Der Life Science Stammtisch, von biosaxony und IHK Leipzig veranstaltet, fand im September im ICCAS statt, dem Innovationszentrum für Computerassistierte Chirurgie der medizinischen Fakultät der Universität Leipzig statt und wir von der LZ waren dabei. Doch was genau ist „Computergestützte Medizin“? Es geht hierbei nicht um die Operation per Roboter, sondern um computergestützte, integrative Technologien und intelligente Assistenzsysteme in der Medizin.

Wir konzentrieren uns hier auf einen Teil des Abends, den Rundgang durch den Operationssaal, mit Live-Demonstration der computerassistierten Chirurgie. An dieser Stelle muss betont werden, der Autor ist kein Mediziner, eventuelle Ungenauigkeiten der Beschreibung gehen nicht auf die Mitarbeiter des ICCAS zurück.

Was ist jetzt so besonders an diesem OP-Saal?

Das Herzstück

Nicht zu sehen ist der Server, mit einer KI und einer Datenbank. In der Datenbank liegen die Patientendaten mit den Vorbefunden und eine große Menge von Daten über die verschiedensten Operationen, die im UKL und anderen Kliniken durchgeführt wurden: Operationsverläufe, Berichte, Risikobewertungen und ähnliches.

Vor Beginn der Operation werden die Daten des Patienten geladen, die KI „weiß“ somit welche Operation durchgeführt wird, sucht vergleichbare Operationen heraus, erstellt einen Operationsplan und errechnet die voraussichtliche Operationszeit. Der Operationsplan ist dabei keine Handlungsanweisung für den Chirurgen, sondern dient zur Errechnung der Zeit und zu Vorhersagen über den zu protokollierenden Verlauf der OP.

Darauf kommen wir später zurück und schauen uns den OP-Saal an.

OP-Saal mit Dummy als „Patient“. Foto: Thomas Köhler
Blick in den OP-Saal mit Dummy als „Patient“. Foto: Thomas Köhler

Wie sieht der OP-Saal aus, gibt es Besonderheiten?

Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein normaler OP-Saal. Es gibt aber, im Gegensatz zu diesen, Geräte verschiedener Hersteller. Das ist nicht normal, da diese normalerweise nicht „miteinander reden“. Die Kommunikation zwischen den Geräten wurde mit der SOC-Schnittstelle gelöst, an deren Entwicklung das ICCAS, gemeinsam mit OR.Net e.V, beteiligt war. Ansonsten gibt es Monitore, Gerätetabletts und eine Menge Kameras und Sensoren, die im Raum verteilt sind.

Auch auffällig ist, dass es wenige Pedale unter dem OP-Tisch gibt. Chirurgen müssen oft die Geräte mit einer Vielzahl von Fußschaltern betätigen, hier werden die Schalter, das ist ein wenig wie beim Organisten und deren Fußpedalen.

Woran liegt es, dass nicht so viele Pedale benötigt werden? Mittels Kameras und/oder Sensoren erkennt die KI, welches Gerät der Chirurg benutzt und legt die Steuerung auf die Pedale.

Die Operation beginnt

In diesem Fall liegt auf dem OP-Tisch ein Dummy, der Operateur ist ein Ingenieur und die Patientin, Hermine Kleefeld, ist ein Musterdatensatz. Es wird also nicht blutig.

Der Operateur startet und nimmt als Erstes eine Pinzette in die Hand, die KI erkennt das durch Kameras und Sensoren und sagt sich „Am Beginn der OP bedeutet Einsatz der Pinzette: Desinfektion“ und auf dem Protokollbildschirm erscheint „Desinfektion“ und die Uhrzeit.

Die Sonde 1. Foto: Thomas Köhler
Sonde 1. Foto: Thomas Köhler

Überspringen wir ein paar Schritte, die Sonde wird über die Nase eingeführt, die KI erkennt das und schaltet, damit der Operateur störungsfrei arbeiten kann, das Raumlicht auf Blau. Das von der Kamera der Sonde aufgenommene Bild erscheint auf dem rechten Monitor. Im Hintergrund verfolgt die KI den Weg der Sonde und vergleicht diesen mit einer, vorher angefertigten, CT-Aufnahme des Kopfes.

