Pyramiden, Sphingen, Obelisken, der Skarabäus, eine Mumie: So ziemlich alles, was wir spontan mit dem Alten Ägypten verbinden, spielt(e) auch in Leipzig eine manchmal überraschende Rolle. Katrin Löffler hat dazu akribisch recherchiert und ein Buch geschrieben, das 2025 erscheint. Für die Historikerin und Germanistin ist es kein gewöhnliches Projekt, denn dahinter stehen ein Vermächtnis und eine besondere Freundschaft.

Als Katrin Löffler im Frühjahr 2022 eine Reihe Mappen sowie drei überquellende Ordner voller Bilder, Kopien, Literaturtitel und Notizen vor sich sah, war es für sie eigentlich nicht neu – und doch war das Gefühl plötzlich ganz anders. Denn aus dem Resultat jahrelangen Sammelns war das Vermächtnis einer Verstorbenen geworden, das jetzt seiner Vollendung harrte: „Es nicht zu machen, hätte mich schon belastet“, sagt Katrin Löffler.

Die 60-Jährige ist habilitierte Germanistin und Historikerin, forscht unter anderem zur Leipziger Stadtgeschichte. Zuletzt legte sie die Bücher „Leipzig und der Kolonialismus“ sowie „Leipzigs alter israelitischer Friedhof im Johannistal“ vor. Ihr neuestes Projekt hat aber auch eine sehr persönliche Dimension, die vor fast 25 Jahren begann.

Der Beginn einer langen Freundschaft

Damals schrieb Katrin Löffler an Elke Blumenthal, Ägyptologin und Kunsthistorikerin, bis 1999 Ägyptologie-Professorin der Uni Leipzig: Blumenthal hatte die Grabsäule des Philologen Friedrich August Wilhelm Spohn (1792–1824) mit pseudo-ägyptischer Inschrift untersucht, die auf dem Alten Johannisfriedhof steht. Löffler kannte eine frühere Erwähnung des Grabmals, die sie ihrer Kollegin nicht vorenthalten wollte.

Elke Blumenthal antwortete Ende April 2001 dankbar auf den Hinweis – und verriet bei der Gelegenheit, dass sie seit den achtziger Jahren Material zur Ägyptenrezeption in Leipzig sammele, gern Löfflers Wissen zur Friedhofskultur mitnutzen wolle. Nur sei sie bisher noch dazu gekommen, sich mehr mit dem Thema zu beschäftigen. Löffler willigte ein zu helfen, man traf sich, verstand sich, aus fachlichem Austausch erwuchs eine enge Freundschaft.

Durch die Zusendung von Bildern ägyptisierender Denkmäler und Grabmale in Leipzig zählte Löffler zu Blumenthals Unterstützerkreis. Es war klar: Der Berg an Material muss irgendwann zur Grundlage für ein stadtgeschichtliches Buch werden.

Es war ein erklärtes Herzensprojekt

Doch es kam erstmal anders. Elke Blumenthal übergab die Sammlung 2020 vertrauensvoll an Katrin Löffler, da ihr selbst, bereits jenseits der 80 stehend, die Kraft und Konzentration fehlte, ein neues Buch zu schreiben. Dann erkrankte sie schwer, ihr ging es zusehends schlechter. Im April 2022 starb Blumenthal mit 84 Jahren in Leipzig.

Katrin Löffler erinnert sich gern an ihre Freundin. Ruhig und liebenswert sei sie gewesen, eine Wissenschaftlerin ohne Allüren, geschätzt für ihre unaufdringlich-zugewandte Art: „Sie war ein sehr bescheidener Mensch, eher zu bescheiden in ihrem Auftreten. Gleichzeitig war sie hochgebildet.“

Mit ihrem Tod scheiterte denn auch Katrin Löfflers Idee, selbst als Autorin einzuspringen, mit Blumenthal als versierter Begutachterin. Aber es war klar: Das Herzensprojekt ihrer Freundin, das diese nicht mehr geschafft hatte, wollte Löffler realisieren.

Bucherscheinung 2025 inzwischen gesichert

Dabei gab es Hürden: Da das Buch zu Blumenthals Lebzeiten noch weit weg schien, war kein Druckkostenzuschuss hinterlegt – bei einer regionalen Publikation mit kleiner Auflage, hohem Qualitätsanspruch und vielen Bildern ein Problem, das durch rasant gestiegene Papierpreise nicht gerade einfacher wird.

