Im Grunde brachte es Linke-Stadtrat Oliver Gebhardt auf den Punkt, auch wenn er bei der Gelegenheit die Rede seines abwesenden Fraktionskollegen Marco Götze vorlas: „Armes Deutschland, armes Sachsen, armes Leipzig.“ Auch wenn Deutschland eines der reichsten Länder der Erde ist, geht aktuell eine regelrechte Kürzungswelle durchs Land. Alles im Namen der „Schwarzen Null“. Betroffen davon sind jetzt auch die erst mühsam eingerichteten Schulbibliotheken und Leseräume in Leipzigs Schulen.

58 davon hat Leipzig, wie Schulbürgermeisterin Vicki Felthaus am 15. November in der Ratsversammlung mitteilte. Die meisten davon an Grundschulen, da, wo es wirklich um frühe Leseförderung geht. Denn Lesefähigkeit ist die Grundlage für alle Bildungserfolge – und damit für eine erfolgreiche Berufslaufbahn.

Aber Kürzungen im Bund sind mittlerweile schnell beschlossen. Mit dem Rasenmäher geht der Bundesfinanzminister durch alle Resorts. Und die Leidtragenden sind fast überall die sowieso schon finanziell Schwächeren. Auch die finanziell schlechter aufgestellten Städte – wie Leipzig, das das Projekt Schulbibliotheken nicht ohne die vom Jobcenter bereitgestellten Arbeitsgelegenheiten einrichten konnte.

Mit der Einrichtung von Schulbibliotheken ist Leipzig deutschlandweit Spitze, so Felthaus. Umso heftiger wurde Leipzig jetzt von der Streichung dieser Stellen durch das Jobcenter erwischt. Nicht der einzige Fall, wo die Streichungen für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Etat des Jobcenters praktisch über Nacht Probleme schaffen, die nun Hals über Kopf irgendwie ausgeräumt werden müssen.

Wie nun weiter?

Und dass die Schulbibliotheken eine wichtige Rolle für die Kinder gerade aus den bildungsfernen Familien spielen, die zu Hause nicht über Regale voller Bücher verfügen, darüber war sich die Ratsversammlung am 15. November sichtlich einig.

Die Freibeuter-Fraktion, für die Sascha Matzke sprach, hatte das Problem aufgegriffen und einen Antrag geschrieben, der die Stadtverwaltung auffordert, ein Konzept zu entwickeln, wie trotzdem möglichst viele Schulbibliotheken gerettet werden können.

„Die Stadt Leipzig betreibt innerhalb des Stadtgebiets Schulbibliotheken an verschiedenen Standorten, vornehmlich an Grundschulen. Die personelle Betreuung wurde in den letzten zehn Jahren über beförderte Beschäftigungsverhältnisse gewährleistet. Diese geförderten Beschäftigungsverhältnisse laufen zum 31. Dezember 2024 größtenteils aus.

Die Schulbibliotheken können anschließend nicht mehr wie bisher betreut werden und müssen über andere Wege personell ausgestattet werden. Ohne Betreuung müssten die Schulbibliotheken geschlossen werden. Daher muss hierfür eine Lösung gefunden werden“, heißt es darin.

Aber wie könnte die Betreuung dieser Bibliotheken künftig aussehen?

„Die zukünftige Betreuung der Schulbibliotheken soll dabei explizit nicht durch den Einsatz des an der Schule vorhandenen Lehrkörpers erfolgen, sondern andere Lösungswege beschreiten. Dabei muss wahrscheinlich ehrenamtliches Engagement anfragt werden, zum Beispiel über eine Ausschreibung im Rahmen der Ehrenamtsstrategie“, betont der Antrag.

„Denkbar sind auch Projekte oder Arbeitsgruppen, durch die sich innerhalb der älteren Schülerschaft eine Bereitschaft zur freiwilligen Beschäftigung bzw. als Ganztagsangebot entwickelt. Letztendlich könnte auch eine Grundbesetzung mit wenigen Personalstellen dazu führen, dass man zumindest tageweise abwechselnd unterschiedliche Standorte betreut. Diese könnten auch im Rahmen städtischer Personalförderprojekte mit den Schulbibliotheken betraut werden.“

Keine neuen Personalstellen bei der Stadt

Der letzte Passus warf dann ein paar Fragen bei der CDU-Fraktion auf, denn der Schaffung neuer Personalstellen in der Verwaltung, so CDU-Stadtrat Falk Dossin, wollte seine Fraktion eigentlich nicht zustimmen.

Aber Sascha Matzke war ehrlich: Vielleicht geht es gar nicht anders. Das soll die Verwaltung prüfen. Vielleicht könnten auch andere Stellen umgewidmet werden und weniger Beschäftigte dann mehrere Bibliotheken betreuen. Wichtig sei doch erst einmal, dass die Stadt ein Konzept erarbeite, das die Möglichkeiten aufzeige.

Wobei SPD-Stadträtin Ute Köhler-Siegel daran erinnerte, dass sich der Freistaat Sachsen bei dem Thema bis heute vornehm zurückhält. Oder knickrig, je nach Perspektive. Auch der könnte einen Teil der Stellen für Schulbibliothekare finanzieren.

Wobei Köhler-Siegel betonte, dass ihrer Faktion Sozialarbeiterstellen an den Schulen noch wichtiger sind. Kommunen wie Leipzig baden ja aus, wo der Freistaat mit seiner Bildungspolitik völlig falsche Weichen gestellt hat.

Aber der Freibeuter-Antrag machte eben noch keine Angaben zu neuen Stellenbesetzungen. Kurz und knapp lautete der Beschlusspunkt: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, ein Konzept zur Weiterführung der personellen Betreuung der Schulbibliotheken der Stadt Leipzig zu erstellen. Das Konzept wird dem Stadtrat bis zum 31. Dezember 2023 vorgelegt.“

Der genannte Termin ist so natürlich nicht zu halten, sodass das am 15. November noch in 1. Quartal 2024 geändert wurde.

Das Schuldezernat hat die Ambition des Antrags schon in seiner Stellungnahme bestätigt. Und der Fachausschuss Jugend, Schule und Demokratie hat sich mit dem Thema auch schon beschäftigt, wie auch Matzke anmerkte.

Es herrschte also keineswegs ein Dissens. Nun freilich muss die Verwaltung die Möglichkeiten ausloten, die sich bieten, doch noch die vorbildliche Bibliothekslandschaft an Leipzigs Schulen zu retten. Immerhin gab es dafür – wie Matzke aus der Geschwister-Scholl-Schule in Gohlis berichtete – auch schon Preise für die vorbildliche Leseförderung. Also: Etliche Institutionen in Deutschland wissen, wie wertvoll das Lesenlernen für die Kinder ist.

Nur die deutschen Finanzminister mit ihrer Vernarrtheit in die „Schuldenbremse“ greifen ohne Nachdenken einfach zum Rotstift und opfern Dinge, um die andere jahrzehntelang gekämpft haben.

Der Antrag der Freibeuter wurde am 15. November von der Ratsversammlung einstimmig angenommen.

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