Um das Drama etwas schönzureden, stapelte Sachsens Kultusminister Christian Piwarz am Mittwoch, dem 31. Juli, lieber etwas tief, als er sagte: „Es ist kein Geheimnis, dass wir natürlich gern mehr Lehrkräfte eingestellt hätten, wenn sich auch mehr beworben hätten. Die Unterrichtsabsicherung bleibt damit auch im neuen Schuljahr eine Herausforderung. Dennoch kann ich dem Einstellungsergebnis auch Positives abgewinnen.“ In Vorbereitung auf das kommende Schuljahr hat Sachsen bisher 1.033 Lehrkräfte eingestellt. Das ist viel zu wenig.

Die meisten Nachwuchskräfte werden in Gymnasien und Grundschulen arbeiten, meldete das Kultusministerium am Mittwoch. Sachsens Kultusminister Christian Piwarz hätte zwar gern mehr eingestellt. Doch die Bewerberlage gab nicht mehr her. Dafür seien die Bindungsquoten und die zahlreichen Bewerber aus anderen Bundesländern umso erfreulicher.

Was Sachsen zu neuen Schuljahr eingestellt hat

Zum neuen Schuljahr 2024/2025 wurden insgesamt 1.033 neue Pädagogen eingestellt. Die meisten Einstellungen gab es für Gymnasien (288), Grundschulen (285), gefolgt von Förderschulen (199), Oberschulen (168) und Berufsbildenden Schulen (83) sowie den Gemeinschaftsschulen (5).

Hinter den 1.033 Personen stehen insgesamt 773 grundständig ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer sowie 120 pädagogische Fachkräfte. Hinzu kommen noch 140 Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger, die sich seit dem 1. Mai in der Einstiegsqualifizierung befanden und nun beginnen, zu unterrichten.

So kamen von den 877 ausgebildeten Bewerbern insgesamt, immerhin 220 aus anderen Bundesländern.

„Das große Interesse zeigt, dass Sachsen für Lehrkräfte ein ausgesprochen attraktiver Arbeitgeber zu sein scheint. Auch die hohen Bindungsquoten drücken dies aus“, sagte Piwarz.

Allen ausgebildeten Bewerbern wurde ein Einstellungsangebot gemacht. Mit 150 haben mehr als zwei Drittel der Bewerber aus anderen Bundesländern das Angebot angenommen. Zählt man die sächsischen Bewerber noch hinzu, konnten insgesamt 88 Prozent der grundständig ausgebildeten Lehrkräfte für den sächsischen Schuldienst gewonnen werden.

„Von Bindungsquoten um 90 Prozent konnten wir früher nur träumen, als eine Verbeamtung von Lehrkräften in Sachsen noch nicht möglich war“, unterstrich der Minister. Zugleich verwies der Minister darauf, dass seit dem Schuljahr 2015/2016 immer mehr Lehrkräfte eingestellt wurden, als altersbedingt ausgeschieden waren.

Das ersetzt nicht mal die Altersabgänge

Aber das könnte diesmal anders sein, kritisiert die Lehrergewerkschaft GEW.

„Mit knapp 1.000 neuen Lehrkräften werden nicht einmal die Kolleginnen und Kollegen ersetzt, die im Laufe des Schuljahres aus dem Schuldienst ausscheiden. Das Gesamtbild ist verheerend: Der Lehrkräftemangel wird sich in diesem Schuljahr weiter verschärfen“, erklärt Burkhard Naumann, Vorsitzender der Bildungsgewerkschaft GEW Sachsen.

Vom Auffüllen der Lehrerlücke, die in den vergangenen Jahren angewachsen ist, kann erst recht keine Rede sein. Die GEW Sachsen mahnt an, dass der langjährige Lehrkräftemangel schon längst gravierende Folgen hat.