Die Lösung: Der Leipziger Lehmstedt Verlag erklärte sich zu einem Subskriptionsverfahren bereit. Innerhalb einer Frist wird dabei ein Buch zum Vorzugspreis angeboten. Gibt es genug Bestellungen, in diesem Fall mindestens 200, kann das Werk in den Druck gehen und der Verleger umschifft das finanzielle Verlustrisiko. Mittlerweile steht auch fest: Das Buch mit dem Titel „Pyramiden an der Pleiße“ wird 2025 in den Buchhandel kommen – zur Freude von Katrin Löffler.

Pyramiden, Sphinx, Pylon: Leipzig hat alles zu bieten

Der Eisenbahn-Obelisk in Leipzig. Archivfoto: Ralf Julke
Eisenbahn-Obelisk in Leipzig. Archivfoto: Ralf Julke

Zwei Jahre hat sie daran gearbeitet, sich durch Archive gegraben, Sammlungen gesichtet, viel gelesen, Experten konsultiert. Ohne vorab zu viel preiszugeben, kann verraten werden, dass das Buch zwei Kapitel haben wird: Eines handelt von ägyptisierenden Symbolen in der Leipziger Architektur und Plastik und erinnert an eines der Spezialgebiete der verstorbenen Elke Blumenthal.

So gibt es bis heute mehrere Pyramiden in Leipzig, etwa in Schönefeld oder auf dem Südfriedhof, diverse Darstellungen der Sphinx oder des Pylon, also einer Toranlage, die zwei flankierende Türme verbindet und in einen Tempel führt.

Auch Obelisken waren beliebt, wobei der auf dem Leipziger Monarchenhügel in Liebertwolkwitz verglichen mit seinen Vorbildern so klein war, dass manche nach der Errichtung 1847 witzelten, es müsse ein Ofen zum Heizen sein. Nicht immer lief es also perfekt: „Es konnte mit der ägyptisierenden Form auch schiefgehen“, weiß Katrin Löffler aus ihrer Forschung, die sie bis zu Freimaurerbezügen führte.

Ein Bestseller des 16. Jahrhunderts

Dem kunstgeschichtlichen Teil hat sie einen kulturgeschichtlichen hinzugefügt und so ihre Handschrift als Historikerin in das Buch eingebracht. Neben einer echten Mumie in der Ratsbibliothek, den Anfängen der Ägyptologie in Leipzig, der Literatur, Druckkunst oder Bühnenshows mit Ägyptenbezug fokussiert sich Löffler auf Ägyptenreisen von Leipzigern, „eines meiner Lieblingskapitel“, wie sie sagt.

Schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts brachte mit Johann Helffrich ein Bürger aus Leipzig seine Eindrücke aus Ägypten zu Papier, schrieb einen Bestseller, wie man heute sagen würde. Etwa 300 Jahre später gab es eine „Orient-Reisegesellschaft“ in der Messestadt, die es auch dem mittleren Bürgertum erschwinglich machte, nach Ägypten zu gelangen. Es sind nicht zuletzt Wurzeln des modernen Reisens und Aspekte des Kolonialismus, die hier greifbar werden.

Leipzig und die Ägypten-Euphorie

Bleibt die Frage: Warum gab es diesen Ägypten-Enthusiasmus gerade im 19. und frühen 20. Jahrhundert, nicht nur in der alten Bürgerstadt Leipzig? Katrin Löffler hat mehrere Erklärungen. Dazu zählt Ägyptens untrennbare Verbindung zur jüdischen und jüdisch-christlichen Geschichte, wie sie im Alten Testament zum Tragen kommt.

Zugleich übte das Alte Ägypten oft mehr Faszination aus, weil es mit seinen Mysterien im Vergleich zur griechisch-römischen Kultur doch dunkler und ernster daherkam, eher den Reiz von Jenseits, Verborgenem und Geheimnisvollem verkörperte, sagt Katrin Löffler.

Sie freut sich auf das Buch, eine Zusammenstellung, wie es sie für Leipzig bisher nicht gibt. Es soll übrigens dem Andenken an Elke Blumenthal gewidmet sein. Katrin Löffler ist sich schon jetzt sicher: Ihrer Freundin würde das Werk gefallen.

***

Das Buch mit dem Titel „Ägypten an der Pleiße. Die Rezeption des Alten Ägypten in Leipzig“ kann noch bis 30. November 2024 zum Sonderpreis von 38 Euro beim Verlag Lehmstedt bestellt werden. Ab 1. Dezember gilt der reguläre Buchhandelspreis von 48 Euro. Geplanter Erscheinungstermin: Juni 2025.

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