verbindliche Planungsstrategie entwickeln.

Intendantin Karola Wille ist von den künftigen Strukturen schon heute überzeugt. “Wir schreiben ein Stück MDR-Geschichte”, sagte sie am Mittwoch-Abend. “Die Weichen sind gestellt.” Allerdings stößt das Konzept auch auf Kritik. “Der MDR-Staatsvertrag, der noch aus dem analogen Zeitalter stammt, setzt der Intendantin enge Grenzen für weitreichende Veränderungen”, schreibt “Flurfunk”-Betreiber Peter Stawowy. Der Dresdner Medienberater weist darauf hin, dass Willes Reformbemühungen engen Rahmenbedingungen unterliegen würden.

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Karola Wille ist bei der Realisierung ihrer “Vision 2017”, die Gestaltung des MDR zu einem multimedialen Medienhaus bei gleichzeitiger Schärfung des öffentlich-rechtlichen Programmprofils, die sie seit ihrer Wahl 2011 propagiert, an juristische Grenzen gebunden.

Im MDR-Staatsvertrag, der 1991 von den Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhaltund Thüringen ratifiziert wurde, ist die Grundstruktur des öffentlich-rechtlichen Senders in Stein gemeißelt. Sitz der Anstalt ist Leipzig. In Dresden, Magdeburg und Erfurt unterhält der MDR Landesfunkhäuser. Ein Direktionsbereich ist in Halle angesiedelt, nebst zugehöriger Produktionskapazitäten. In der Praxis handelt es sich dabei um den Hörfunk.

Diese dezentralen Organisationseinheiten sind für Karola Wille unantastbar. Wenngleich das digitale Zeitalter eine Struktur, die sich an Inhalten, nicht an Verbreitungswegen orientiert, sinnvoll erscheinen lässt, kann die Intendantin beispielsweise nicht von heute auf morgen den Hörfunk komplett nach Leipzig verlegen. Solche weitreichenden Schritte bedürften einer Änderung des Staatsvertrags. Diese ist derzeit nicht in Sicht.

Der MDR äußerte sich auf L-IZ-Anfrage nicht zum Schreiben seiner Intendantin.

Zum “Flurfunk Dresden”

www.flurfunk-dresden.de

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