„Der Unterrichtsausfall gehört an allen Schularten und in allen Regionen zum Alltag. In vielen Klassen werden Fächer gekürzt oder entfallen gänzlich. Ganze Schülergenerationen erhalten nicht die Bildung, die ihnen zusteht“, sagt Naumann. „Darunter leiden alle Schülerinnen und Schüler, insbesondere diejenigen, die mehr Unterstützung benötigen. Lehrkräfte stehen vor einem weiteren Schuljahr mit sehr hoher Belastung und zu wenig Zeit für pädagogische Aufgaben. Die Politik muss jetzt endlich die Mangelverwaltung beenden und einen zukunftsfähigen Plan vorlegen.“

Unterrichtsausfall bleibt an der Tagesordnung

Und auch Christin Melcher, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag, konstatiert: „Der Lehrkräftemangel ist nicht überwunden. Zwar wecken die Einstellungszahlen leise Hoffnung auf Linderung, dies jedoch nur punktuell: So gab es erfreulich viele Einstellungen für die Grundschulen und viele Bewerbungen aus anderen Bundesländern.

Dennoch wird an vielen Schulen im gesamten Freistaat auch im neuen Schuljahr Unterrichtsausfall an der Tagesordnung sein. Offenbar fruchten die bisher ergriffenen Maßnahmen noch nicht im notwendigen Umfang. Deshalb dürfen wir in unseren Bemühungen jetzt nicht nachlassen! Insbesondere müssen wir die Lehrkräftebildung weiter regionalisieren, Lehrkräfte wirksam entlasten und multiprofessionelle Teams an den Schulen ausbauen.“

Und nicht alle, die der Freistaat gewinnen konnte, bleiben auch im sächsischen Schulsystem.

„Noch immer verlieren wir zu viele Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger, trotz Einstiegsqualifizierung und trotz des hohen Bedarfs“, stellt Melche fest. „Damit wir mehr Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger halten können, braucht es eine bessere Beratung, Begleitung und Qualifizierung. Berichte von Physikern, denen das Landesamt für Schule und Bildung abspricht, Mathematik unterrichten zu können, machen mich fassungslos. Das muss besser gehen!“

Wir brauchen 104 Prozent!

Und auch Sabine Friedel, bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, kritisiert den Optimismus des Kultusministers: „Auf dem neuen Schuljahr liegen Licht und Schatten. Die Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung des Lehrerberufs wie E13 für alle Lehrkräfte, Sonderzuschlag für Referendar/-innen im ländlichen Raum oder Bindungs- und Gewinnungszulagen zeigen Wirkung. Sachsen ist inzwischen ein attraktiver Arbeitsort und auf dem Lehrerarbeitsmarkt wettbewerbsfähig. Wir dürfen bei unseren Anstrengungen zur Unterrichtsabsicherung aber nicht nachlassen.

Dazu gehört auch, ehrlich zu sein. Die Zahlen der Statistiken müssen mit der Wirklichkeit im Klassenzimmer übereinstimmen. Das Kultusministerium ist gefordert, eine transparente Planung vorzulegen und alle Bedarfe auszuweisen. So fehlt weiterhin die vollständige Ausreichung des Ergänzungsbereichs und wird in einigen Schularten mit geplanten Unterrichtsausfall kalkuliert. Unsere Unterrichtsversorgung muss auf 104 Prozent ausgerichtet werden und sich in einer langfristigen Bildungsplanung niederschlagen.“

Es wird also noch einige Jahre dauern, bis die ergriffenen Maßnahmen dazu führen, dass Sachsen tatsächlich mehr Lehrerinnen und Lehrer einstellen kann.

„Diese Entwicklung stimmt mich für unser gutes Bildungssystem sehr positiv! Auch wenn wir noch nicht alle Lehrerstellen vollends besetzen können, geht der Trend ganz klar in die richtige Richtung: Unsere beschlossenen Maßnahmen zur Gewinnung junger Lehrerinnen und Lehrer für Sachsens Schulen greifen“, sagte am Mittwoch der bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Holger Gasse.

„Für uns als CDU steht fest: Wir dürfen von diesem Kurs nicht abweichen! 2.700 Studienplätze, Referendarzuschläge im ländlichen Raum, Eingruppierung und besonders die Verbeamtung sind wichtige Voraussetzungen, um in den kommenden Jahren den Trend bei Einstellungen noch positiver zu gestalten.“

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