Die Sonde 2. Foto: Thomas Köhler
Sonde 2. Foto: Thomas Köhler

Nähert sich der Kopf der Sonde einem kritischen Bereich, zum Beispiel einem Knochen, dann blendet die KI das CT-Bild mit dem Weg der Sonde auf dem linken Monitor ein. Das hilft dem Chirurgen beim Navigieren.

Wir überspringen den weiteren OP-Verlauf und kommen zum Schluss der OP.

OP ist beendet, was passiert jetzt?

Die KI hat den Operationsverlauf dokumentiert und einen Datensatz angelegt, der in die Datenbank eingepflegt wird. Sie ist etwas „klüger“ geworden. Der Operateur nimmt das Protokoll als Grundlage für den OP-Bericht und spart sich somit Arbeitszeit.

Durch die Kameras und Sensoren hat die KI erfasst, welche Materialien und Geräte benutzt wurden. Es wird sofort weiter gemeldet, welche Materialien, wie Tupfer usw., aufgefüllt werden und welche Geräte sterilisiert werden müssen. Die Krankenakte der Patientin wurde automatisch aktualisiert.

Das sind nur die Funktionen, die ich mitbekommen habe.

Wenn etwas nicht nach Plan läuft, was passiert dann?

Die KI kennt aus den Datensätzen die Statistik der Operationsverläufe und errechnet dazu die geplante Operationszeit. Diese ist Grundlage für den Krankenhausbetrieb. So wird der nächste Patient vorbereitet und in die OP-Schleuse gebracht, das OP-Team wird eventuell ergänzt, das Pflegepersonal auf der Station weiß, welche Patienten „nüchtern“ bleiben müssen und wann diese voraussichtlich abgeholt werden.

Wenn etwas Unvorhersehbares bei einer OP geschieht, dann kommt der Zeitplan durcheinander. Unter Umständen stehen dann mehrere Betten mit wartenden Patienten auf dem Flur vor dem OP, andere Operationen werden um Stunden oder auf den nächsten Tag verschoben. Für Patienten, die auf „nüchtern“ gesetzt sind, ist das belastend, wenn sie am späten Nachmittag erfahren, dass sie jetzt essen und trinken dürfen und das ganze Procedere am nächsten Tag von vorn anfängt.

Selbstverständlich greift im Normalfall jemand vom OP-Team zum Telefon, wenn sich die OP-Zeit verlängert. Bei lebensbedrohlichen oder komplizierten Situationen kann es aber passieren, dass niemand dafür Zeit hat.

Im KI-assistierten OP soll diese Aufgabe von der KI übernommen werden. Die geplante Zeit wird automatisch hochgesetzt und an alle Beteiligten gemeldet. Das ist sowohl für das Krankenhauspersonal, als auch für Patientinnen und Patienten von Vorteil.

Fazit: Es ist noch ein Modell, welches zur Demonstration dient und immer weiter verfeinert wird. Noch konnten die Mitarbeiter vom ICCAS nicht sagen, wann es in die Praxis überführt wird. Aber solche Innovationen machen Hoffnung.

Nachtrag: Der Stammtisch, bei dem dieses Modell demonstriert wurde, hatte noch andere Highlights.

Unter anderem wurde ein Schulungsmodell für Eingriffe vorgestellt, welches mit VR-Brillen diese demonstriert. Ein Vortrag von Dr. Franke über das Projekt „Certainty“ – virtueller Zwilling der zellulären Immuntherapie für die personalisierte Krebsbehandlung und ein Ausblick über die aktuellen Projekte und Forschungsschwerpunkte des ICCAS, den Korinna König gab, rundeten das Programm ab.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar